Bei dieser feierlichen Handlung suchte mich der Ku- pferstecher Hr. Löschenkohl auf, und ich mußte mit ihm nach Hause gehen, damit er mich zeichnen konnte. Ein junger Künstler voll Erfindungskraft und Genie, der schon sehr viel gestochen, und noch mehr gezeichnet hat, aber übrigens ein Bonvivant, wie alle Künstler, ist. Ich sah bei ihm folgende Zeichnung: Ein Greis sitzt im Augarten und weint, mit der Inschrift: "Ach, bald "werd' ich die Blüten und das Grüne nicht mehr sehen! "Guter Gott! verzeih es mir, wenn ich weine, dann "Joseph macht die Welt erst schön". Dieses Stück machte, daß der Kaiser selber gut von dem Künstler sprach. Aus meinem Buche: von der G. und W. Gottes hat er die Stelle in der Einleitung vom Regen- wurm, abgebildet. Ein Jüngling hält einen Wurm in der Hand, und stützt sich auf einen Stein, in welchem meine Stelle eingegraben ist. Er nahm erst meine Silhouette in einer dunkeln Kammer mit Licht, hatte das Papier auf einen Rahmen aufgenagelt, der so aus- geschnitten ist, daß er dem, dessen Silhouette man haben will, auf der Schulter aufsitzt. Nachher mußte ich neben ihm sitzen, damit er das Gesicht vollends zeichnen konnte. Der Grosfürst und die ganze Würtembergische Familie, als sie hier war, sind ihm gesessen *).
Abends sah ich noch eins von den herrlichen Feuer- werken, die man nur in Wien sehen kan. Der Ita- liäner Mellina gab es, es ward durch Schüsse von Vier- telstunde zu Viertelstunde angekündigt, hatte 6. verschie- dene Fronten, viel buntes Feuer, und verrieth viel Er-
findungs-
*) Auch der Pabst. Herausgeber.
Bei dieſer feierlichen Handlung ſuchte mich der Ku- pferſtecher Hr. Loͤſchenkohl auf, und ich mußte mit ihm nach Hauſe gehen, damit er mich zeichnen konnte. Ein junger Kuͤnſtler voll Erfindungskraft und Genie, der ſchon ſehr viel geſtochen, und noch mehr gezeichnet hat, aber uͤbrigens ein Bonvivant, wie alle Kuͤnſtler, iſt. Ich ſah bei ihm folgende Zeichnung: Ein Greis ſitzt im Augarten und weint, mit der Inſchrift: „Ach, bald „werd’ ich die Bluͤten und das Gruͤne nicht mehr ſehen! „Guter Gott! verzeih es mir, wenn ich weine, dann „Joſeph macht die Welt erſt ſchoͤn“. Dieſes Stuͤck machte, daß der Kaiſer ſelber gut von dem Kuͤnſtler ſprach. Aus meinem Buche: von der G. und W. Gottes hat er die Stelle in der Einleitung vom Regen- wurm, abgebildet. Ein Juͤngling haͤlt einen Wurm in der Hand, und ſtuͤtzt ſich auf einen Stein, in welchem meine Stelle eingegraben iſt. Er nahm erſt meine Silhouette in einer dunkeln Kammer mit Licht, hatte das Papier auf einen Rahmen aufgenagelt, der ſo aus- geſchnitten iſt, daß er dem, deſſen Silhouette man haben will, auf der Schulter aufſitzt. Nachher mußte ich neben ihm ſitzen, damit er das Geſicht vollends zeichnen konnte. Der Grosfuͤrſt und die ganze Wuͤrtembergiſche Familie, als ſie hier war, ſind ihm geſeſſen *).
Abends ſah ich noch eins von den herrlichen Feuer- werken, die man nur in Wien ſehen kan. Der Ita- liaͤner Mellina gab es, es ward durch Schuͤſſe von Vier- telſtunde zu Viertelſtunde angekuͤndigt, hatte 6. verſchie- dene Fronten, viel buntes Feuer, und verrieth viel Er-
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*) Auch der Pabſt. Herausgeber.
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Bei dieſer feierlichen Handlung ſuchte mich der Ku-
pferſtecher Hr. Loͤſchenkohl auf, und ich mußte mit ihm
nach Hauſe gehen, damit er mich zeichnen konnte. Ein
junger Kuͤnſtler voll Erfindungskraft und Genie, der
ſchon ſehr viel geſtochen, und noch mehr gezeichnet hat,
aber uͤbrigens ein Bonvivant, wie alle Kuͤnſtler, iſt.
Ich ſah bei ihm folgende Zeichnung: Ein Greis ſitzt
im Augarten und weint, mit der Inſchrift: „Ach, bald
„werd’ ich die Bluͤten und das Gruͤne nicht mehr ſehen!
„Guter Gott! verzeih es mir, wenn ich weine, dann
„Joſeph macht die Welt erſt ſchoͤn“. Dieſes Stuͤck
machte, daß der Kaiſer ſelber gut von dem Kuͤnſtler
ſprach. Aus meinem Buche: von der G. und W.
Gottes hat er die Stelle in der Einleitung vom Regen-
wurm, abgebildet. Ein Juͤngling haͤlt einen Wurm
in der Hand, und ſtuͤtzt ſich auf einen Stein, in welchem
meine Stelle eingegraben iſt. Er nahm erſt meine
Silhouette in einer dunkeln Kammer mit Licht, hatte
das Papier auf einen Rahmen aufgenagelt, der ſo aus-
geſchnitten iſt, daß er dem, deſſen Silhouette man haben
will, auf der Schulter aufſitzt. Nachher mußte ich neben
ihm ſitzen, damit er das Geſicht vollends zeichnen konnte.
Der Grosfuͤrſt und die ganze Wuͤrtembergiſche Familie,
als ſie hier war, ſind ihm geſeſſen *).
Abends ſah ich noch eins von den herrlichen Feuer-
werken, die man nur in Wien ſehen kan. Der Ita-
liaͤner Mellina gab es, es ward durch Schuͤſſe von Vier-
telſtunde zu Viertelſtunde angekuͤndigt, hatte 6. verſchie-
dene Fronten, viel buntes Feuer, und verrieth viel Er-
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*) Auch der Pabſt. Herausgeber.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/622>, abgerufen am 04.12.2024.
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