ser, auch wohl an die Ställe. Fadenweise werden sie auch verkauft; die untersten Blätter der Tobakspflanze taugen aber wenig. Die Bauern tragen häufig weisse, blaue etc. leinene Kittel, wie Oberhemden. Ihre Häu- ser sind meist von Leimen, und haben vom Boden auf Riegelwände, ohne alle steinerne Einfassung. Doch sieht man meistens Ziegeldächer. Die Ziegel sind aber alle schmal, und lauter Hohlziegel. Die Leute halten keine Mistgruben, sie häufen auch den Dünger nicht so auf Haufen wie die Reichsländer, er liegt im ganzen Hofe zerstreut. Gänse sind hier häufiger als Hühner. Auch ist beinahe auf jedem mittelmässigen Bauerhose ein Hund. Nützliche Bäume stehen keine an der Strasse. Man fährt aber über viele Felder mit Kartoffeln, Flachs, Korn, Bohnen etc. Sonst ist auch das Obst ein beträchtliches Stück der Nahrung, aber Wein läßt sich nicht pflan- zen. Die Leute sprechen hier schon ziemlich plattdeutsch, und verstehen den Hochdeutschen nicht alle, der über sie lacht, und auch nicht verstanden wird. Die gemeinen Leute scheinen sich hier besser zu stehen, als in Hessen. Man sieht nicht überall Spuren der Armuth. Sie tragen die Kinder in einem um den Leib gewickelten Tu- che. Man spannt hier Ochsen, auch wohl in Landern, hängt ihnen ein Kummt über, und paart sie auch wohl am Wagen mit einem Pferde.
Die Regierung des Landes ist milde, gnädig, und überaus wohlthätig. Das Oberappellationsgericht in Celle ist vortreslich eingerichtet. Man appellirt an das- selbe sogar gegen den König, und in zweifelhaften Fäl- len spricht es allemahl gegen den König.
Die Kochart des Landes ist von der Schwäbischen und Rheinländischen ganz verschieden, und bei weitem
nicht
ſer, auch wohl an die Staͤlle. Fadenweiſe werden ſie auch verkauft; die unterſten Blaͤtter der Tobakspflanze taugen aber wenig. Die Bauern tragen haͤufig weiſſe, blaue ꝛc. leinene Kittel, wie Oberhemden. Ihre Haͤu- ſer ſind meiſt von Leimen, und haben vom Boden auf Riegelwaͤnde, ohne alle ſteinerne Einfaſſung. Doch ſieht man meiſtens Ziegeldaͤcher. Die Ziegel ſind aber alle ſchmal, und lauter Hohlziegel. Die Leute halten keine Miſtgruben, ſie haͤufen auch den Duͤnger nicht ſo auf Haufen wie die Reichslaͤnder, er liegt im ganzen Hofe zerſtreut. Gaͤnſe ſind hier haͤufiger als Huͤhner. Auch iſt beinahe auf jedem mittelmaͤſſigen Bauerhoſe ein Hund. Nuͤtzliche Baͤume ſtehen keine an der Straſſe. Man faͤhrt aber uͤber viele Felder mit Kartoffeln, Flachs, Korn, Bohnen ꝛc. Sonſt iſt auch das Obſt ein betraͤchtliches Stuͤck der Nahrung, aber Wein laͤßt ſich nicht pflan- zen. Die Leute ſprechen hier ſchon ziemlich plattdeutſch, und verſtehen den Hochdeutſchen nicht alle, der uͤber ſie lacht, und auch nicht verſtanden wird. Die gemeinen Leute ſcheinen ſich hier beſſer zu ſtehen, als in Heſſen. Man ſieht nicht uͤberall Spuren der Armuth. Sie tragen die Kinder in einem um den Leib gewickelten Tu- che. Man ſpannt hier Ochſen, auch wohl in Landern, haͤngt ihnen ein Kummt uͤber, und paart ſie auch wohl am Wagen mit einem Pferde.
Die Regierung des Landes iſt milde, gnaͤdig, und uͤberaus wohlthaͤtig. Das Oberappellationsgericht in Celle iſt vortreſlich eingerichtet. Man appellirt an daſ- ſelbe ſogar gegen den Koͤnig, und in zweifelhaften Faͤl- len ſpricht es allemahl gegen den Koͤnig.
Die Kochart des Landes iſt von der Schwaͤbiſchen und Rheinlaͤndiſchen ganz verſchieden, und bei weitem
nicht
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ſer, auch wohl an die Staͤlle. Fadenweiſe werden ſie
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taugen aber wenig. Die Bauern tragen haͤufig weiſſe,
blaue ꝛc. leinene Kittel, wie Oberhemden. Ihre Haͤu-
ſer ſind meiſt von Leimen, und haben vom Boden auf
Riegelwaͤnde, ohne alle ſteinerne Einfaſſung. Doch ſieht
man meiſtens Ziegeldaͤcher. Die Ziegel ſind aber alle
ſchmal, und lauter Hohlziegel. Die Leute halten keine
Miſtgruben, ſie haͤufen auch den Duͤnger nicht ſo auf
Haufen wie die Reichslaͤnder, er liegt im ganzen Hofe
zerſtreut. Gaͤnſe ſind hier haͤufiger als Huͤhner. Auch
iſt beinahe auf jedem mittelmaͤſſigen Bauerhoſe ein Hund.
Nuͤtzliche Baͤume ſtehen keine an der Straſſe. Man
faͤhrt aber uͤber viele Felder mit Kartoffeln, Flachs, Korn,
Bohnen ꝛc. Sonſt iſt auch das Obſt ein betraͤchtliches
Stuͤck der Nahrung, aber Wein laͤßt ſich nicht pflan-
zen. Die Leute ſprechen hier ſchon ziemlich plattdeutſch,
und verſtehen den Hochdeutſchen nicht alle, der uͤber ſie
lacht, und auch nicht verſtanden wird. Die gemeinen
Leute ſcheinen ſich hier beſſer zu ſtehen, als in Heſſen.
Man ſieht nicht uͤberall Spuren der Armuth. Sie
tragen die Kinder in einem um den Leib gewickelten Tu-
che. Man ſpannt hier Ochſen, auch wohl in Landern,
haͤngt ihnen ein Kummt uͤber, und paart ſie auch wohl
am Wagen mit einem Pferde.
Die Regierung des Landes iſt milde, gnaͤdig, und
uͤberaus wohlthaͤtig. Das Oberappellationsgericht in
Celle iſt vortreſlich eingerichtet. Man appellirt an daſ-
ſelbe ſogar gegen den Koͤnig, und in zweifelhaften Faͤl-
len ſpricht es allemahl gegen den Koͤnig.
Die Kochart des Landes iſt von der Schwaͤbiſchen
und Rheinlaͤndiſchen ganz verſchieden, und bei weitem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/682>, abgerufen am 26.11.2024.
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