kleinen Landseen vorbei, deren Wasser brauste, und ein starkes Rauschen verursachte, wenn der Sturmwind so mächtig darüber fuhr.
Für 1. Groschen trank ich in
Golz, wo die Pferde gefüttert wurden, einen gros- sen Schoppen herrlichen Wein. Der Wein, den die gemeinsten Leute trinken, kostet beinahe gar nichts, und sieht grünlicht aus. Der Schlickewitz- oder Zwet- schenbrantewein, von dem Windisch in seiner Geo- graphie von Ungarn redet, ist auch hier schon bekannt. Er sieht so gelb aus wie der schönste Tockaierwein.
Je näher man Esterhas kömmt, desto merkwürdi- ger wird die Gegend. Man kömmt zu dem Neusiedler See, der eine sehr ansehnliche Länge und Breite hat. Der ganze See ist mit Schilf und Rohr bewachsen. Mir schienen es einige Carex-Arten und Eupatorium Cannabinum L. zu seyn. Da kan man recht sehen, wie Eine Pflanze wuchert, und sich da, wo sie Platz hat, ausbreitet. An einigen Orten ist alles so dick verwach- sen, daß man es gar für keinen See halten sollte. Eine Menge Vögel nistet in diesem Gebüsche. Die Leute fah- ren mit kleinen Kähnen hinein und scheiden das Rohr ab. Daher ist es immer lebhaft in dem See. Man hört sie reden, scherzen, lachen, und sieht sie doch nicht, denn das Rohr wird mehr als Manns hoch, aber, ehe man es vermuthet, fahren einige Jungen mit niedlichen Boo- ten auf kleinen Wegen, wo man das Rohr nicht auf- kommen läßt, in krummen Strömen aus dem Walde her- aus, und führen das abgeschnittene Rohr nach Hause. Nun hat Fürst Esterhasy, der hier seine Güter hat, einen festen Damm durch den ganzen See der Länge nach
führen
Zweiter Theil. N n
kleinen Landſeen vorbei, deren Waſſer brauſte, und ein ſtarkes Rauſchen verurſachte, wenn der Sturmwind ſo maͤchtig daruͤber fuhr.
Fuͤr 1. Groſchen trank ich in
Golz, wo die Pferde gefuͤttert wurden, einen groſ- ſen Schoppen herrlichen Wein. Der Wein, den die gemeinſten Leute trinken, koſtet beinahe gar nichts, und ſieht gruͤnlicht aus. Der Schlickewitz- oder Zwet- ſchenbrantewein, von dem Windiſch in ſeiner Geo- graphie von Ungarn redet, iſt auch hier ſchon bekannt. Er ſieht ſo gelb aus wie der ſchoͤnſte Tockaierwein.
Je naͤher man Eſterhas koͤmmt, deſto merkwuͤrdi- ger wird die Gegend. Man koͤmmt zu dem Neuſiedler See, der eine ſehr anſehnliche Laͤnge und Breite hat. Der ganze See iſt mit Schilf und Rohr bewachſen. Mir ſchienen es einige Carex-Arten und Eupatorium Cannabinum L. zu ſeyn. Da kan man recht ſehen, wie Eine Pflanze wuchert, und ſich da, wo ſie Platz hat, ausbreitet. An einigen Orten iſt alles ſo dick verwach- ſen, daß man es gar fuͤr keinen See halten ſollte. Eine Menge Voͤgel niſtet in dieſem Gebuͤſche. Die Leute fah- ren mit kleinen Kaͤhnen hinein und ſcheiden das Rohr ab. Daher iſt es immer lebhaft in dem See. Man hoͤrt ſie reden, ſcherzen, lachen, und ſieht ſie doch nicht, denn das Rohr wird mehr als Manns hoch, aber, ehe man es vermuthet, fahren einige Jungen mit niedlichen Boo- ten auf kleinen Wegen, wo man das Rohr nicht auf- kommen laͤßt, in krummen Stroͤmen aus dem Walde her- aus, und fuͤhren das abgeſchnittene Rohr nach Hauſe. Nun hat Fuͤrſt Eſterhaſy, der hier ſeine Guͤter hat, einen feſten Damm durch den ganzen See der Laͤnge nach
fuͤhren
Zweiter Theil. N n
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[551[561]/0599]
kleinen Landſeen vorbei, deren Waſſer brauſte, und
ein ſtarkes Rauſchen verurſachte, wenn der Sturmwind
ſo maͤchtig daruͤber fuhr.
Fuͤr 1. Groſchen trank ich in
Golz, wo die Pferde gefuͤttert wurden, einen groſ-
ſen Schoppen herrlichen Wein. Der Wein, den die
gemeinſten Leute trinken, koſtet beinahe gar nichts, und
ſieht gruͤnlicht aus. Der Schlickewitz- oder Zwet-
ſchenbrantewein, von dem Windiſch in ſeiner Geo-
graphie von Ungarn redet, iſt auch hier ſchon bekannt.
Er ſieht ſo gelb aus wie der ſchoͤnſte Tockaierwein.
Je naͤher man Eſterhas koͤmmt, deſto merkwuͤrdi-
ger wird die Gegend. Man koͤmmt zu dem Neuſiedler
See, der eine ſehr anſehnliche Laͤnge und Breite hat.
Der ganze See iſt mit Schilf und Rohr bewachſen. Mir
ſchienen es einige Carex-Arten und Eupatorium
Cannabinum L. zu ſeyn. Da kan man recht ſehen,
wie Eine Pflanze wuchert, und ſich da, wo ſie Platz hat,
ausbreitet. An einigen Orten iſt alles ſo dick verwach-
ſen, daß man es gar fuͤr keinen See halten ſollte. Eine
Menge Voͤgel niſtet in dieſem Gebuͤſche. Die Leute fah-
ren mit kleinen Kaͤhnen hinein und ſcheiden das Rohr ab.
Daher iſt es immer lebhaft in dem See. Man hoͤrt ſie
reden, ſcherzen, lachen, und ſieht ſie doch nicht, denn
das Rohr wird mehr als Manns hoch, aber, ehe man
es vermuthet, fahren einige Jungen mit niedlichen Boo-
ten auf kleinen Wegen, wo man das Rohr nicht auf-
kommen laͤßt, in krummen Stroͤmen aus dem Walde her-
aus, und fuͤhren das abgeſchnittene Rohr nach Hauſe.
Nun hat Fuͤrſt Eſterhaſy, der hier ſeine Guͤter hat,
einen feſten Damm durch den ganzen See der Laͤnge nach
fuͤhren
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 551[561]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/599>, abgerufen am 29.11.2024.
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