Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Unterredungen mit Gott. Meine Zeit steht in deinen Händen. (Psalm 31, 16.) Leite mich, Gott! bey meiner Unerfahrenheit doch Entferne aus meinem Herzen alle hohe Wünsche, Rette mich von der schädlichen Seuche der Verstel- Viele
Unterredungen mit Gott. Meine Zeit ſteht in deinen Händen. (Pſalm 31, 16.) Leite mich, Gott! bey meiner Unerfahrenheit doch Entferne aus meinem Herzen alle hohe Wünſche, Rette mich von der ſchädlichen Seuche der Verſtel- Viele
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0016" n="10"/> <fw place="top" type="header">Unterredungen mit Gott.</fw><lb/> <p>Meine Zeit ſteht in deinen Händen. (Pſalm 31, 16.)<lb/> Ach, Vater im Himmel! Laß es mich nie vergeſſen!<lb/> Laß es mir einfallen, wenn Unmuth und Trübſinn die<lb/> zerriſſene Seele zu Boden drückt. Jn deinen Händen<lb/> liegt mein ganzes Schickſal, die Zeit meines Lebens, die<lb/> Stunde des Todes, die Zeit der Vorbereitung, der<lb/> Uebung, der Erziehung, die Tage voll von Erdenmühe<lb/> und ſaurem Schweiß, und die Ruheſtunden, die Jahre<lb/> der Dunkelheit, der Niedrigkeit, der Dürftigkeit, und<lb/> der Zeitpunkt, wo mein irrdiſches Glück blühen wird,<lb/> die Zeit, die ich im Krankenzimmer zubringen muß, die<lb/> Drängungen von andern, mein Steigen und Fallen,<lb/> mein Amt, meine Verbindungen, meine Ehre, meine<lb/> Angehörigen — ach, du achteſt auf alles. So ſey<lb/> dann mein ganzes Glück deinen Händen überlaſſen. Jch<lb/> will ruhen in deinem Schooß, und nichts Böſes fürch-<lb/> ten. Gebiete du über mich nach deinem Willen. Va-<lb/> ter! nicht mein, ſondern dein Wille geſchehe!</p><lb/> <p>Leite mich, Gott! bey meiner Unerfahrenheit doch<lb/> allezeit auf ebenem Weg. Laß deine freche Verächter<lb/> nicht triumphiren über die Fehltritte deiner redlichen<lb/> Verehrer.</p><lb/> <p>Entferne aus meinem Herzen alle hohe Wünſche,<lb/> und ſchenke mir die wahre Weisheit, heilige Furcht vor<lb/> dir, Freude am Guten, Liebe zur Wahrheit, Umgang<lb/> mit dir Zärtlichkeit gegen deinen Sohn, Folgſamkeit<lb/> und Aufmerkſamkeit auf deine Gnade, Ernſt im Kampf<lb/> mit der Sünde, und Geringſchätzung der Welt.</p><lb/> <p>Rette mich von der ſchädlichen Seuche der Verſtel-<lb/> lungskunſt, der Modefreundſchaft, und der Liebe, die mit<lb/> Worten ſalbt, und mit Thaten quält.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Viele</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [10/0016]
Unterredungen mit Gott.
Meine Zeit ſteht in deinen Händen. (Pſalm 31, 16.)
Ach, Vater im Himmel! Laß es mich nie vergeſſen!
Laß es mir einfallen, wenn Unmuth und Trübſinn die
zerriſſene Seele zu Boden drückt. Jn deinen Händen
liegt mein ganzes Schickſal, die Zeit meines Lebens, die
Stunde des Todes, die Zeit der Vorbereitung, der
Uebung, der Erziehung, die Tage voll von Erdenmühe
und ſaurem Schweiß, und die Ruheſtunden, die Jahre
der Dunkelheit, der Niedrigkeit, der Dürftigkeit, und
der Zeitpunkt, wo mein irrdiſches Glück blühen wird,
die Zeit, die ich im Krankenzimmer zubringen muß, die
Drängungen von andern, mein Steigen und Fallen,
mein Amt, meine Verbindungen, meine Ehre, meine
Angehörigen — ach, du achteſt auf alles. So ſey
dann mein ganzes Glück deinen Händen überlaſſen. Jch
will ruhen in deinem Schooß, und nichts Böſes fürch-
ten. Gebiete du über mich nach deinem Willen. Va-
ter! nicht mein, ſondern dein Wille geſchehe!
Leite mich, Gott! bey meiner Unerfahrenheit doch
allezeit auf ebenem Weg. Laß deine freche Verächter
nicht triumphiren über die Fehltritte deiner redlichen
Verehrer.
Entferne aus meinem Herzen alle hohe Wünſche,
und ſchenke mir die wahre Weisheit, heilige Furcht vor
dir, Freude am Guten, Liebe zur Wahrheit, Umgang
mit dir Zärtlichkeit gegen deinen Sohn, Folgſamkeit
und Aufmerkſamkeit auf deine Gnade, Ernſt im Kampf
mit der Sünde, und Geringſchätzung der Welt.
Rette mich von der ſchädlichen Seuche der Verſtel-
lungskunſt, der Modefreundſchaft, und der Liebe, die mit
Worten ſalbt, und mit Thaten quält.
Viele
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