fassungen. Dort hat ein alter evangelischer Prediger, der den Lutherschen Pabst macht, 2. junge Ungarn, die von Göttingen kamen, und auf der Kanzel lieber ge- hört wurden, als er, weggebissen. Des Herzogs von Sachsen-Teschen Gemahlin, als sie noch Statthalterin in Ungarn war, wollte sie hören, und schickte nach ihnen, er lies sie aber nicht mehr Nachmittags predigen. Nun sind sie in kleinern Landstädten angestellt. Etiam in Eccle- sia pressa tantaene animis coelestibus irae?
Bemerkungen.
Man bezahlt hier grosse Summen mit Kaiserlichen Bankozetteln. Man bekommt so viel, als man baar Geld der Bank schickt, von 5 -- 6000. Gulden. Jede Kaiserl. Kasse im Lande ist schuldig, diese Zettel anzu- nehmen, und darauf auszuzahlen, daher man damit sicherer, als mit baarem Gelde reisen kan.
Wer Lehngüter auf dem Lande hat, muß sein De- putat an die Landesregierung, z. B. zwischen dem 13 -- 15. Junius gewis bezahlen, man wartet nur wenige Ta- ge, sonst fordert man gleich 10. pro Cent Strafe, den Unterthan hingegen darf man nicht pressen, ausser wenn man ihm das Haus ganz abschätzen lassen will.
Man kan hier noch Leichen sehen, die 3000. Gul- den kosten. Es soll nicht seyn, aber die Adelichen hal- ten auf solche grosse Thorheiten.
Zur Schande der Stadt bemerke ich. daß hier noch von Zeit zu Zeit eine Thierhetze gehalten wird. Vor der Stadt ist ein grosser Platz, und so oft eine seyn soll, wird es ausgetrommelt, einer reitet voran, und die Fuß- gänger theilen Zettel aus. Das Volk ist erstaunlich
sinnlich,
faſſungen. Dort hat ein alter evangeliſcher Prediger, der den Lutherſchen Pabſt macht, 2. junge Ungarn, die von Goͤttingen kamen, und auf der Kanzel lieber ge- hoͤrt wurden, als er, weggebiſſen. Des Herzogs von Sachſen-Teſchen Gemahlin, als ſie noch Statthalterin in Ungarn war, wollte ſie hoͤren, und ſchickte nach ihnen, er lies ſie aber nicht mehr Nachmittags predigen. Nun ſind ſie in kleinern Landſtaͤdten angeſtellt. Etiam in Eccle- ſia preſſa tantaene animis coeleſtibus irae?
Bemerkungen.
Man bezahlt hier groſſe Summen mit Kaiſerlichen Bankozetteln. Man bekommt ſo viel, als man baar Geld der Bank ſchickt, von 5 — 6000. Gulden. Jede Kaiſerl. Kaſſe im Lande iſt ſchuldig, dieſe Zettel anzu- nehmen, und darauf auszuzahlen, daher man damit ſicherer, als mit baarem Gelde reiſen kan.
Wer Lehnguͤter auf dem Lande hat, muß ſein De- putat an die Landesregierung, z. B. zwiſchen dem 13 — 15. Junius gewis bezahlen, man wartet nur wenige Ta- ge, ſonſt fordert man gleich 10. pro Cent Strafe, den Unterthan hingegen darf man nicht preſſen, auſſer wenn man ihm das Haus ganz abſchaͤtzen laſſen will.
Man kan hier noch Leichen ſehen, die 3000. Gul- den koſten. Es ſoll nicht ſeyn, aber die Adelichen hal- ten auf ſolche groſſe Thorheiten.
Zur Schande der Stadt bemerke ich. daß hier noch von Zeit zu Zeit eine Thierhetze gehalten wird. Vor der Stadt iſt ein groſſer Platz, und ſo oft eine ſeyn ſoll, wird es ausgetrommelt, einer reitet voran, und die Fuß- gaͤnger theilen Zettel aus. Das Volk iſt erſtaunlich
ſinnlich,
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faſſungen. Dort hat ein alter evangeliſcher Prediger,
der den Lutherſchen Pabſt macht, 2. junge Ungarn, die
von Goͤttingen kamen, und auf der Kanzel lieber ge-
hoͤrt wurden, als er, weggebiſſen. Des Herzogs von
Sachſen-Teſchen Gemahlin, als ſie noch Statthalterin
in Ungarn war, wollte ſie hoͤren, und ſchickte nach ihnen,
er lies ſie aber nicht mehr Nachmittags predigen. Nun ſind
ſie in kleinern Landſtaͤdten angeſtellt. Etiam in Eccle-
ſia preſſa tantaene animis coeleſtibus irae?
Bemerkungen.
Man bezahlt hier groſſe Summen mit Kaiſerlichen
Bankozetteln. Man bekommt ſo viel, als man baar
Geld der Bank ſchickt, von 5 — 6000. Gulden. Jede
Kaiſerl. Kaſſe im Lande iſt ſchuldig, dieſe Zettel anzu-
nehmen, und darauf auszuzahlen, daher man damit
ſicherer, als mit baarem Gelde reiſen kan.
Wer Lehnguͤter auf dem Lande hat, muß ſein De-
putat an die Landesregierung, z. B. zwiſchen dem 13 —
15. Junius gewis bezahlen, man wartet nur wenige Ta-
ge, ſonſt fordert man gleich 10. pro Cent Strafe, den
Unterthan hingegen darf man nicht preſſen, auſſer wenn
man ihm das Haus ganz abſchaͤtzen laſſen will.
Man kan hier noch Leichen ſehen, die 3000. Gul-
den koſten. Es ſoll nicht ſeyn, aber die Adelichen hal-
ten auf ſolche groſſe Thorheiten.
Zur Schande der Stadt bemerke ich. daß hier noch
von Zeit zu Zeit eine Thierhetze gehalten wird. Vor
der Stadt iſt ein groſſer Platz, und ſo oft eine ſeyn ſoll,
wird es ausgetrommelt, einer reitet voran, und die Fuß-
gaͤnger theilen Zettel aus. Das Volk iſt erſtaunlich
ſinnlich,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/574>, abgerufen am 26.11.2024.
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