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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Auch in Privathäusern haben alle Zimmer steinerne
Fußböden von einer rothen Breccia. Im Winter le-
gen sie Matten darauf.

Man rechnet hier 300,000. Einwohner, 5000.
Gondeln und 400. Kaffeehäuser *).

Der Luxus ist hier so gros, daß nach dem Aus-
spruch einiger Venetianer selber nichts mehr helfen kan,
als Pest oder Krieg. Die Obrigkeit kan dem Strome
nicht mehr Einhalt thun. Die größten und reichsten
Häuser stecken in schrecklichen Schulden, und die Armuth
ist auch hier sehr gros. Die Strassenbettelei ist daher
hier ganz unausstehlich.

Die Protestanten haben hier auch ihren Versamm-
lungsort,
aber in der Stille **). Ein Gewisser, der sich

Hofrath
*) Auf den Kaffeehäusern findet man weder inländi-
sche noch auswärtige Zeitungen. Die Venetianer
kommen nur zusammen, um zu plaudern, si@ sind gar
nicht wißbegierig, und bekümmern sich nicht um das,
was sonst in der Welt vorgeht, Sonetti, Romanzi
und Musik -- das ist ihre ewige Beschäftigung.
**) Zu ihrem Gottesdienste haben sie hier keine Erlaubnis
vom Staat, sondern halten ihn nur connivendo.
Daher setzten auch die Vorfahren die Stunde darzu
sehr spät an, nämlich fast um Mittag, wenn das
Volk vom Markusplatze zum Essen wegläuft, wo ein
groß Getümmel auf der Strasse ist, so daß der Pöbel
nicht Acht gibt, was da für Leute auf, und abgehen.
Es darf auch kein fremder Protestant noch fremder
Deutscher darzu kommen, ich durfte auch nicht hin-
ein, sondern nur was von der Nation ist, d. h. in
der Stadt ansässige Deutsche. Der Prinz von Wür-
temberg,
als er hier war, wollte hinein, die Zeit war
zu
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Auch in Privathaͤuſern haben alle Zimmer ſteinerne
Fußboͤden von einer rothen Breccia. Im Winter le-
gen ſie Matten darauf.

Man rechnet hier 300,000. Einwohner, 5000.
Gondeln und 400. Kaffeehaͤuſer *).

Der Luxus iſt hier ſo gros, daß nach dem Aus-
ſpruch einiger Venetianer ſelber nichts mehr helfen kan,
als Peſt oder Krieg. Die Obrigkeit kan dem Strome
nicht mehr Einhalt thun. Die groͤßten und reichſten
Haͤuſer ſtecken in ſchrecklichen Schulden, und die Armuth
iſt auch hier ſehr gros. Die Straſſenbettelei iſt daher
hier ganz unausſtehlich.

Die Proteſtanten haben hier auch ihren Verſamm-
lungsort,
aber in der Stille **). Ein Gewiſſer, der ſich

Hofrath
*) Auf den Kaffeehaͤuſern findet man weder inlaͤndi-
ſche noch auswaͤrtige Zeitungen. Die Venetianer
kommen nur zuſammen, um zu plaudern, ſiə ſind gar
nicht wißbegierig, und bekuͤmmern ſich nicht um das,
was ſonſt in der Welt vorgeht, Sonetti, Romanzi
und Muſik — das iſt ihre ewige Beſchaͤftigung.
**) Zu ihrem Gottesdienſte haben ſie hier keine Erlaubnis
vom Staat, ſondern halten ihn nur connivendo.
Daher ſetzten auch die Vorfahren die Stunde darzu
ſehr ſpaͤt an, naͤmlich faſt um Mittag, wenn das
Volk vom Markusplatze zum Eſſen weglaͤuft, wo ein
groß Getuͤmmel auf der Straſſe iſt, ſo daß der Poͤbel
nicht Acht gibt, was da fuͤr Leute auf, und abgehen.
Es darf auch kein fremder Proteſtant noch fremder
Deutſcher darzu kommen, ich durfte auch nicht hin-
ein, ſondern nur was von der Nation iſt, d. h. in
der Stadt anſaͤſſige Deutſche. Der Prinz von Wuͤr-
temberg,
als er hier war, wollte hinein, die Zeit war
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[627/0665] Auch in Privathaͤuſern haben alle Zimmer ſteinerne Fußboͤden von einer rothen Breccia. Im Winter le- gen ſie Matten darauf. Man rechnet hier 300,000. Einwohner, 5000. Gondeln und 400. Kaffeehaͤuſer *). Der Luxus iſt hier ſo gros, daß nach dem Aus- ſpruch einiger Venetianer ſelber nichts mehr helfen kan, als Peſt oder Krieg. Die Obrigkeit kan dem Strome nicht mehr Einhalt thun. Die groͤßten und reichſten Haͤuſer ſtecken in ſchrecklichen Schulden, und die Armuth iſt auch hier ſehr gros. Die Straſſenbettelei iſt daher hier ganz unausſtehlich. Die Proteſtanten haben hier auch ihren Verſamm- lungsort, aber in der Stille **). Ein Gewiſſer, der ſich Hofrath *) Auf den Kaffeehaͤuſern findet man weder inlaͤndi- ſche noch auswaͤrtige Zeitungen. Die Venetianer kommen nur zuſammen, um zu plaudern, ſiə ſind gar nicht wißbegierig, und bekuͤmmern ſich nicht um das, was ſonſt in der Welt vorgeht, Sonetti, Romanzi und Muſik — das iſt ihre ewige Beſchaͤftigung. **) Zu ihrem Gottesdienſte haben ſie hier keine Erlaubnis vom Staat, ſondern halten ihn nur connivendo. Daher ſetzten auch die Vorfahren die Stunde darzu ſehr ſpaͤt an, naͤmlich faſt um Mittag, wenn das Volk vom Markusplatze zum Eſſen weglaͤuft, wo ein groß Getuͤmmel auf der Straſſe iſt, ſo daß der Poͤbel nicht Acht gibt, was da fuͤr Leute auf, und abgehen. Es darf auch kein fremder Proteſtant noch fremder Deutſcher darzu kommen, ich durfte auch nicht hin- ein, ſondern nur was von der Nation iſt, d. h. in der Stadt anſaͤſſige Deutſche. Der Prinz von Wuͤr- temberg, als er hier war, wollte hinein, die Zeit war zu R r 2

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/665>, abgerufen am 27.11.2024.