darneben ist ein Krahn und eine Stadtwaage. Von 12. bis 2. Uhr kommen hier alle Kaufleute zusammen. Man kan wohl 1200. Personen rechnen, Juden, Christen, Quäcker etc. alle Nationen sieht man da. Oben ist ein Börsensaal, und unten ein offener, freier, mit Säu- len eingefaßter bedeckter Platz, der heißt die innere Börse. Der Platz aussen herum heißt die äussere Börse, und wird auch ganz besetzt. Die Juden dür- fen nicht in die innere Börse. An den Säulen werden die Zeddel angeschlagen, wenn ein Schiff oder eine Waa- re angekommen ist, die niemand abholen will, oder et- was verauktionirt werden soll, oder ein fremder Kauf- mann, oder Schiffskapitain gearrivirt ist. Die mei- sten Kaufleute haben einen gewissen Platz, wo sie zuerst hingehen, da sucht sie jeder auf, der sie sprechen will, die Kornhändler, die Engelländer und Mäckler etc. ha- ben auch ihre gewissen Plätze. Es ist ein angenehmes Getümmel von Leuten, man hört ein verwirrtes Gesum- se, man sieht wunderbare Editionen von Kleidermoden, Peruquen, Hüten etc. -- man sieht allerlei Karaktere im Gesicht, der eine ist verdrießlich, der andere munter, der hat Bankozeddel, der hat einen Brief, der rechnet in der Schreibtafel, der invitirt den andern, der hat eine Waarenprobe, dort begegnen sich 2. unversehens, küssen sich etc.
Auf dem Rathhause ist die Bank -- davon wis- sen die Kaufleute hier sehr vernünftig zu sprechen. Sie be- haupten, nur in Republiken sei eine Bank *) möglich.
Sie
*) Sie bringt der Stadt grossen Vortheil. Mäkler dür- fen nicht Theil daran haben.
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darneben iſt ein Krahn und eine Stadtwaage. Von 12. bis 2. Uhr kommen hier alle Kaufleute zuſammen. Man kan wohl 1200. Perſonen rechnen, Juden, Chriſten, Quaͤcker ꝛc. alle Nationen ſieht man da. Oben iſt ein Boͤrſenſaal, und unten ein offener, freier, mit Saͤu- len eingefaßter bedeckter Platz, der heißt die innere Boͤrſe. Der Platz auſſen herum heißt die aͤuſſere Boͤrſe, und wird auch ganz beſetzt. Die Juden duͤr- fen nicht in die innere Boͤrſe. An den Saͤulen werden die Zeddel angeſchlagen, wenn ein Schiff oder eine Waa- re angekommen iſt, die niemand abholen will, oder et- was verauktionirt werden ſoll, oder ein fremder Kauf- mann, oder Schiffskapitain gearrivirt iſt. Die mei- ſten Kaufleute haben einen gewiſſen Platz, wo ſie zuerſt hingehen, da ſucht ſie jeder auf, der ſie ſprechen will, die Kornhaͤndler, die Engellaͤnder und Maͤckler ꝛc. ha- ben auch ihre gewiſſen Plaͤtze. Es iſt ein angenehmes Getuͤmmel von Leuten, man hoͤrt ein verwirrtes Geſum- ſe, man ſieht wunderbare Editionen von Kleidermoden, Peruquen, Huͤten ꝛc. — man ſieht allerlei Karaktere im Geſicht, der eine iſt verdrießlich, der andere munter, der hat Bankozeddel, der hat einen Brief, der rechnet in der Schreibtafel, der invitirt den andern, der hat eine Waarenprobe, dort begegnen ſich 2. unverſehens, kuͤſſen ſich ꝛc.
Auf dem Rathhauſe iſt die Bank — davon wiſ- ſen die Kaufleute hier ſehr vernuͤnftig zu ſprechen. Sie be- haupten, nur in Republiken ſei eine Bank *) moͤglich.
Sie
*) Sie bringt der Stadt groſſen Vortheil. Maͤkler duͤr- fen nicht Theil daran haben.
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darneben iſt ein Krahn und eine Stadtwaage. Von 12.
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Quaͤcker ꝛc. alle Nationen ſieht man da. Oben iſt ein
Boͤrſenſaal, und unten ein offener, freier, mit Saͤu-
len eingefaßter bedeckter Platz, der heißt die innere
Boͤrſe. Der Platz auſſen herum heißt die aͤuſſere
Boͤrſe, und wird auch ganz beſetzt. Die Juden duͤr-
fen nicht in die innere Boͤrſe. An den Saͤulen werden
die Zeddel angeſchlagen, wenn ein Schiff oder eine Waa-
re angekommen iſt, die niemand abholen will, oder et-
was verauktionirt werden ſoll, oder ein fremder Kauf-
mann, oder Schiffskapitain gearrivirt iſt. Die mei-
ſten Kaufleute haben einen gewiſſen Platz, wo ſie zuerſt
hingehen, da ſucht ſie jeder auf, der ſie ſprechen will,
die Kornhaͤndler, die Engellaͤnder und Maͤckler ꝛc. ha-
ben auch ihre gewiſſen Plaͤtze. Es iſt ein angenehmes
Getuͤmmel von Leuten, man hoͤrt ein verwirrtes Geſum-
ſe, man ſieht wunderbare Editionen von Kleidermoden,
Peruquen, Huͤten ꝛc. — man ſieht allerlei Karaktere im
Geſicht, der eine iſt verdrießlich, der andere munter,
der hat Bankozeddel, der hat einen Brief, der rechnet
in der Schreibtafel, der invitirt den andern, der hat
eine Waarenprobe, dort begegnen ſich 2. unverſehens,
kuͤſſen ſich ꝛc.
Auf dem Rathhauſe iſt die Bank — davon wiſ-
ſen die Kaufleute hier ſehr vernuͤnftig zu ſprechen. Sie be-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/697>, abgerufen am 24.11.2024.
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