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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Menschenliebe des Erlösers.
tragen können, weil sie beständig das ungebesserte Herz
andrer erfahren, und mit ewigem Mißvergnügen streiten
müssen? Wie sich ein Knecht nach dem Schatten
sehnt, und ein Tagelöhner nach der Feyerstunde,

(Hiob K. 7, 2.) so erscheint oft alles um uns herum, in
schrecklichen Farben, Gottes Erde mißfällt uns oft, wir
gäben gern ein Leben weg, das doch, je länger es währt,
je mehr wir uns der Rechtschaffenheit befleißen, unsre
Seligkeit vergrößern kann. Und warum? Weil wir
die Kunst nicht verstehen, durch Güte und Liebe Herzen
zu gewinnen, und für uns zu erwärmen, Wohlthaten
auf einnehmende Art zu empfangen und auszutheilen,
Verdienste zu sammlen, und durch stete Aufmerksamkeit
auf unsere Nebenmenschen ihre Seelen zu eben diesen
schönen Gesinnungen zu stimmen, und an uns zu gewöh-
nen. Der Eigennutz, dieser Mörder so vieler unschuldi-
ger Vergnügungen, weiß tausend Wege, sich Geld zu
machen, und andern, die so unedel nicht sind, zuvorzu-
kommen. Oft herrscht er gerade da, wo er bestraft wer-
deu sollte, am Gerichtsplatz, und auf dem Stuhl, von
dem menschenfreundliche Weisheit sprechen sollte. Oft
werden arme, wehrlose Leute geplündert, man pralt mit
den Reichthümern, die uns Schande machen, der Obre
schweigt, der Untergebene gewöhnt seine Sünde, beru-
higt sich über den Vorwürfen seines Gewissens, und geht
mit trotziger Mine leer und unwissend neben dem beschei-
denen Weisen und dem dürftigen Christen vorbey.
Sollten wir nicht alle recht oft, unser Leben, und unsre
Menschenliebe mit den weisen und vortrefflichen Vor-
schriften Jesu Christi zum gesellschaftlichen Leben verglei-
chen? Wir sprechen viel von der Menschenfreundschaft,

aber

Menſchenliebe des Erlöſers.
tragen können, weil ſie beſtändig das ungebeſſerte Herz
andrer erfahren, und mit ewigem Mißvergnügen ſtreiten
müſſen? Wie ſich ein Knecht nach dem Schatten
ſehnt, und ein Tagelöhner nach der Feyerſtunde,

(Hiob K. 7, 2.) ſo erſcheint oft alles um uns herum, in
ſchrecklichen Farben, Gottes Erde mißfällt uns oft, wir
gäben gern ein Leben weg, das doch, je länger es währt,
je mehr wir uns der Rechtſchaffenheit befleißen, unſre
Seligkeit vergrößern kann. Und warum? Weil wir
die Kunſt nicht verſtehen, durch Güte und Liebe Herzen
zu gewinnen, und für uns zu erwärmen, Wohlthaten
auf einnehmende Art zu empfangen und auszutheilen,
Verdienſte zu ſammlen, und durch ſtete Aufmerkſamkeit
auf unſere Nebenmenſchen ihre Seelen zu eben dieſen
ſchönen Geſinnungen zu ſtimmen, und an uns zu gewöh-
nen. Der Eigennutz, dieſer Mörder ſo vieler unſchuldi-
ger Vergnügungen, weiß tauſend Wege, ſich Geld zu
machen, und andern, die ſo unedel nicht ſind, zuvorzu-
kommen. Oft herrſcht er gerade da, wo er beſtraft wer-
deu ſollte, am Gerichtsplatz, und auf dem Stuhl, von
dem menſchenfreundliche Weisheit ſprechen ſollte. Oft
werden arme, wehrloſe Leute geplündert, man pralt mit
den Reichthümern, die uns Schande machen, der Obre
ſchweigt, der Untergebene gewöhnt ſeine Sünde, beru-
higt ſich über den Vorwürfen ſeines Gewiſſens, und geht
mit trotziger Mine leer und unwiſſend neben dem beſchei-
denen Weiſen und dem dürftigen Chriſten vorbey.
Sollten wir nicht alle recht oft, unſer Leben, und unſre
Menſchenliebe mit den weiſen und vortrefflichen Vor-
ſchriften Jeſu Chriſti zum geſellſchaftlichen Leben verglei-
chen? Wir ſprechen viel von der Menſchenfreundſchaft,

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[138/0144] Menſchenliebe des Erlöſers. tragen können, weil ſie beſtändig das ungebeſſerte Herz andrer erfahren, und mit ewigem Mißvergnügen ſtreiten müſſen? Wie ſich ein Knecht nach dem Schatten ſehnt, und ein Tagelöhner nach der Feyerſtunde, (Hiob K. 7, 2.) ſo erſcheint oft alles um uns herum, in ſchrecklichen Farben, Gottes Erde mißfällt uns oft, wir gäben gern ein Leben weg, das doch, je länger es währt, je mehr wir uns der Rechtſchaffenheit befleißen, unſre Seligkeit vergrößern kann. Und warum? Weil wir die Kunſt nicht verſtehen, durch Güte und Liebe Herzen zu gewinnen, und für uns zu erwärmen, Wohlthaten auf einnehmende Art zu empfangen und auszutheilen, Verdienſte zu ſammlen, und durch ſtete Aufmerkſamkeit auf unſere Nebenmenſchen ihre Seelen zu eben dieſen ſchönen Geſinnungen zu ſtimmen, und an uns zu gewöh- nen. Der Eigennutz, dieſer Mörder ſo vieler unſchuldi- ger Vergnügungen, weiß tauſend Wege, ſich Geld zu machen, und andern, die ſo unedel nicht ſind, zuvorzu- kommen. Oft herrſcht er gerade da, wo er beſtraft wer- deu ſollte, am Gerichtsplatz, und auf dem Stuhl, von dem menſchenfreundliche Weisheit ſprechen ſollte. Oft werden arme, wehrloſe Leute geplündert, man pralt mit den Reichthümern, die uns Schande machen, der Obre ſchweigt, der Untergebene gewöhnt ſeine Sünde, beru- higt ſich über den Vorwürfen ſeines Gewiſſens, und geht mit trotziger Mine leer und unwiſſend neben dem beſchei- denen Weiſen und dem dürftigen Chriſten vorbey. Sollten wir nicht alle recht oft, unſer Leben, und unſre Menſchenliebe mit den weiſen und vortrefflichen Vor- ſchriften Jeſu Chriſti zum geſellſchaftlichen Leben verglei- chen? Wir ſprechen viel von der Menſchenfreundſchaft, aber

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/144>, abgerufen am 24.11.2024.