vor, da der Franziskaner den Oedenburgischen Geistli- chen während dem Konsekrationsaktus anfiel, und aus der Stube riß. Die Evangelischen Geistlichen sind da- her auch noch schüchtern, seig, furchtsam etc. In Un- garn ist der Pabst äusserst verhaßt. Die Protestanten reden laut gegen ihn. Das ist die alte Empfindlichkeit wegen den ehemaligen Bedrückungen. In der Gottes- ackerkirche ist eine eigene Gruft, worin die Evangeli- schen Geistlichen begraben werden.
Bemerkungen.
Der Ton in Oedenburg ist gut, Bürger und Unterbürger sind sehr höflich, jedermann grüßt sich. Es stehen viele schöne starke, hohe, steinerne Häuser in der Stadt. Das Volk ist nicht dumm.
Vom Kirchthurm gibt der Zinkenist alle Viertel- stunden bei Tag sowohl als bei Nacht ein Zeichen.
Jedermann, auch der Bediente, spricht hier Latein, aber erbärmlich, z. E. Sartor est exterius -- Quo- modo dignatur valere Vestra Dominatio? -- Felicem vesperam! Auch Frauenzimmer sprechen so Latein, es ist unter so verschiedenen Nationen die allge- meine Mutter- oder Landessprache.
Viele Ungarn, die auch keine Soldaten sind, tragen Schnautzbärte mit langen Zipfeln an der Seite. So war ich mit einem vornehmen Ungarn, der reiste und seinen Schreiber bei sich hatte, seinen Flaschenkeller mit herrlichem Wein etc. in einer Auberge, der hatte einen er- staunlichen Schnautzbart.
Es ist wahr, was man zuweilen im Reiche erzählt vom greulichen Fressen und Saufen der Ungarn bei
allerlei
vor, da der Franziskaner den Oedenburgiſchen Geiſtli- chen waͤhrend dem Konſekrationsaktus anfiel, und aus der Stube riß. Die Evangeliſchen Geiſtlichen ſind da- her auch noch ſchuͤchtern, ſeig, furchtſam ꝛc. In Un- garn iſt der Pabſt aͤuſſerſt verhaßt. Die Proteſtanten reden laut gegen ihn. Das iſt die alte Empfindlichkeit wegen den ehemaligen Bedruͤckungen. In der Gottes- ackerkirche iſt eine eigene Gruft, worin die Evangeli- ſchen Geiſtlichen begraben werden.
Bemerkungen.
Der Ton in Oedenburg iſt gut, Buͤrger und Unterbuͤrger ſind ſehr hoͤflich, jedermann gruͤßt ſich. Es ſtehen viele ſchoͤne ſtarke, hohe, ſteinerne Haͤuſer in der Stadt. Das Volk iſt nicht dumm.
Vom Kirchthurm gibt der Zinkeniſt alle Viertel- ſtunden bei Tag ſowohl als bei Nacht ein Zeichen.
Jedermann, auch der Bediente, ſpricht hier Latein, aber erbaͤrmlich, z. E. Sartor eſt exterius — Quo- modo dignatur valere Veſtra Dominatio? — Felicem veſperam! Auch Frauenzimmer ſprechen ſo Latein, es iſt unter ſo verſchiedenen Nationen die allge- meine Mutter- oder Landesſprache.
Viele Ungarn, die auch keine Soldaten ſind, tragen Schnautzbaͤrte mit langen Zipfeln an der Seite. So war ich mit einem vornehmen Ungarn, der reiſte und ſeinen Schreiber bei ſich hatte, ſeinen Flaſchenkeller mit herrlichem Wein ꝛc. in einer Auberge, der hatte einen er- ſtaunlichen Schnautzbart.
Es iſt wahr, was man zuweilen im Reiche erzaͤhlt vom greulichen Freſſen und Saufen der Ungarn bei
allerlei
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vor, da der Franziskaner den Oedenburgiſchen Geiſtli-
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der Stube riß. Die Evangeliſchen Geiſtlichen ſind da-
her auch noch ſchuͤchtern, ſeig, furchtſam ꝛc. In Un-
garn iſt der Pabſt aͤuſſerſt verhaßt. Die Proteſtanten
reden laut gegen ihn. Das iſt die alte Empfindlichkeit
wegen den ehemaligen Bedruͤckungen. In der Gottes-
ackerkirche iſt eine eigene Gruft, worin die Evangeli-
ſchen Geiſtlichen begraben werden.
Bemerkungen.
Der Ton in Oedenburg iſt gut, Buͤrger und
Unterbuͤrger ſind ſehr hoͤflich, jedermann gruͤßt ſich. Es
ſtehen viele ſchoͤne ſtarke, hohe, ſteinerne Haͤuſer in der
Stadt. Das Volk iſt nicht dumm.
Vom Kirchthurm gibt der Zinkeniſt alle Viertel-
ſtunden bei Tag ſowohl als bei Nacht ein Zeichen.
Jedermann, auch der Bediente, ſpricht hier Latein,
aber erbaͤrmlich, z. E. Sartor eſt exterius — Quo-
modo dignatur valere Veſtra Dominatio? —
Felicem veſperam! Auch Frauenzimmer ſprechen ſo
Latein, es iſt unter ſo verſchiedenen Nationen die allge-
meine Mutter- oder Landesſprache.
Viele Ungarn, die auch keine Soldaten ſind, tragen
Schnautzbaͤrte mit langen Zipfeln an der Seite. So
war ich mit einem vornehmen Ungarn, der reiſte und
ſeinen Schreiber bei ſich hatte, ſeinen Flaſchenkeller mit
herrlichem Wein ꝛc. in einer Auberge, der hatte einen er-
ſtaunlichen Schnautzbart.
Es iſt wahr, was man zuweilen im Reiche erzaͤhlt
vom greulichen Freſſen und Saufen der Ungarn bei
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/608>, abgerufen am 21.11.2024.
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