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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Vom äußerlichen Gottesdienste.
nahe bey Gott noch an die groben Freuden der Erde den-
ken, oder ob wir alsdann an den seligen Geschäften der
Vollendeten und Erlösten Theil nehmen werden? Laufen
nicht die Tage wie Ströme, die von Bergen stürzen,
und wir selber werden mit fortgerissen, und erreichen das
Ziel, ehe wir es meynen? Gleichen nicht alle Kostbarkeiten
der Erde den Dünsten, die in der Luft schweben, durch
ihr Feuer die Augen der Unwissenden blenden, und zu-
letzt in Nichts übergehen? Ist es nicht die einzige wün-
schenswerthe Glückseligkeit, mit ruhiger Seele, mit dem
Frieden im Gewissen, mit unbeweglicher Hoffnung des
ewigen Lebens am lachenden Ufer der Ewigkeit zurück-
zuschauen auf die Welt, die nie ruhig wird, und alsdann,
schon ergriffen von der Hand des Todes, zu Gott hin-
auf zu rufen: Herr, nun lässest du deinen Diener
im Frieden fahren!
(Lucä 2, 29.) Im Staube hab
ich dich oft angebetet, und verehret. Jezt will ich dich
auch mit verklärter Zunge in Ewigkeit loben, und in
Ewigkeit lieb haben! O wie freu ich mich über die
menschenfreundlichen Thränen Jesu Christi! Zurück, Un-
dankbare, Unbußfertige und Freche! Entfernet euch von
mir, harte, rohe, unempfindliche Menschen! Sammlet
euch hier, an diesem Heiligthum, ihr ächte Brüder und
Schwestern Jesu Christi! Seht ihn da weinen, wie wir
oft weinen in der Hitze der Leiden. Ach, das stärkt un-
sern Muth, bis wir bey dir sind, liebevoller Heiland! O
du mit der Krone der Tugend in der Hand! sieh uns
an, wenn wir zwischen Dornen und Klippen unsern Lauf
fortführen. Christen! je länger wir streiten, je schöner
ist unser Sieg, je glänzender ist der Himmel, der uns
erwartet. Das kurze Leben vom Gram umschlungen

wird

Vom äußerlichen Gottesdienſte.
nahe bey Gott noch an die groben Freuden der Erde den-
ken, oder ob wir alsdann an den ſeligen Geſchäften der
Vollendeten und Erlöſten Theil nehmen werden? Laufen
nicht die Tage wie Ströme, die von Bergen ſtürzen,
und wir ſelber werden mit fortgeriſſen, und erreichen das
Ziel, ehe wir es meynen? Gleichen nicht alle Koſtbarkeiten
der Erde den Dünſten, die in der Luft ſchweben, durch
ihr Feuer die Augen der Unwiſſenden blenden, und zu-
letzt in Nichts übergehen? Iſt es nicht die einzige wün-
ſchenswerthe Glückſeligkeit, mit ruhiger Seele, mit dem
Frieden im Gewiſſen, mit unbeweglicher Hoffnung des
ewigen Lebens am lachenden Ufer der Ewigkeit zurück-
zuſchauen auf die Welt, die nie ruhig wird, und alsdann,
ſchon ergriffen von der Hand des Todes, zu Gott hin-
auf zu rufen: Herr, nun läſſeſt du deinen Diener
im Frieden fahren!
(Lucä 2, 29.) Im Staube hab
ich dich oft angebetet, und verehret. Jezt will ich dich
auch mit verklärter Zunge in Ewigkeit loben, und in
Ewigkeit lieb haben! O wie freu ich mich über die
menſchenfreundlichen Thränen Jeſu Chriſti! Zurück, Un-
dankbare, Unbußfertige und Freche! Entfernet euch von
mir, harte, rohe, unempfindliche Menſchen! Sammlet
euch hier, an dieſem Heiligthum, ihr ächte Brüder und
Schweſtern Jeſu Chriſti! Seht ihn da weinen, wie wir
oft weinen in der Hitze der Leiden. Ach, das ſtärkt un-
ſern Muth, bis wir bey dir ſind, liebevoller Heiland! O
du mit der Krone der Tugend in der Hand! ſieh uns
an, wenn wir zwiſchen Dornen und Klippen unſern Lauf
fortführen. Chriſten! je länger wir ſtreiten, je ſchöner
iſt unſer Sieg, je glänzender iſt der Himmel, der uns
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[223/0229] Vom äußerlichen Gottesdienſte. nahe bey Gott noch an die groben Freuden der Erde den- ken, oder ob wir alsdann an den ſeligen Geſchäften der Vollendeten und Erlöſten Theil nehmen werden? Laufen nicht die Tage wie Ströme, die von Bergen ſtürzen, und wir ſelber werden mit fortgeriſſen, und erreichen das Ziel, ehe wir es meynen? Gleichen nicht alle Koſtbarkeiten der Erde den Dünſten, die in der Luft ſchweben, durch ihr Feuer die Augen der Unwiſſenden blenden, und zu- letzt in Nichts übergehen? Iſt es nicht die einzige wün- ſchenswerthe Glückſeligkeit, mit ruhiger Seele, mit dem Frieden im Gewiſſen, mit unbeweglicher Hoffnung des ewigen Lebens am lachenden Ufer der Ewigkeit zurück- zuſchauen auf die Welt, die nie ruhig wird, und alsdann, ſchon ergriffen von der Hand des Todes, zu Gott hin- auf zu rufen: Herr, nun läſſeſt du deinen Diener im Frieden fahren! (Lucä 2, 29.) Im Staube hab ich dich oft angebetet, und verehret. Jezt will ich dich auch mit verklärter Zunge in Ewigkeit loben, und in Ewigkeit lieb haben! O wie freu ich mich über die menſchenfreundlichen Thränen Jeſu Chriſti! Zurück, Un- dankbare, Unbußfertige und Freche! Entfernet euch von mir, harte, rohe, unempfindliche Menſchen! Sammlet euch hier, an dieſem Heiligthum, ihr ächte Brüder und Schweſtern Jeſu Chriſti! Seht ihn da weinen, wie wir oft weinen in der Hitze der Leiden. Ach, das ſtärkt un- ſern Muth, bis wir bey dir ſind, liebevoller Heiland! O du mit der Krone der Tugend in der Hand! ſieh uns an, wenn wir zwiſchen Dornen und Klippen unſern Lauf fortführen. Chriſten! je länger wir ſtreiten, je ſchöner iſt unſer Sieg, je glänzender iſt der Himmel, der uns erwartet. Das kurze Leben vom Gram umſchlungen wird

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/229>, abgerufen am 22.11.2024.