beim Herzogl. Braunschw. Gesandten, dem Hrn. Baron von Vockel, an den ich ebenfalls empfohlen war. Dieser war der erste, mit dem ich in Wien mehr als ei- ne Stunde schnell wegplaudern konnte, weil er auch ein litterarisches naturhistorisches Gespräch anfing. Er hat ein Kabinet von seinem Schwiegervater, Hrn. Moll, geerbt, das aus Petrefaktis, Steinen und Stuffen be- steht. Meistens sind es Austriaca, das Wort im vol- len Verstande genommen. Der vorige Besitzer reiste selber alle Jahre 3-4. Monate deswegen, und lies sich die Sachen an Ort und Stelle brechen. Er reiste vom Ende der Karpathischen Gebürge bis an die Tyroler, und an die Sächsische Grenze, so daß es ihn freilich sehr viel kostete. Hr. Baron von Vockel wünscht es zu ver- kausen, weil ein grosser Theil des nicht sehr beträchtlichen Vermögens seiner Frau in solchen Sachen besteht. Er hat einige Kenntnisse in dieser Wissenschaft erst hier von Mr. de Balljou erlangt, der auch die erste Grundlage zum Kaiserlichen Kabinet gesammelt hat. Der Mann errichtete sich sein eignes System, seine eigene Leiter der Natur, fing an mit den Erdarten, ging über ins Pflan- zenreich mit den Erdpechen, und darnach rangirte auch Baron Vockel seine Sammlung, die ich dann zu sehen bekommen sollte. -- Uebrigens leidet dieser gute Mann schon seit vielen Jahren gewaltig an der Arthritis va- ga, die ihm oft sogar die Zunge zum Sprechen lähmt. Seine Augen zittern und sind so schwach, daß er am hel- len Tage einen grünen Schirm vor den Augen trägt. Als er eine Zeitlang gestanden hatte, konnte er kaum zum Kanape' kommen, und als er eine Weile gesessen hatte, konnte er, ohne von mir gehalten zu werden, weder gehen noch stehen.
Darauf
beim Herzogl. Braunſchw. Geſandten, dem Hrn. Baron von Vockel, an den ich ebenfalls empfohlen war. Dieſer war der erſte, mit dem ich in Wien mehr als ei- ne Stunde ſchnell wegplaudern konnte, weil er auch ein litterariſches naturhiſtoriſches Geſpraͤch anfing. Er hat ein Kabinet von ſeinem Schwiegervater, Hrn. Moll, geerbt, das aus Petrefaktis, Steinen und Stuffen be- ſteht. Meiſtens ſind es Auſtriaca, das Wort im vol- len Verſtande genommen. Der vorige Beſitzer reiſte ſelber alle Jahre 3-4. Monate deswegen, und lies ſich die Sachen an Ort und Stelle brechen. Er reiſte vom Ende der Karpathiſchen Gebuͤrge bis an die Tyroler, und an die Saͤchſiſche Grenze, ſo daß es ihn freilich ſehr viel koſtete. Hr. Baron von Vockel wuͤnſcht es zu ver- kauſen, weil ein groſſer Theil des nicht ſehr betraͤchtlichen Vermoͤgens ſeiner Frau in ſolchen Sachen beſteht. Er hat einige Kenntniſſe in dieſer Wiſſenſchaft erſt hier von Mr. de Balljou erlangt, der auch die erſte Grundlage zum Kaiſerlichen Kabinet geſammelt hat. Der Mann errichtete ſich ſein eignes Syſtem, ſeine eigene Leiter der Natur, fing an mit den Erdarten, ging uͤber ins Pflan- zenreich mit den Erdpechen, und darnach rangirte auch Baron Vockel ſeine Sammlung, die ich dann zu ſehen bekommen ſollte. — Uebrigens leidet dieſer gute Mann ſchon ſeit vielen Jahren gewaltig an der Arthritis va- ga, die ihm oft ſogar die Zunge zum Sprechen laͤhmt. Seine Augen zittern und ſind ſo ſchwach, daß er am hel- len Tage einen gruͤnen Schirm vor den Augen traͤgt. Als er eine Zeitlang geſtanden hatte, konnte er kaum zum Kanape’ kommen, und als er eine Weile geſeſſen hatte, konnte er, ohne von mir gehalten zu werden, weder gehen noch ſtehen.
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beim Herzogl. Braunſchw. Geſandten, dem Hrn.
Baron von Vockel, an den ich ebenfalls empfohlen war.
Dieſer war der erſte, mit dem ich in Wien mehr als ei-
ne Stunde ſchnell wegplaudern konnte, weil er auch ein
litterariſches naturhiſtoriſches Geſpraͤch anfing. Er hat
ein Kabinet von ſeinem Schwiegervater, Hrn. Moll,
geerbt, das aus Petrefaktis, Steinen und Stuffen be-
ſteht. Meiſtens ſind es Auſtriaca, das Wort im vol-
len Verſtande genommen. Der vorige Beſitzer reiſte
ſelber alle Jahre 3-4. Monate deswegen, und lies ſich
die Sachen an Ort und Stelle brechen. Er reiſte vom
Ende der Karpathiſchen Gebuͤrge bis an die Tyroler,
und an die Saͤchſiſche Grenze, ſo daß es ihn freilich ſehr
viel koſtete. Hr. Baron von Vockel wuͤnſcht es zu ver-
kauſen, weil ein groſſer Theil des nicht ſehr betraͤchtlichen
Vermoͤgens ſeiner Frau in ſolchen Sachen beſteht. Er
hat einige Kenntniſſe in dieſer Wiſſenſchaft erſt hier von
Mr. de Balljou erlangt, der auch die erſte Grundlage
zum Kaiſerlichen Kabinet geſammelt hat. Der Mann
errichtete ſich ſein eignes Syſtem, ſeine eigene Leiter der
Natur, fing an mit den Erdarten, ging uͤber ins Pflan-
zenreich mit den Erdpechen, und darnach rangirte auch
Baron Vockel ſeine Sammlung, die ich dann zu ſehen
bekommen ſollte. — Uebrigens leidet dieſer gute Mann
ſchon ſeit vielen Jahren gewaltig an der Arthritis va-
ga, die ihm oft ſogar die Zunge zum Sprechen laͤhmt.
Seine Augen zittern und ſind ſo ſchwach, daß er am hel-
len Tage einen gruͤnen Schirm vor den Augen traͤgt.
Als er eine Zeitlang geſtanden hatte, konnte er kaum zum
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/531>, abgerufen am 24.11.2024.
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