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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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mehr tödten könnte. Der steinerne Fuß des Glockenhau-
ses ist ganz mit Moos bewachsen. So hoch fliegt also
der Saamen dieser feinen Pflanzen mitten in der Stadt
herum. Unbegreiflich ist's, wie die Leute ehemals die
greulichen Massen da herauf gebracht haben. Und durch
die ungeheuren Brocken von Steinen gehen eiserne Haf-
ten und Bänder hier und da ganz durch. Aber jeder
Bürger und Einwohner der Stadt half damals, als der
Bau unternommen wurde. In der Kirche selber sieht
man alte Gruften, Kapellen, alte und verdorbene Ge-
mälde von Dürer, Familienwappen etc. An den alten
schönen Bildschnitzereien von Eichenholz im Chore ist noch
nicht eine wurmstichige Stelle, da hingegen alles, was
in neuen Zeiten daran ausgebessert worden ist, aus viel
schlechtern unausgetrocknetem Holze gemacht wird. Wenn
man Sonntags in dieser Kirche der Kommunion zusieht,
so kan man sich wohl auch bei der feierlichsten Handlung
nicht enthalten, zuweilen eine lächelnde Mine zu machen.
Dazu zwingen den Fremden die Ulmer Kleidertrachten,
die so mannichfaltig, so eckicht, so steif, so gothisch, so
abgeschmackt, so gefältelt, so frisirt, so sonderbar ausge-
schnitten, so buntschäckicht, so unbeschreiblich widerlich
und grotesk sind, daß man sie in manchen andern Städ-
ten auf der Redoute brauchen könnte. Abzeichnen und
illuminiren sollte man sie um der Sonderbarkeit willen,
wie die Russische Kaiserin ihre Nation abmalen lies. Die
alten Matronen, die sich der Welt nicht gleich stellen
wollen, vermuthlich weil sie nicht mehr können, halten
noch fest an diesen hergebrachten und veralterten Kleider-
moden. Und bei der Kommunion sonderlich sieht man
alle mögliche Editionen. Wer's nicht weis, der würde
wahrhastig über manche Figuren erschrecken. Der grö-

ste

mehr toͤdten koͤnnte. Der ſteinerne Fuß des Glockenhau-
ſes iſt ganz mit Moos bewachſen. So hoch fliegt alſo
der Saamen dieſer feinen Pflanzen mitten in der Stadt
herum. Unbegreiflich iſt’s, wie die Leute ehemals die
greulichen Maſſen da herauf gebracht haben. Und durch
die ungeheuren Brocken von Steinen gehen eiſerne Haf-
ten und Baͤnder hier und da ganz durch. Aber jeder
Buͤrger und Einwohner der Stadt half damals, als der
Bau unternommen wurde. In der Kirche ſelber ſieht
man alte Gruften, Kapellen, alte und verdorbene Ge-
maͤlde von Duͤrer, Familienwappen ꝛc. An den alten
ſchoͤnen Bildſchnitzereien von Eichenholz im Chore iſt noch
nicht eine wurmſtichige Stelle, da hingegen alles, was
in neuen Zeiten daran ausgebeſſert worden iſt, aus viel
ſchlechtern unausgetrocknetem Holze gemacht wird. Wenn
man Sonntags in dieſer Kirche der Kommunion zuſieht,
ſo kan man ſich wohl auch bei der feierlichſten Handlung
nicht enthalten, zuweilen eine laͤchelnde Mine zu machen.
Dazu zwingen den Fremden die Ulmer Kleidertrachten,
die ſo mannichfaltig, ſo eckicht, ſo ſteif, ſo gothiſch, ſo
abgeſchmackt, ſo gefaͤltelt, ſo friſirt, ſo ſonderbar ausge-
ſchnitten, ſo buntſchaͤckicht, ſo unbeſchreiblich widerlich
und grotesk ſind, daß man ſie in manchen andern Staͤd-
ten auf der Redoute brauchen koͤnnte. Abzeichnen und
illuminiren ſollte man ſie um der Sonderbarkeit willen,
wie die Ruſſiſche Kaiſerin ihre Nation abmalen lies. Die
alten Matronen, die ſich der Welt nicht gleich ſtellen
wollen, vermuthlich weil ſie nicht mehr koͤnnen, halten
noch feſt an dieſen hergebrachten und veralterten Kleider-
moden. Und bei der Kommunion ſonderlich ſieht man
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wahrhaſtig uͤber manche Figuren erſchrecken. Der groͤ-

ſte
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[15/0053] mehr toͤdten koͤnnte. Der ſteinerne Fuß des Glockenhau- ſes iſt ganz mit Moos bewachſen. So hoch fliegt alſo der Saamen dieſer feinen Pflanzen mitten in der Stadt herum. Unbegreiflich iſt’s, wie die Leute ehemals die greulichen Maſſen da herauf gebracht haben. Und durch die ungeheuren Brocken von Steinen gehen eiſerne Haf- ten und Baͤnder hier und da ganz durch. Aber jeder Buͤrger und Einwohner der Stadt half damals, als der Bau unternommen wurde. In der Kirche ſelber ſieht man alte Gruften, Kapellen, alte und verdorbene Ge- maͤlde von Duͤrer, Familienwappen ꝛc. An den alten ſchoͤnen Bildſchnitzereien von Eichenholz im Chore iſt noch nicht eine wurmſtichige Stelle, da hingegen alles, was in neuen Zeiten daran ausgebeſſert worden iſt, aus viel ſchlechtern unausgetrocknetem Holze gemacht wird. Wenn man Sonntags in dieſer Kirche der Kommunion zuſieht, ſo kan man ſich wohl auch bei der feierlichſten Handlung nicht enthalten, zuweilen eine laͤchelnde Mine zu machen. Dazu zwingen den Fremden die Ulmer Kleidertrachten, die ſo mannichfaltig, ſo eckicht, ſo ſteif, ſo gothiſch, ſo abgeſchmackt, ſo gefaͤltelt, ſo friſirt, ſo ſonderbar ausge- ſchnitten, ſo buntſchaͤckicht, ſo unbeſchreiblich widerlich und grotesk ſind, daß man ſie in manchen andern Staͤd- ten auf der Redoute brauchen koͤnnte. Abzeichnen und illuminiren ſollte man ſie um der Sonderbarkeit willen, wie die Ruſſiſche Kaiſerin ihre Nation abmalen lies. Die alten Matronen, die ſich der Welt nicht gleich ſtellen wollen, vermuthlich weil ſie nicht mehr koͤnnen, halten noch feſt an dieſen hergebrachten und veralterten Kleider- moden. Und bei der Kommunion ſonderlich ſieht man alle moͤgliche Editionen. Wer’s nicht weis, der wuͤrde wahrhaſtig uͤber manche Figuren erſchrecken. Der groͤ- ſte

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/53>, abgerufen am 21.11.2024.