Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Menschenliebe des Erlösers. künftige Nachfolger genossen diese Liebe im ganzen Um-fang, seine Sanftmuth verhinderte, daß Feuer vom Him- mel fiel, und die unartige Rotte, die ihn aus Religions- haß nicht aufnehmen wollte, vom Boden wegfraß, (Luc. 9, 51 - 56.) seine Liebe trug den Verräther Jahre lang in seiner Gesellschaft, der er nicht werth war, seine Liebe riß die Blendwerke nieder, die der Geist des Ehrgeizes und der Gewinnsucht, von dem sich alle Pharisäer beherrschen ließen, aufgestellt hatte, die Todten und die Lebendigen, die Gesunden und Kranken umfieng seine Liebe, auf dem Weg zur Marterstätte ergoß sie sich, sie floß ihm in den schönsten Thränen vom Gesicht, sein Herz klopfte Liebe, bis es nicht mehr schlug. Ohne Zweifel lag ihm eine unaussprechliche Milde und Sanftheit im Gesicht. Er stieg bis zur werdenden Menschheit, bis zum liebenswür- digen Kind herab, und trug es gerne auf seinen Armen. Er ließ sich zum kranken Sklaven holen. Bey der Aus- theilung seiner Wohlthaten machte er keinen Unterschied, als den, den die Klugheit und der Zweck seiner Maje- stätshandlungen erforderte; sonst sah er nicht auf den Rang, nicht auf die Nation, nicht auf die Religion, man durfte nur Mensch seyn, so hatte man Anspruch auf sein immer warmes, und gefühlvolles Herz. Besonders trug er den Saamen seiner Lehre auf den guten Boden des gemeinen Volks, er that, was kein Weltweiser in Athen und Rom, kein Hoherpriester in Jerusalem ge- than hatte, er predigte den Armen, dem untersten und geringsten Haufen, das Evangelium, (Matth. 11, 5.) und machte sich ein Geschäft daraus, den nie- dergedrückten, kriechenden Geist des arbeitenden Volks auf
Menſchenliebe des Erlöſers. künftige Nachfolger genoſſen dieſe Liebe im ganzen Um-fang, ſeine Sanftmuth verhinderte, daß Feuer vom Him- mel fiel, und die unartige Rotte, die ihn aus Religions- haß nicht aufnehmen wollte, vom Boden wegfraß, (Luc. 9, 51 - 56.) ſeine Liebe trug den Verräther Jahre lang in ſeiner Geſellſchaft, der er nicht werth war, ſeine Liebe riß die Blendwerke nieder, die der Geiſt des Ehrgeizes und der Gewinnſucht, von dem ſich alle Phariſäer beherrſchen ließen, aufgeſtellt hatte, die Todten und die Lebendigen, die Geſunden und Kranken umfieng ſeine Liebe, auf dem Weg zur Marterſtätte ergoß ſie ſich, ſie floß ihm in den ſchönſten Thränen vom Geſicht, ſein Herz klopfte Liebe, bis es nicht mehr ſchlug. Ohne Zweifel lag ihm eine unausſprechliche Milde und Sanftheit im Geſicht. Er ſtieg bis zur werdenden Menſchheit, bis zum liebenswür- digen Kind herab, und trug es gerne auf ſeinen Armen. Er ließ ſich zum kranken Sklaven holen. Bey der Aus- theilung ſeiner Wohlthaten machte er keinen Unterſchied, als den, den die Klugheit und der Zweck ſeiner Maje- ſtätshandlungen erforderte; ſonſt ſah er nicht auf den Rang, nicht auf die Nation, nicht auf die Religion, man durfte nur Menſch ſeyn, ſo hatte man Anſpruch auf ſein immer warmes, und gefühlvolles Herz. Beſonders trug er den Saamen ſeiner Lehre auf den guten Boden des gemeinen Volks, er that, was kein Weltweiſer in Athen und Rom, kein Hoherprieſter in Jeruſalem ge- than hatte, er predigte den Armen, dem unterſten und geringſten Haufen, das Evangelium, (Matth. 11, 5.) und machte ſich ein Geſchäft daraus, den nie- dergedrückten, kriechenden Geiſt des arbeitenden Volks auf
