tung gäbe es hier nicht. -- Mancher Schneider und Schuster lebe hier besser, als der größte Kaufmann in Leipzig und Frankfurt. Die Wiener Messe sei nur für die hiesigen, man bekomme in den Gewölbern alles wohlfeiler.
Darauf machte ich eine Visite bei Hrn. Suck. So alt und mit Steinschmerzen er auch behaftet ist, ist er doch noch munter. Er ist aus dem Meklenburgischen und noch ein Schüler vom grossen Wolf und Fabrizius in Hamburg. Er kan der Steinschmerzen wegen nicht mehr fahren, sondern muß sich meist tragen lassen. Oft hat er sie schrecklich unter der Predigt. Er sprach von seinen im Haag, Friedberg und Hamburg zerstreu- ten Kindern. Die älteste und die jüngste Tochter sind diesem alten Vater allein noch übrig geblieben.
Hr. Kandidat Reismann besuchte mich heute auch. Er ist von Plauen gebürtig, kam erst als Hofmeister nach Erlangen, und dann hierher. Er ist mit vielen Sachen in der Stadt gut bekannt. Hr. General von Frise schickte ihn zu mir. Jetzt privatisirt er, und gibt hie und da Lehrstunden.
Heute erzählte man mir vom Pabste folgende Anek- doten, die von sichrer Hand sind:
Als ihn der Kaiser von Neustadt nach Wien an Baaden vorbeiführte, und zu ihm sagte: "Sehen Sie, "da sind unsre Bäder", versetzte er: "Ja, die herrlichen "Wasser von Spaa"! So klein ist seine Kenntnis der Welt, so armselig sein Urtheil von der Grösse des Römi- schen Reichs. Man sagte ihm vom Archivarius Schmidt. Dem Namen nach hielt er ihn für einen Ketzer. Man sagte ihm, Hr. Schmidt wäre schon beim Bischoff
von
H h 4
tung gaͤbe es hier nicht. — Mancher Schneider und Schuſter lebe hier beſſer, als der groͤßte Kaufmann in Leipzig und Frankfurt. Die Wiener Meſſe ſei nur fuͤr die hieſigen, man bekomme in den Gewoͤlbern alles wohlfeiler.
Darauf machte ich eine Viſite bei Hrn. Suck. So alt und mit Steinſchmerzen er auch behaftet iſt, iſt er doch noch munter. Er iſt aus dem Meklenburgiſchen und noch ein Schuͤler vom groſſen Wolf und Fabrizius in Hamburg. Er kan der Steinſchmerzen wegen nicht mehr fahren, ſondern muß ſich meiſt tragen laſſen. Oft hat er ſie ſchrecklich unter der Predigt. Er ſprach von ſeinen im Haag, Friedberg und Hamburg zerſtreu- ten Kindern. Die aͤlteſte und die juͤngſte Tochter ſind dieſem alten Vater allein noch uͤbrig geblieben.
Hr. Kandidat Reismann beſuchte mich heute auch. Er iſt von Plauen gebuͤrtig, kam erſt als Hofmeiſter nach Erlangen, und dann hierher. Er iſt mit vielen Sachen in der Stadt gut bekannt. Hr. General von Friſe ſchickte ihn zu mir. Jetzt privatiſirt er, und gibt hie und da Lehrſtunden.
Heute erzaͤhlte man mir vom Pabſte folgende Anek- doten, die von ſichrer Hand ſind:
Als ihn der Kaiſer von Neuſtadt nach Wien an Baaden vorbeifuͤhrte, und zu ihm ſagte: „Sehen Sie, „da ſind unſre Baͤder“, verſetzte er: „Ja, die herrlichen „Waſſer von Spaa“! So klein iſt ſeine Kenntnis der Welt, ſo armſelig ſein Urtheil von der Groͤſſe des Roͤmi- ſchen Reichs. Man ſagte ihm vom Archivarius Schmidt. Dem Namen nach hielt er ihn fuͤr einen Ketzer. Man ſagte ihm, Hr. Schmidt waͤre ſchon beim Biſchoff
von
H h 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0525"n="487"/>
tung gaͤbe es hier nicht. — Mancher Schneider und<lb/>
Schuſter lebe hier beſſer, als der groͤßte Kaufmann in<lb/><hirendition="#fr">Leipzig</hi> und <hirendition="#fr">Frankfurt.</hi> Die <hirendition="#fr">Wien</hi>er Meſſe ſei nur<lb/>
fuͤr die hieſigen, man bekomme in den Gewoͤlbern alles<lb/>
wohlfeiler.</p><lb/><p>Darauf machte ich eine Viſite bei Hrn. <hirendition="#fr">Suck.</hi> So<lb/>
alt und mit Steinſchmerzen er auch behaftet iſt, iſt er<lb/>
