Privatmann in Gesellschaft ist, wünscht mancher, daß für die Brutalen unter den deutschen Fürsten eine eigene Fürstenhölle seyn möchte! --
Der gemeine Soldat wird hier sehr wohl gehalten, und sieht auch meistens sehr gut aus. Nach Abzug aller seiner nothwendigen Bedürfnisse bleiben ihm des Tags noch 2. Kreuzer übrig. Auf der Wache hat er einen grauen Kittel, den er anziehen darf, sobald nur kalte Luft weht, und der weit über die dadurch beschützten Knie herabgeht. Ueberhaupt ist die Kleidung nicht so eng und klein zugeschnitten, als die Preussische.
Man rühmt in ganz Deutschland besonders die Wiener Schuhe für Männer und Weiber, auch Pan- toffeln, Stiefeln etc. weil hier viel ungarisches und orienta- lisches Leder verarbeitet wird. Viele Damen aus Stutt- gard und andern Städten im Reich, haben immer ei- nen Schuh hier bei einer Freundin, der zum Muster dient. Jetzt tragen die Damen lauter weisse oder graue; rosenfarbne ist jetzt die Mode der Bedientinnen.
Am Fasttage hatten wir eine Suppe von lauter Fischrogen, wahrscheinlich Karpfenrogen mit nur weni- gem Brode darin.
Den 28sten April.
Heute wartete ich in der Dänischen Gesandschafts- kapelle den Gottesdienst ab. Es ist nur ein Saal in der Wohnung des Gesandten, des Hrn. von Vierecks. -- Man singt auch aus einem Nürnberger Gesangbuche, -- vermuthlich weil viele Protestanten, Kaufleute, Fabri- kanten, Professionisten etc. Nürnberger sind; -- doch ist hinten an diesem Buche eine Centurie von eigenen Lie-
dern
Privatmann in Geſellſchaft iſt, wuͤnſcht mancher, daß fuͤr die Brutalen unter den deutſchen Fuͤrſten eine eigene Fuͤrſtenhoͤlle ſeyn moͤchte! —
Der gemeine Soldat wird hier ſehr wohl gehalten, und ſieht auch meiſtens ſehr gut aus. Nach Abzug aller ſeiner nothwendigen Beduͤrfniſſe bleiben ihm des Tags noch 2. Kreuzer uͤbrig. Auf der Wache hat er einen grauen Kittel, den er anziehen darf, ſobald nur kalte Luft weht, und der weit uͤber die dadurch beſchuͤtzten Knie herabgeht. Ueberhaupt iſt die Kleidung nicht ſo eng und klein zugeſchnitten, als die Preuſſiſche.
Man ruͤhmt in ganz Deutſchland beſonders die Wiener Schuhe fuͤr Maͤnner und Weiber, auch Pan- toffeln, Stiefeln ꝛc. weil hier viel ungariſches und orienta- liſches Leder verarbeitet wird. Viele Damen aus Stutt- gard und andern Staͤdten im Reich, haben immer ei- nen Schuh hier bei einer Freundin, der zum Muſter dient. Jetzt tragen die Damen lauter weiſſe oder graue; roſenfarbne iſt jetzt die Mode der Bedientinnen.
Am Faſttage hatten wir eine Suppe von lauter Fiſchrogen, wahrſcheinlich Karpfenrogen mit nur weni- gem Brode darin.
Den 28ſten April.
Heute wartete ich in der Daͤniſchen Geſandſchafts- kapelle den Gottesdienſt ab. Es iſt nur ein Saal in der Wohnung des Geſandten, des Hrn. von Vierecks. — Man ſingt auch aus einem Nuͤrnberger Geſangbuche, — vermuthlich weil viele Proteſtanten, Kaufleute, Fabri- kanten, Profeſſioniſten ꝛc. Nuͤrnberger ſind; — doch iſt hinten an dieſem Buche eine Centurie von eigenen Lie-
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Privatmann in Geſellſchaft iſt, wuͤnſcht mancher, daß
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Der gemeine Soldat wird hier ſehr wohl gehalten,
und ſieht auch meiſtens ſehr gut aus. Nach Abzug aller
ſeiner nothwendigen Beduͤrfniſſe bleiben ihm des Tags
noch 2. Kreuzer uͤbrig. Auf der Wache hat er einen
grauen Kittel, den er anziehen darf, ſobald nur kalte
Luft weht, und der weit uͤber die dadurch beſchuͤtzten Knie
herabgeht. Ueberhaupt iſt die Kleidung nicht ſo eng
und klein zugeſchnitten, als die Preuſſiſche.
Man ruͤhmt in ganz Deutſchland beſonders die
Wiener Schuhe fuͤr Maͤnner und Weiber, auch Pan-
toffeln, Stiefeln ꝛc. weil hier viel ungariſches und orienta-
liſches Leder verarbeitet wird. Viele Damen aus Stutt-
gard und andern Staͤdten im Reich, haben immer ei-
nen Schuh hier bei einer Freundin, der zum Muſter
dient. Jetzt tragen die Damen lauter weiſſe oder graue;
roſenfarbne iſt jetzt die Mode der Bedientinnen.
Am Faſttage hatten wir eine Suppe von lauter
Fiſchrogen, wahrſcheinlich Karpfenrogen mit nur weni-
gem Brode darin.
Den 28ſten April.
Heute wartete ich in der Daͤniſchen Geſandſchafts-
kapelle den Gottesdienſt ab. Es iſt nur ein Saal in
der Wohnung des Geſandten, des Hrn. von Vierecks. —
Man ſingt auch aus einem Nuͤrnberger Geſangbuche, —
vermuthlich weil viele Proteſtanten, Kaufleute, Fabri-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/558>, abgerufen am 25.11.2024.
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