Venedig wird des Nachts mit Lampen erleuchtet, aber es sind deren viel zu wenig, hin und wieder hängt eine. In den engen Gäßchen ist es stockfinster.
Das Volk hat Nachts alle Freiheit. Man hört singende Gesellschaften, die abscheulich bölken, und so in der Stadt herumlaufen. Es sind Gondoliers, Packer, Lastträger etc. Ueberall hört man Musik, alle mögliche Instrumente. Es sollte morgen in einer Kirche, nicht weit von mir, Kirchweihe seyn, da fingen sie schon Abends um 9. Uhr an, bauten auf der Strasse für die Musikan- ten Gerüste, schlugen Zelter an der Kirche auf, erschreck- licher Zulauf vom Pöbel war da.
Schlechtes Brod hat man hier, so gar unschmack- haft wäre es nicht, aber es fehlt am Backen und man knetet es in einander wie verdrehte Kegel. Man lies mir endlich welches vom französischen Becker holen.
Den 1ten Jun.
Das Erste, was ich heute besah, war die St. Markusbibliothek.Sgr. Foscati kam sehr früh, und hohlte mich dahin ab. Man geht zuerst durch ein kleines Vestibulo, das mit antiken Statüen und Kö- pfen angefüllt ist. Dann steht die Bibliothek in einem einzigen langen Saal, und im Kabinet darneben werden die Handschriften aufgehoben. Der Bibliothekar, P. Morelli, sprach etwas französisch, schätzte seine Bücher auf 20,000. Stück, das dünkte mir aber zu viel zu seyn. Für die Wissenschaften ist es keine Bibliothek, sondern blos für die Griechische Litteratur, und für Sprachgelehr- samkeit, die an Sylben und Worten hängt. Daher
findet
Bemerkungen.
Venedig wird des Nachts mit Lampen erleuchtet, aber es ſind deren viel zu wenig, hin und wieder haͤngt eine. In den engen Gaͤßchen iſt es ſtockfinſter.
Das Volk hat Nachts alle Freiheit. Man hoͤrt ſingende Geſellſchaften, die abſcheulich boͤlken, und ſo in der Stadt herumlaufen. Es ſind Gondoliers, Packer, Laſttraͤger ꝛc. Ueberall hoͤrt man Muſik, alle moͤgliche Inſtrumente. Es ſollte morgen in einer Kirche, nicht weit von mir, Kirchweihe ſeyn, da fingen ſie ſchon Abends um 9. Uhr an, bauten auf der Straſſe fuͤr die Muſikan- ten Geruͤſte, ſchlugen Zelter an der Kirche auf, erſchreck- licher Zulauf vom Poͤbel war da.
Schlechtes Brod hat man hier, ſo gar unſchmack- haft waͤre es nicht, aber es fehlt am Backen und man knetet es in einander wie verdrehte Kegel. Man lies mir endlich welches vom franzoͤſiſchen Becker holen.
Den 1ten Jun.
Das Erſte, was ich heute beſah, war die St. Markusbibliothek.Sgr. Foſcati kam ſehr fruͤh, und hohlte mich dahin ab. Man geht zuerſt durch ein kleines Veſtibulo, das mit antiken Statuͤen und Koͤ- pfen angefuͤllt iſt. Dann ſteht die Bibliothek in einem einzigen langen Saal, und im Kabinet darneben werden die Handſchriften aufgehoben. Der Bibliothekar, P. Morelli, ſprach etwas franzoͤſiſch, ſchaͤtzte ſeine Buͤcher auf 20,000. Stuͤck, das duͤnkte mir aber zu viel zu ſeyn. Fuͤr die Wiſſenſchaften iſt es keine Bibliothek, ſondern blos fuͤr die Griechiſche Litteratur, und fuͤr Sprachgelehr- ſamkeit, die an Sylben und Worten haͤngt. Daher
findet
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Bemerkungen.
Venedig wird des Nachts mit Lampen erleuchtet,
aber es ſind deren viel zu wenig, hin und wieder haͤngt
eine. In den engen Gaͤßchen iſt es ſtockfinſter.
Das Volk hat Nachts alle Freiheit. Man hoͤrt
ſingende Geſellſchaften, die abſcheulich boͤlken, und ſo in
der Stadt herumlaufen. Es ſind Gondoliers, Packer,
Laſttraͤger ꝛc. Ueberall hoͤrt man Muſik, alle moͤgliche
Inſtrumente. Es ſollte morgen in einer Kirche, nicht
weit von mir, Kirchweihe ſeyn, da fingen ſie ſchon Abends
um 9. Uhr an, bauten auf der Straſſe fuͤr die Muſikan-
ten Geruͤſte, ſchlugen Zelter an der Kirche auf, erſchreck-
licher Zulauf vom Poͤbel war da.
Schlechtes Brod hat man hier, ſo gar unſchmack-
haft waͤre es nicht, aber es fehlt am Backen und man
knetet es in einander wie verdrehte Kegel. Man lies
mir endlich welches vom franzoͤſiſchen Becker holen.
Den 1ten Jun.
Das Erſte, was ich heute beſah, war die St.
Markusbibliothek. Sgr. Foſcati kam ſehr fruͤh,
und hohlte mich dahin ab. Man geht zuerſt durch ein
kleines Veſtibulo, das mit antiken Statuͤen und Koͤ-
pfen angefuͤllt iſt. Dann ſteht die Bibliothek in einem
einzigen langen Saal, und im Kabinet darneben werden
die Handſchriften aufgehoben. Der Bibliothekar, P.
Morelli, ſprach etwas franzoͤſiſch, ſchaͤtzte ſeine Buͤcher
auf 20,000. Stuͤck, das duͤnkte mir aber zu viel zu ſeyn.
Fuͤr die Wiſſenſchaften iſt es keine Bibliothek, ſondern
blos fuͤr die Griechiſche Litteratur, und fuͤr Sprachgelehr-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/660>, abgerufen am 28.11.2024.
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