sterium versammelt sich etliche Tage in der Woche in des Seniors Hause, und deliberirt über die Angelegen- heiten. Die Kandidaten predigen des Morgens frühe. Die Dorfprediger erscheinen in einer langen, traurigen, schwarzen Kutte und Kragen. Das Gymnasiums- Gebäube hat nichts Wichtiges. Die Handlungsaka- demie hat weitläuftige Gebäude, Spaziergänge, Gär- ten und gute Anstalten.
Leichen sind meist Nachts. Die Stadt hat Leichen- wagen darzu, die Himmelwagen heissen -- gleich als wenn alle Hamburger in Himmel kämen. -- Die Kin- der werden meist im Hause getauft, der Taufstein steht in der Kirche auch in einer unzudringlichen eisernen Einfas- fung. Die Katechisationen geschehen alle in der Woche, und nur mit Kindern. Oeffentliche Konfirmationen hat man nicht. Der Gesang geht langsam, man singt auch 2, 3. Lieder allemahl. Die Prediger singen und machen das Kreuz auf der Kanzel.
Im Gottesdienste ist überhaupt für einen Frem- den hier viel Sonderbares. In den Nebenkirchen ist Sonntags weiter nichts, als um 7. Uhr eine Predigt. In den Hauptkirchen ist an jedem Sonntage die Früh- predigt, die Hauptpredigt, die Zwölfepredigt, (für die Domestiken) und die Nachmittagspredigt. Der Haupt- pastor thut ausser der Sonntagspredigt nichts. Die 3. andern, die Kapellane heissen, müssen taufen, Kom- munion halten, Beichte sitzen *). Der Oberküster muß
studirt
*) Die Prediger stehen zum Theil sehr gut, 3-4000. Thaler haben einige. Sie haben viel Ansehen, und mischen sich öffentlich in Staatssachen. Ihre Söh- ne haben meist Stipendien, Götzens seiner hat 2-3.
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ſterium verſammelt ſich etliche Tage in der Woche in des Seniors Hauſe, und deliberirt uͤber die Angelegen- heiten. Die Kandidaten predigen des Morgens fruͤhe. Die Dorfprediger erſcheinen in einer langen, traurigen, ſchwarzen Kutte und Kragen. Das Gymnaſiums- Gebaͤube hat nichts Wichtiges. Die Handlungsaka- demie hat weitlaͤuftige Gebaͤude, Spaziergaͤnge, Gaͤr- ten und gute Anſtalten.
Leichen ſind meiſt Nachts. Die Stadt hat Leichen- wagen darzu, die Himmelwagen heiſſen — gleich als wenn alle Hamburger in Himmel kaͤmen. — Die Kin- der werden meiſt im Hauſe getauft, der Taufſtein ſteht in der Kirche auch in einer unzudringlichen eiſernen Einfaſ- fung. Die Katechiſationen geſchehen alle in der Woche, und nur mit Kindern. Oeffentliche Konfirmationen hat man nicht. Der Geſang geht langſam, man ſingt auch 2, 3. Lieder allemahl. Die Prediger ſingen und machen das Kreuz auf der Kanzel.
Im Gottesdienſte iſt uͤberhaupt fuͤr einen Frem- den hier viel Sonderbares. In den Nebenkirchen iſt Sonntags weiter nichts, als um 7. Uhr eine Predigt. In den Hauptkirchen iſt an jedem Sonntage die Fruͤh- predigt, die Hauptpredigt, die Zwoͤlfepredigt, (fuͤr die Domeſtiken) und die Nachmittagspredigt. Der Haupt- paſtor thut auſſer der Sonntagspredigt nichts. Die 3. andern, die Kapellane heiſſen, muͤſſen taufen, Kom- munion halten, Beichte ſitzen *). Der Oberkuͤſter muß
ſtudirt
*) Die Prediger ſtehen zum Theil ſehr gut, 3-4000. Thaler haben einige. Sie haben viel Anſehen, und miſchen ſich oͤffentlich in Staatsſachen. Ihre Soͤh- ne haben meiſt Stipendien, Goͤtzens ſeiner hat 2-3.
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ſterium verſammelt ſich etliche Tage in der Woche in
des Seniors Hauſe, und deliberirt uͤber die Angelegen-
heiten. Die Kandidaten predigen des Morgens fruͤhe.
Die Dorfprediger erſcheinen in einer langen, traurigen,
ſchwarzen Kutte und Kragen. Das Gymnaſiums-
Gebaͤube hat nichts Wichtiges. Die Handlungsaka-
demie hat weitlaͤuftige Gebaͤude, Spaziergaͤnge, Gaͤr-
ten und gute Anſtalten.
Leichen ſind meiſt Nachts. Die Stadt hat Leichen-
wagen darzu, die Himmelwagen heiſſen — gleich als
wenn alle Hamburger in Himmel kaͤmen. — Die Kin-
der werden meiſt im Hauſe getauft, der Taufſtein ſteht in
der Kirche auch in einer unzudringlichen eiſernen Einfaſ-
fung. Die Katechiſationen geſchehen alle in der Woche,
und nur mit Kindern. Oeffentliche Konfirmationen
hat man nicht. Der Geſang geht langſam, man ſingt
auch 2, 3. Lieder allemahl. Die Prediger ſingen und
machen das Kreuz auf der Kanzel.
Im Gottesdienſte iſt uͤberhaupt fuͤr einen Frem-
den hier viel Sonderbares. In den Nebenkirchen iſt
Sonntags weiter nichts, als um 7. Uhr eine Predigt.
In den Hauptkirchen iſt an jedem Sonntage die Fruͤh-
predigt, die Hauptpredigt, die Zwoͤlfepredigt, (fuͤr die
Domeſtiken) und die Nachmittagspredigt. Der Haupt-
paſtor thut auſſer der Sonntagspredigt nichts. Die 3.
andern, die Kapellane heiſſen, muͤſſen taufen, Kom-
munion halten, Beichte ſitzen *). Der Oberkuͤſter muß
ſtudirt
*) Die Prediger ſtehen zum Theil ſehr gut, 3-4000.
Thaler haben einige. Sie haben viel Anſehen, und
miſchen ſich oͤffentlich in Staatsſachen. Ihre Soͤh-
ne haben meiſt Stipendien, Goͤtzens ſeiner hat 2-3.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/701>, abgerufen am 24.11.2024.
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