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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Menschenliebe des Erlösers.
bar, aber ehrwürdig und herzlich, ohne Glanz, aber red-
lich, nach dem Maaß der Kräfte, in der besten Absicht,
andern zu helfen, o da war es seine Freude, so ein unbe-
obachtetes Verdienst hervorzuziehen, das wußte er zu he-
ben, da ward er gleich Lobredner, erklärte sich laut da-
für, nahm die bescheidene Rechtschaffenheit in seinen
Schutz, und setzte sie weit über den Stolz der Pharisäer
hinauf. Wie wahr, und wie natürlich wußte er den
Unterschied anzugeben zwischen dem Almosen der Rei-
chen, und zwischen dem Heller, den eine arme Witwe
brachte! (Marci 12, 41 - 44.) Seine Jünger wurden
deswegen zusammenberufen, damit sie diese freylich klein-
scheinende, aber aufrichtige Wohlthätigkeit bemerken soll-
ten. Seine ganze Geschichte ist das Bild der Liebe;
diese Tugend erklärte er für das Grundgesetz in seinem
Staat, für das erste Kennzeichen aller seiner Anhänger,
(Joh. 15, 12. 17.) er war treu, und leistete zuletzt wirklich
das, was er immer sagte; als er bald sterben sollte, that
er am meisten Gutes, und beschwerte sich nicht über Miß-
kennung und Undank, die letzte Nacht, da er noch frey
war, brachte er schlaflos zu, betete für die ganze Welt,
betete für den Unglücklichen, der schon den Dolch für
sein Herz geschärft hatte; wie er majestätisch vom Grab
wieder kam, dacht er gleich an seine verscheuchte, und
zerstreute Jünger; und als er schon aus den Wolken den
Glanz des Himmels sich entgegen strömen sah, da schaut
er noch mit dem Aug voll Liebe herab, auf den ersten An-
fang seiner jezt so ausgebreiteten Kirche, und versprach,
wieder zu kommen auf die versöhnte Erde -- Wie er die
angstvollen Jünger auf dem Wasser tröstete! Wie er dem
bebenden Vater, der über der Leiche seiner Tochter lag,

zu

Menſchenliebe des Erlöſers.
bar, aber ehrwürdig und herzlich, ohne Glanz, aber red-
lich, nach dem Maaß der Kräfte, in der beſten Abſicht,
andern zu helfen, o da war es ſeine Freude, ſo ein unbe-
obachtetes Verdienſt hervorzuziehen, das wußte er zu he-
ben, da ward er gleich Lobredner, erklärte ſich laut da-
für, nahm die beſcheidene Rechtſchaffenheit in ſeinen
Schutz, und ſetzte ſie weit über den Stolz der Phariſäer
hinauf. Wie wahr, und wie natürlich wußte er den
Unterſchied anzugeben zwiſchen dem Almoſen der Rei-
chen, und zwiſchen dem Heller, den eine arme Witwe
brachte! (Marci 12, 41 - 44.) Seine Jünger wurden
deswegen zuſammenberufen, damit ſie dieſe freylich klein-
ſcheinende, aber aufrichtige Wohlthätigkeit bemerken ſoll-
ten. Seine ganze Geſchichte iſt das Bild der Liebe;
dieſe Tugend erklärte er für das Grundgeſetz in ſeinem
Staat, für das erſte Kennzeichen aller ſeiner Anhänger,
(Joh. 15, 12. 17.) er war treu, und leiſtete zuletzt wirklich
das, was er immer ſagte; als er bald ſterben ſollte, that
er am meiſten Gutes, und beſchwerte ſich nicht über Miß-
kennung und Undank, die letzte Nacht, da er noch frey
war, brachte er ſchlaflos zu, betete für die ganze Welt,
betete für den Unglücklichen, der ſchon den Dolch für
ſein Herz geſchärft hatte; wie er majeſtätiſch vom Grab
wieder kam, dacht er gleich an ſeine verſcheuchte, und
zerſtreute Jünger; und als er ſchon aus den Wolken den
Glanz des Himmels ſich entgegen ſtrömen ſah, da ſchaut
er noch mit dem Aug voll Liebe herab, auf den erſten An-
fang ſeiner jezt ſo ausgebreiteten Kirche, und verſprach,
wieder zu kommen auf die verſöhnte Erde — Wie er die
angſtvollen Jünger auf dem Waſſer tröſtete! Wie er dem
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[132/0138] Menſchenliebe des Erlöſers. bar, aber ehrwürdig und herzlich, ohne Glanz, aber red- lich, nach dem Maaß der Kräfte, in der beſten Abſicht, andern zu helfen, o da war es ſeine Freude, ſo ein unbe- obachtetes Verdienſt hervorzuziehen, das wußte er zu he- ben, da ward er gleich Lobredner, erklärte ſich laut da- für, nahm die beſcheidene Rechtſchaffenheit in ſeinen Schutz, und ſetzte ſie weit über den Stolz der Phariſäer hinauf. Wie wahr, und wie natürlich wußte er den Unterſchied anzugeben zwiſchen dem Almoſen der Rei- chen, und zwiſchen dem Heller, den eine arme Witwe brachte! (Marci 12, 41 - 44.) Seine Jünger wurden deswegen zuſammenberufen, damit ſie dieſe freylich klein- ſcheinende, aber aufrichtige Wohlthätigkeit bemerken ſoll- ten. Seine ganze Geſchichte iſt das Bild der Liebe; dieſe Tugend erklärte er für das Grundgeſetz in ſeinem Staat, für das erſte Kennzeichen aller ſeiner Anhänger, (Joh. 15, 12. 17.) er war treu, und leiſtete zuletzt wirklich das, was er immer ſagte; als er bald ſterben ſollte, that er am meiſten Gutes, und beſchwerte ſich nicht über Miß- kennung und Undank, die letzte Nacht, da er noch frey war, brachte er ſchlaflos zu, betete für die ganze Welt, betete für den Unglücklichen, der ſchon den Dolch für ſein Herz geſchärft hatte; wie er majeſtätiſch vom Grab wieder kam, dacht er gleich an ſeine verſcheuchte, und zerſtreute Jünger; und als er ſchon aus den Wolken den Glanz des Himmels ſich entgegen ſtrömen ſah, da ſchaut er noch mit dem Aug voll Liebe herab, auf den erſten An- fang ſeiner jezt ſo ausgebreiteten Kirche, und verſprach, wieder zu kommen auf die verſöhnte Erde — Wie er die angſtvollen Jünger auf dem Waſſer tröſtete! Wie er dem bebenden Vater, der über der Leiche ſeiner Tochter lag, zu

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/138>, abgerufen am 22.11.2024.