gebaut; das Pflaster in der Stadt ist gut, man läuft eben weg, und es wird mit Sorgfalt unterhalten; vor den Häusern stehen oft Strebepfeiler von Bayrischen Marmor. An einigen Gegenden sieht die Stadt grade so, wie Strasburg, aus. Inwendig in den Häusern ahmt man die holländische Reinlichkeit und Pracht nach: aber die Sprache der gemeinen Leute ist sehr unverständ- lich, und man stößt auf gewaltige Spiesbürger. Eini- ge Adeliche haben neue Häuser gebaut, die so gros und schön sind, daß man den finstern Platz bedauren muß, auf dem sie stehen. Schon in der Ferne präsentirt sich Augspurg sehr schön. Die Stadt liegt in einer Ebne, hat Kirchthürme, und doch nicht zuviel, ist mit Festungs- werken und Spaziergängen umgeben, hat etwas anzie- hendes, so daß man nicht lange darinnen ist, ohne den Gedanken zu haben, daß Augspurg zu einer deutschen Kaiserstadt recht bestimmt zu seyn scheint. Schade, daß so wenige Gärten und Landgüter dazu gehören. Die Stadt hat gar kein Gebiet. Sie lebt von Schwaben und Bayern, und muß diesen beiden Nachbarn alles theuer abkaufen. Die Gleichheit beider Religionen hin- dert ohne Zweifel, daß mancher guter Wunsch nicht aus- geführt werden kan. Die katholischen Geistlichen thun und behalten alles, weil die Lutherischen auf sie Acht ge- ben, und um der Pfaffen und um des Pöbels willen bleiben die protestantischen Lehrer auch bei manchem, das freilich besser seyn könnte. Die Intoleranz der Ka- tholicken ist noch so gros, daß ein protestantischer Predi- ger in seinem geistlichen Kleide sich nicht getraute, mit mir in die Exjesuiterkirche zu gehen, um einige Gemälde zu besehen, er muste befürchten, vom Pöbel insultirt zu werden. Man macht dem edlern Theile der Bürgerschaft
den
B 3
gebaut; das Pflaſter in der Stadt iſt gut, man laͤuft eben weg, und es wird mit Sorgfalt unterhalten; vor den Haͤuſern ſtehen oft Strebepfeiler von Bayriſchen Marmor. An einigen Gegenden ſieht die Stadt grade ſo, wie Strasburg, aus. Inwendig in den Haͤuſern ahmt man die hollaͤndiſche Reinlichkeit und Pracht nach: aber die Sprache der gemeinen Leute iſt ſehr unverſtaͤnd- lich, und man ſtoͤßt auf gewaltige Spiesbuͤrger. Eini- ge Adeliche haben neue Haͤuſer gebaut, die ſo gros und ſchoͤn ſind, daß man den finſtern Platz bedauren muß, auf dem ſie ſtehen. Schon in der Ferne praͤſentirt ſich Augſpurg ſehr ſchoͤn. Die Stadt liegt in einer Ebne, hat Kirchthuͤrme, und doch nicht zuviel, iſt mit Feſtungs- werken und Spaziergaͤngen umgeben, hat etwas anzie- hendes, ſo daß man nicht lange darinnen iſt, ohne den Gedanken zu haben, daß Augſpurg zu einer deutſchen Kaiſerſtadt recht beſtimmt zu ſeyn ſcheint. Schade, daß ſo wenige Gaͤrten und Landguͤter dazu gehoͤren. Die Stadt hat gar kein Gebiet. Sie lebt von Schwaben und Bayern, und muß dieſen beiden Nachbarn alles theuer abkaufen. Die Gleichheit beider Religionen hin- dert ohne Zweifel, daß mancher guter Wunſch nicht aus- gefuͤhrt werden kan. Die katholiſchen Geiſtlichen thun und behalten alles, weil die Lutheriſchen auf ſie Acht ge- ben, und um der Pfaffen und um des Poͤbels willen bleiben die proteſtantiſchen Lehrer auch bei manchem, das freilich beſſer ſeyn koͤnnte. Die Intoleranz der Ka- tholicken iſt noch ſo gros, daß ein proteſtantiſcher Predi- ger in ſeinem geiſtlichen Kleide ſich nicht getraute, mit mir in die Exjeſuiterkirche zu gehen, um einige Gemaͤlde zu beſehen, er muſte befuͤrchten, vom Poͤbel inſultirt zu werden. Man macht dem edlern Theile der Buͤrgerſchaft
den
B 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="3"><p><pbfacs="#f0059"n="21"/>
gebaut; das Pflaſter in der Stadt iſt gut, man laͤuft<lb/>
eben weg, und es wird mit Sorgfalt unterhalten; vor<lb/>
den Haͤuſern ſtehen oft Strebepfeiler von <hirendition="#fr">Bayr</hi>iſchen<lb/>