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0136" n="130"/><fw place="top" type="header">Menſchenliebe des Erlöſers.</fw><lb/> künftige Nachfolger genoſſen dieſe Liebe im ganzen Um-<lb/> fang, ſeine Sanftmuth verhinderte, daß Feuer vom Him-<lb/> mel fiel, und die unartige Rotte, die ihn aus Religions-<lb/> haß nicht aufnehmen wollte, vom Boden wegfraß, (Luc.<lb/> 9, 51 - 56.) ſeine Liebe trug den Verräther Jahre lang in<lb/> ſeiner Geſellſchaft, der er nicht werth war, ſeine Liebe riß<lb/> die Blendwerke nieder, die der Geiſt des Ehrgeizes und<lb/> der Gewinnſucht, von dem ſich alle Phariſäer beherrſchen<lb/> ließen, aufgeſtellt hatte, die Todten und die Lebendigen,<lb/> die Geſunden und Kranken umfieng ſeine Liebe, auf dem<lb/> Weg zur Marterſtätte ergoß ſie ſich, ſie floß ihm in den<lb/> ſchönſten Thränen vom Geſicht, ſein Herz klopfte Liebe,<lb/> bis es nicht mehr ſchlug. Ohne Zweifel lag ihm eine<lb/> unausſprechliche Milde und Sanftheit im Geſicht. Er<lb/> ſtieg bis zur werdenden Menſchheit, bis zum liebenswür-<lb/> digen Kind herab, und trug es gerne auf ſeinen Armen.<lb/> Er ließ ſich zum kranken Sklaven holen. Bey der Aus-<lb/> theilung ſeiner Wohlthaten machte er keinen Unterſchied,<lb/> als den, den die Klugheit und der Zweck ſeiner Maje-<lb/> ſtätshandlungen erforderte; ſonſt ſah er nicht auf den<lb/> Rang, nicht auf die Nation, nicht auf die Religion,<lb/> man durfte nur Menſch ſeyn, ſo hatte man Anſpruch auf<lb/> ſein immer warmes, und gefühlvolles Herz. Beſonders<lb/> trug er den Saamen ſeiner Lehre auf den guten Boden<lb/> des gemeinen Volks, er that, was kein Weltweiſer in<lb/> Athen und Rom, kein Hoherprieſter in Jeruſalem ge-<lb/> than hatte, er predigte den Armen, dem unterſten<lb/> und geringſten Haufen, <hi rendition="#fr">das Evangelium,</hi> (Matth.<lb/> 11, 5.) und machte ſich ein Geſchäft daraus, den nie-<lb/> dergedrückten, kriechenden Geiſt des arbeitenden Volks<lb/> <fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0136]
Menſchenliebe des Erlöſers.
künftige Nachfolger genoſſen dieſe Liebe im ganzen Um-
fang, ſeine Sanftmuth verhinderte, daß Feuer vom Him-
mel fiel, und die unartige Rotte, die ihn aus Religions-
haß nicht aufnehmen wollte, vom Boden wegfraß, (Luc.
9, 51 - 56.) ſeine Liebe trug den Verräther Jahre lang in
ſeiner Geſellſchaft, der er nicht werth war, ſeine Liebe riß
die Blendwerke nieder, die der Geiſt des Ehrgeizes und
der Gewinnſucht, von dem ſich alle Phariſäer beherrſchen
ließen, aufgeſtellt hatte, die Todten und die Lebendigen,
die Geſunden und Kranken umfieng ſeine Liebe, auf dem
Weg zur Marterſtätte ergoß ſie ſich, ſie floß ihm in den
ſchönſten Thränen vom Geſicht, ſein Herz klopfte Liebe,
bis es nicht mehr ſchlug. Ohne Zweifel lag ihm eine
unausſprechliche Milde und Sanftheit im Geſicht. Er
ſtieg bis zur werdenden Menſchheit, bis zum liebenswür-
digen Kind herab, und trug es gerne auf ſeinen Armen.
Er ließ ſich zum kranken Sklaven holen. Bey der Aus-
theilung ſeiner Wohlthaten machte er keinen Unterſchied,
als den, den die Klugheit und der Zweck ſeiner Maje-
ſtätshandlungen erforderte; ſonſt ſah er nicht auf den
Rang, nicht auf die Nation, nicht auf die Religion,
man durfte nur Menſch ſeyn, ſo hatte man Anſpruch auf
ſein immer warmes, und gefühlvolles Herz. Beſonders
trug er den Saamen ſeiner Lehre auf den guten Boden
des gemeinen Volks, er that, was kein Weltweiſer in
Athen und Rom, kein Hoherprieſter in Jeruſalem ge-
than hatte, er predigte den Armen, dem unterſten
und geringſten Haufen, das Evangelium, (Matth.
11, 5.) und machte ſich ein Geſchäft daraus, den nie-
dergedrückten, kriechenden Geiſt des arbeitenden Volks
auf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |