Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Gegen die selbsterfundene Religion. nem Menschen. Sein väterliches Herz schlug immerjedem Menschen entgegen. Mit großer Herablassung wußte er das Volk an sich zu ziehen, und zu gewinnen. Alle seine Reden trugen das Siegel der Gottheit. Was er sprach, war von besonderem Nachdruck begleitet; seine Weisheit war nicht oben abgeschöpft, sie schwebte nicht in den Wolken, und wandelte unter den Gestirnen, sie verbarg sich auch nicht in dunkle Sprüche, die der ge- meine Mann nicht verstand; sie sollte auch nicht blos das Eigenthum von Wenigen seyn, sie drang ins mensch- liche Leben ein, sie griff das Herz an, erschien im leich- ten gefälligen Gewand, rührte die Saiten der Seele, die gerne beben, brachte Arzney für den Drang des Men- schenlebens mit, bestätigte Gottes Gnade feyerlich, über- spannte ihre Forderungen nicht, gab dem sinkenden Pil- ger Kräfte dazu, steckte ein glänzendes Ziel auf, kurz, sie ward die allgemeine Religion des Menschengeschlechts, die durch Engel- und Menschenweisheit nicht verbessert werden kann. Laßt uns dann mit heiliger Ehrfurcht, mit dem Herzen, das nicht mit Tücken umgeht, hinzu- treten, und die sicheren Leitungen der Religion, die uns angeboten werden, annehmen! Was würden wir dann gewinnen, wenn wir uns selbst einen Glauben dichten, der mit den Aussagen Jesu Christi nicht vereinigt wer- den kann? Jn jedem noch nicht ganz unverbesserlichen Menschen regt sich doch noch zuweilen das Seufzen nach einem bessern Zustand. Und den zeigt uns nun die Re- ligion Jesu Christi! Er konnte sagen: Der Vater hat mir alles übergeben! Wenn ich erhöht werde von der Erde will ich sie alle zu mir ziehen (Johann 12, 32.) Jeder Mensch soll an diesem Versprechen se- hen, G
Gegen die ſelbſterfundene Religion. nem Menſchen. Sein väterliches Herz ſchlug immerjedem Menſchen entgegen. Mit großer Herablaſſung wußte er das Volk an ſich zu ziehen, und zu gewinnen. Alle ſeine Reden trugen das Siegel der Gottheit. Was er ſprach, war von beſonderem Nachdruck begleitet; ſeine Weisheit war nicht oben abgeſchöpft, ſie ſchwebte nicht in den Wolken, und wandelte unter den Geſtirnen, ſie verbarg ſich auch nicht in dunkle Sprüche, die der ge- meine Mann nicht verſtand; ſie ſollte auch nicht blos das Eigenthum von Wenigen ſeyn, ſie drang ins menſch- liche Leben ein, ſie griff das Herz an, erſchien im leich- ten gefälligen Gewand, rührte die Saiten der Seele, die gerne beben, brachte Arzney für den Drang des Men- ſchenlebens mit, beſtätigte Gottes Gnade feyerlich, über- ſpannte ihre Forderungen nicht, gab dem ſinkenden Pil- ger Kräfte dazu, ſteckte ein glänzendes Ziel auf, kurz, ſie ward die allgemeine Religion des Menſchengeſchlechts, die durch Engel- und Menſchenweisheit nicht verbeſſert werden kann. Laßt uns dann mit heiliger Ehrfurcht, mit dem Herzen, das nicht mit Tücken umgeht, hinzu- treten, und die ſicheren Leitungen der Religion, die uns angeboten werden, annehmen! Was würden wir dann gewinnen, wenn wir uns ſelbſt einen Glauben dichten, der mit den Ausſagen Jeſu Chriſti nicht vereinigt wer- den kann? Jn jedem noch nicht ganz unverbeſſerlichen Menſchen regt ſich doch noch zuweilen das Seufzen nach einem beſſern Zuſtand. Und den zeigt uns nun die Re- ligion Jeſu Chriſti! Er konnte ſagen: Der Vater hat mir alles übergeben! Wenn ich erhöht werde von der Erde will ich ſie alle zu mir ziehen (Johann 12, 32.) Jeder Menſch ſoll an dieſem Verſprechen ſe- hen, G
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Gegen die ſelbſterfundene Religion.
nem Menſchen. Sein väterliches Herz ſchlug immer
jedem Menſchen entgegen. Mit großer Herablaſſung
wußte er das Volk an ſich zu ziehen, und zu gewinnen.
Alle ſeine Reden trugen das Siegel der Gottheit. Was
er ſprach, war von beſonderem Nachdruck begleitet; ſeine
Weisheit war nicht oben abgeſchöpft, ſie ſchwebte nicht
in den Wolken, und wandelte unter den Geſtirnen, ſie
verbarg ſich auch nicht in dunkle Sprüche, die der ge-
meine Mann nicht verſtand; ſie ſollte auch nicht blos
das Eigenthum von Wenigen ſeyn, ſie drang ins menſch-
liche Leben ein, ſie griff das Herz an, erſchien im leich-
ten gefälligen Gewand, rührte die Saiten der Seele,
die gerne beben, brachte Arzney für den Drang des Men-
ſchenlebens mit, beſtätigte Gottes Gnade feyerlich, über-
ſpannte ihre Forderungen nicht, gab dem ſinkenden Pil-
ger Kräfte dazu, ſteckte ein glänzendes Ziel auf, kurz,
ſie ward die allgemeine Religion des Menſchengeſchlechts,
die durch Engel- und Menſchenweisheit nicht verbeſſert
werden kann. Laßt uns dann mit heiliger Ehrfurcht,
mit dem Herzen, das nicht mit Tücken umgeht, hinzu-
treten, und die ſicheren Leitungen der Religion, die uns
angeboten werden, annehmen! Was würden wir dann
gewinnen, wenn wir uns ſelbſt einen Glauben dichten,
der mit den Ausſagen Jeſu Chriſti nicht vereinigt wer-
den kann? Jn jedem noch nicht ganz unverbeſſerlichen
Menſchen regt ſich doch noch zuweilen das Seufzen nach
einem beſſern Zuſtand. Und den zeigt uns nun die Re-
ligion Jeſu Chriſti! Er konnte ſagen: Der Vater hat
mir alles übergeben! Wenn ich erhöht werde von
der Erde will ich ſie alle zu mir ziehen (Johann
12, 32.) Jeder Menſch ſoll an dieſem Verſprechen ſe-
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