doch noch munter. Er iſt aus dem <hirendition="#fr">Meklenburg</hi>iſchen<lb/>
und noch ein Schuͤler vom groſſen <hirendition="#fr">Wolf</hi> und <hirendition="#fr">Fabrizius</hi><lb/>
in <hirendition="#fr">Hamburg.</hi> Er kan der Steinſchmerzen wegen nicht<lb/>
mehr fahren, ſondern muß ſich meiſt tragen laſſen. Oft<lb/>
hat er ſie ſchrecklich unter der Predigt. Er ſprach von<lb/>ſeinen im <hirendition="#fr">Haag, Friedberg</hi> und <hirendition="#fr">Hamburg</hi> zerſtreu-<lb/>
ten Kindern. Die aͤlteſte und die juͤngſte Tochter ſind<lb/>
dieſem alten Vater allein noch uͤbrig geblieben.</p><lb/><p>Hr. Kandidat <hirendition="#fr">Reismann</hi> beſuchte mich heute auch.<lb/>
Er iſt von <hirendition="#fr">Plauen</hi> gebuͤrtig, kam erſt als Hofmeiſter<lb/>
nach <hirendition="#fr">Erlangen,</hi> und dann hierher. Er iſt mit vielen<lb/>
Sachen in der Stadt gut bekannt. Hr. General <hirendition="#fr">von<lb/>
Friſe</hi>ſchickte ihn zu mir. Jetzt privatiſirt er, und gibt<lb/>
hie und da Lehrſtunden.</p><lb/><p>Heute erzaͤhlte man mir vom <hirendition="#fr">Pabſte</hi> folgende Anek-<lb/>
doten, die von ſichrer Hand ſind:</p><lb/><p>Als ihn der Kaiſer von <hirendition="#fr">Neuſtadt</hi> nach <hirendition="#fr">Wien</hi> an<lb/><hirendition="#fr">Baaden</hi> vorbeifuͤhrte, und zu ihm ſagte: „Sehen Sie,<lb/>„da ſind unſre Baͤder“, verſetzte er: „Ja, die herrlichen<lb/>„Waſſer von <hirendition="#fr">Spaa</hi>“! So klein iſt ſeine Kenntnis der<lb/>
Welt, ſo armſelig ſein Urtheil von der Groͤſſe des <hirendition="#fr">Roͤmi-</hi><lb/>ſchen Reichs. Man ſagte ihm vom Archivarius <hirendition="#fr">Schmidt.</hi><lb/>
Dem Namen nach hielt er ihn fuͤr einen Ketzer. Man<lb/>ſagte ihm, Hr. <hirendition="#fr">Schmidt</hi> waͤre ſchon beim Biſchoff<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H h 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">von</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[487/0525]
tung gaͤbe es hier nicht. — Mancher Schneider und
Schuſter lebe hier beſſer, als der groͤßte Kaufmann in
Leipzig und Frankfurt. Die Wiener Meſſe ſei nur
fuͤr die hieſigen, man bekomme in den Gewoͤlbern alles
wohlfeiler.
Darauf machte ich eine Viſite bei Hrn. Suck. So
alt und mit Steinſchmerzen er auch behaftet iſt, iſt er
doch noch munter. Er iſt aus dem Meklenburgiſchen
und noch ein Schuͤler vom groſſen Wolf und Fabrizius
in Hamburg. Er kan der Steinſchmerzen wegen nicht
mehr fahren, ſondern muß ſich meiſt tragen laſſen. Oft
hat er ſie ſchrecklich unter der Predigt. Er ſprach von
ſeinen im Haag, Friedberg und Hamburg zerſtreu-
ten Kindern. Die aͤlteſte und die juͤngſte Tochter ſind
dieſem alten Vater allein noch uͤbrig geblieben.
Hr. Kandidat Reismann beſuchte mich heute auch.
Er iſt von Plauen gebuͤrtig, kam erſt als Hofmeiſter
nach Erlangen, und dann hierher. Er iſt mit vielen
Sachen in der Stadt gut bekannt. Hr. General von
Friſe ſchickte ihn zu mir. Jetzt privatiſirt er, und gibt
hie und da Lehrſtunden.
Heute erzaͤhlte man mir vom Pabſte folgende Anek-
doten, die von ſichrer Hand ſind:
Als ihn der Kaiſer von Neuſtadt nach Wien an
Baaden vorbeifuͤhrte, und zu ihm ſagte: „Sehen Sie,
„da ſind unſre Baͤder“, verſetzte er: „Ja, die herrlichen
„Waſſer von Spaa“! So klein iſt ſeine Kenntnis der
Welt, ſo armſelig ſein Urtheil von der Groͤſſe des Roͤmi-
ſchen Reichs. Man ſagte ihm vom Archivarius Schmidt.
Dem Namen nach hielt er ihn fuͤr einen Ketzer. Man
ſagte ihm, Hr. Schmidt waͤre ſchon beim Biſchoff
von
H h 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/525>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.