Marmor. An einigen Gegenden ſieht die Stadt grade<lb/>ſo, wie <hirendition="#fr">Strasburg,</hi> aus. Inwendig in den Haͤuſern<lb/>
ahmt man die hollaͤndiſche Reinlichkeit und Pracht nach:<lb/>
aber die Sprache der gemeinen Leute iſt ſehr unverſtaͤnd-<lb/>
lich, und man ſtoͤßt auf gewaltige Spiesbuͤrger. Eini-<lb/>
ge Adeliche haben neue Haͤuſer gebaut, die ſo gros und<lb/>ſchoͤn ſind, daß man den finſtern Platz bedauren muß,<lb/>
auf dem ſie ſtehen. Schon in der Ferne praͤſentirt ſich<lb/><hirendition="#fr">Augſpurg</hi>ſehr ſchoͤn. Die Stadt liegt in einer Ebne,<lb/>
hat Kirchthuͤrme, und doch nicht zuviel, iſt mit Feſtungs-<lb/>
werken und Spaziergaͤngen umgeben, hat etwas anzie-<lb/>
hendes, ſo daß man nicht lange darinnen iſt, ohne den<lb/>
Gedanken zu haben, daß <hirendition="#fr">Augſpurg</hi> zu einer deutſchen<lb/>
Kaiſerſtadt recht beſtimmt zu ſeyn ſcheint. Schade, daß<lb/>ſo wenige Gaͤrten und Landguͤter dazu gehoͤren. Die<lb/>
Stadt hat gar kein Gebiet. Sie lebt von <hirendition="#fr">Schwaben</hi><lb/>
und <hirendition="#fr">Bayern,</hi> und muß dieſen beiden Nachbarn alles<lb/>
theuer abkaufen. Die Gleichheit beider Religionen hin-<lb/>
dert ohne Zweifel, daß mancher guter Wunſch nicht aus-<lb/>
gefuͤhrt werden kan. Die katholiſchen Geiſtlichen thun<lb/>
und behalten alles, weil die Lutheriſchen auf ſie Acht ge-<lb/>
ben, und um der Pfaffen und um des Poͤbels willen<lb/>
bleiben die proteſtantiſchen Lehrer auch bei manchem,<lb/>
das freilich beſſer ſeyn koͤnnte. Die Intoleranz der Ka-<lb/>
tholicken iſt noch ſo gros, daß ein proteſtantiſcher Predi-<lb/>
ger in ſeinem geiſtlichen Kleide ſich nicht getraute, mit<lb/>
mir in die Exjeſuiterkirche zu gehen, um einige Gemaͤlde<lb/>
zu beſehen, er muſte befuͤrchten, vom Poͤbel inſultirt zu<lb/>
werden. Man macht dem edlern Theile der Buͤrgerſchaft<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[21/0059]
gebaut; das Pflaſter in der Stadt iſt gut, man laͤuft
eben weg, und es wird mit Sorgfalt unterhalten; vor
den Haͤuſern ſtehen oft Strebepfeiler von Bayriſchen
Marmor. An einigen Gegenden ſieht die Stadt grade
ſo, wie Strasburg, aus. Inwendig in den Haͤuſern
ahmt man die hollaͤndiſche Reinlichkeit und Pracht nach:
aber die Sprache der gemeinen Leute iſt ſehr unverſtaͤnd-
lich, und man ſtoͤßt auf gewaltige Spiesbuͤrger. Eini-
ge Adeliche haben neue Haͤuſer gebaut, die ſo gros und
ſchoͤn ſind, daß man den finſtern Platz bedauren muß,
auf dem ſie ſtehen. Schon in der Ferne praͤſentirt ſich
Augſpurg ſehr ſchoͤn. Die Stadt liegt in einer Ebne,
hat Kirchthuͤrme, und doch nicht zuviel, iſt mit Feſtungs-
werken und Spaziergaͤngen umgeben, hat etwas anzie-
hendes, ſo daß man nicht lange darinnen iſt, ohne den
Gedanken zu haben, daß Augſpurg zu einer deutſchen
Kaiſerſtadt recht beſtimmt zu ſeyn ſcheint. Schade, daß
ſo wenige Gaͤrten und Landguͤter dazu gehoͤren. Die
Stadt hat gar kein Gebiet. Sie lebt von Schwaben
und Bayern, und muß dieſen beiden Nachbarn alles
theuer abkaufen. Die Gleichheit beider Religionen hin-
dert ohne Zweifel, daß mancher guter Wunſch nicht aus-
gefuͤhrt werden kan. Die katholiſchen Geiſtlichen thun
und behalten alles, weil die Lutheriſchen auf ſie Acht ge-
ben, und um der Pfaffen und um des Poͤbels willen
bleiben die proteſtantiſchen Lehrer auch bei manchem,
das freilich beſſer ſeyn koͤnnte. Die Intoleranz der Ka-
tholicken iſt noch ſo gros, daß ein proteſtantiſcher Predi-
ger in ſeinem geiſtlichen Kleide ſich nicht getraute, mit
mir in die Exjeſuiterkirche zu gehen, um einige Gemaͤlde
zu beſehen, er muſte befuͤrchten, vom Poͤbel inſultirt zu
werden. Man macht dem edlern Theile der Buͤrgerſchaft
den
B 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/59>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.