Wundermann zu, meint es bekomme Kraft und Segen und betet sich fast heiser nach den hölzernen Kugeln seines Rosenkranzes!
Von da ging ich ins Lektürekabinet des Hrn. von Trattners. Wer sich darin abonnirt, zahlt monatlich 2. Gulden, ein Fremder gibt für einmahl 7. Kreuzer. Man findet eine Last Zeitungen, und eine ganz artige Biblio- thek aus allen Fächern. Von 8. Uhr früh bis 8. Uhr Abends steht das Kabinet offen.
Drauf machte ich eine Spazierfahrt nach Nußdorf. Im Wirthshause schmeckte es den Bauern, die Holz geführt hatten, ganz ungemein. Viele kommen oft so zusammen, daß sie nicht alle mit einander auf den Vor- rathsplätzen abladen können, und daher lange vor der Stadt halten müssen.
Bemerkungen.
Des Pabsts Gegenwart hat die Protestanten in der Verachtung des Römischen Gottesdiensts bestärkt. Die Katholicken schliessen aus den äusserlichen Ehrenbe- zeigungen, die ihm der Kaiser anthat, daß wieder Ruhe in ihrer Kirche seyn werde, und sind in Ceremonien wie- der eifriger, als vorher. Die Feinde und Spötter der wahren Religion haben ihren Köcher mit neuen, spitzigen Pfeilen gefüllt. -- Warum kam er denn?
Man sieht erbärmliche Malereien von Verdamm- ten in der Hölle. -- Schreiende Menschengesichter zwischen rothen Flammen, mit der Unterschrift: "Er- "barmt euch über mich"! Schliesse man daraus auf den ganz unbrauchbaren Unterricht der faulen Pfaffen, auf ihre Beweggründe zur Tugend, auf ihre Empfehlungen
der
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Wundermann zu, meint es bekomme Kraft und Segen und betet ſich faſt heiſer nach den hoͤlzernen Kugeln ſeines Roſenkranzes!
Von da ging ich ins Lektuͤrekabinet des Hrn. von Trattners. Wer ſich darin abonnirt, zahlt monatlich 2. Gulden, ein Fremder gibt fuͤr einmahl 7. Kreuzer. Man findet eine Laſt Zeitungen, und eine ganz artige Biblio- thek aus allen Faͤchern. Von 8. Uhr fruͤh bis 8. Uhr Abends ſteht das Kabinet offen.
Drauf machte ich eine Spazierfahrt nach Nußdorf. Im Wirthshauſe ſchmeckte es den Bauern, die Holz gefuͤhrt hatten, ganz ungemein. Viele kommen oft ſo zuſammen, daß ſie nicht alle mit einander auf den Vor- rathsplaͤtzen abladen koͤnnen, und daher lange vor der Stadt halten muͤſſen.
Bemerkungen.
Des Pabſts Gegenwart hat die Proteſtanten in der Verachtung des Roͤmiſchen Gottesdienſts beſtaͤrkt. Die Katholicken ſchlieſſen aus den aͤuſſerlichen Ehrenbe- zeigungen, die ihm der Kaiſer anthat, daß wieder Ruhe in ihrer Kirche ſeyn werde, und ſind in Ceremonien wie- der eifriger, als vorher. Die Feinde und Spoͤtter der wahren Religion haben ihren Koͤcher mit neuen, ſpitzigen Pfeilen gefuͤllt. — Warum kam er denn?
Man ſieht erbaͤrmliche Malereien von Verdamm- ten in der Hoͤlle. — Schreiende Menſchengeſichter zwiſchen rothen Flammen, mit der Unterſchrift: „Er- „barmt euch uͤber mich“! Schlieſſe man daraus auf den ganz unbrauchbaren Unterricht der faulen Pfaffen, auf ihre Beweggruͤnde zur Tugend, auf ihre Empfehlungen
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Wundermann zu, meint es bekomme Kraft und Segen
und betet ſich faſt heiſer nach den hoͤlzernen Kugeln ſeines
Roſenkranzes!
Von da ging ich ins Lektuͤrekabinet des Hrn. von
Trattners. Wer ſich darin abonnirt, zahlt monatlich 2.
Gulden, ein Fremder gibt fuͤr einmahl 7. Kreuzer. Man
findet eine Laſt Zeitungen, und eine ganz artige Biblio-
thek aus allen Faͤchern. Von 8. Uhr fruͤh bis 8. Uhr
Abends ſteht das Kabinet offen.
Drauf machte ich eine Spazierfahrt nach Nußdorf.
Im Wirthshauſe ſchmeckte es den Bauern, die Holz
gefuͤhrt hatten, ganz ungemein. Viele kommen oft ſo
zuſammen, daß ſie nicht alle mit einander auf den Vor-
rathsplaͤtzen abladen koͤnnen, und daher lange vor der
Stadt halten muͤſſen.
Bemerkungen.
Des Pabſts Gegenwart hat die Proteſtanten in
der Verachtung des Roͤmiſchen Gottesdienſts beſtaͤrkt.
Die Katholicken ſchlieſſen aus den aͤuſſerlichen Ehrenbe-
zeigungen, die ihm der Kaiſer anthat, daß wieder Ruhe
in ihrer Kirche ſeyn werde, und ſind in Ceremonien wie-
der eifriger, als vorher. Die Feinde und Spoͤtter der
wahren Religion haben ihren Koͤcher mit neuen, ſpitzigen
Pfeilen gefuͤllt. — Warum kam er denn?
Man ſieht erbaͤrmliche Malereien von Verdamm-
ten in der Hoͤlle. — Schreiende Menſchengeſichter
zwiſchen rothen Flammen, mit der Unterſchrift: „Er-
„barmt euch uͤber mich“! Schlieſſe man daraus auf den
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/555>, abgerufen am 24.11.2024.
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