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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Wer sind sie? fragte der andre, Donus, Donas
machte der dritte aus dem Namen des Dichters, nun
hatte ich genug, und lies die Unwürdigen ohne Kompli-
mente stehen. -- Trauriges Schicksal der hellsten und
fähigsten Köpfe, daß ihre Lichtstralen immer mehr in der
Ferne wirken, als in der Nähe! Bei solchen und ähnli-
chen Auftritten dankt man's freilich der Vorsehung, daß
sie einmahl einen Fürsten auf den Thron setzte, der nicht
vergeblich leben und die Majestät seiner Würde geniessen
will.

Mir wiederfuhr indessen doch hier die Ehre, daß ein
Hildburghäusischer Geh. Rath Hr. von Fischer mit sei-
ner Gemahlin, und ein Kaiserl. alter christlicher General
von Frise, der ebenfalls mit seiner Gemahlin meine Schrif-
ten, besonders die von der Vorsehung etc. liest, mich
zu sich bitten liessen.

Obgleich Bürger und Handwerksleute hier sehr
leicht viel Geld verdienen, und sich alles schrecklich bezah-
len lassen, so verzehren sie auch wieder alles eben so
schnell; denn Jedermann ist hier, wie ich schon gesagt,
in der Ueppigkeit ersoffen, und einer lernt das Schwelgen
vom andern, z. B. Leute von der gemeinsten Gattung
gehen in den Prater spazieren, fahren im Karoussel
einen ganzen Nachmittag, und fressen und saufen bis auf
den Abend.

Daher ists kein Wunder, daß auch die Domesti-
ken
verdorben sind. Wer im Hause ißt, z. B. Haus-
knecht, Köchin, Stubenmagd etc. verlangt nicht nur alle
Mahlzeiten Suppe, Rindfleisch, Gemüse und Beilage,
sondern man muß ihnen noch ausserdem das sogenannte
Fastengeld geben, d. h. statt des Bratens gibt man

dem

Wer ſind ſie? fragte der andre, Donus, Donas
machte der dritte aus dem Namen des Dichters, nun
hatte ich genug, und lies die Unwuͤrdigen ohne Kompli-
mente ſtehen. — Trauriges Schickſal der hellſten und
faͤhigſten Koͤpfe, daß ihre Lichtſtralen immer mehr in der
Ferne wirken, als in der Naͤhe! Bei ſolchen und aͤhnli-
chen Auftritten dankt man’s freilich der Vorſehung, daß
ſie einmahl einen Fuͤrſten auf den Thron ſetzte, der nicht
vergeblich leben und die Majeſtaͤt ſeiner Wuͤrde genieſſen
will.

Mir wiederfuhr indeſſen doch hier die Ehre, daß ein
Hildburghaͤuſiſcher Geh. Rath Hr. von Fiſcher mit ſei-
ner Gemahlin, und ein Kaiſerl. alter chriſtlicher General
von Friſe, der ebenfalls mit ſeiner Gemahlin meine Schrif-
ten, beſonders die von der Vorſehung ꝛc. lieſt, mich
zu ſich bitten lieſſen.

Obgleich Buͤrger und Handwerksleute hier ſehr
leicht viel Geld verdienen, und ſich alles ſchrecklich bezah-
len laſſen, ſo verzehren ſie auch wieder alles eben ſo
ſchnell; denn Jedermann iſt hier, wie ich ſchon geſagt,
in der Ueppigkeit erſoffen, und einer lernt das Schwelgen
vom andern, z. B. Leute von der gemeinſten Gattung
gehen in den Prater ſpazieren, fahren im Karouſſel
einen ganzen Nachmittag, und freſſen und ſaufen bis auf
den Abend.

Daher iſts kein Wunder, daß auch die Domeſti-
ken
verdorben ſind. Wer im Hauſe ißt, z. B. Haus-
knecht, Koͤchin, Stubenmagd ꝛc. verlangt nicht nur alle
Mahlzeiten Suppe, Rindfleiſch, Gemuͤſe und Beilage,
ſondern man muß ihnen noch auſſerdem das ſogenannte
Faſtengeld geben, d. h. ſtatt des Bratens gibt man

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[476/0514] Wer ſind ſie? fragte der andre, Donus, Donas machte der dritte aus dem Namen des Dichters, nun hatte ich genug, und lies die Unwuͤrdigen ohne Kompli- mente ſtehen. — Trauriges Schickſal der hellſten und faͤhigſten Koͤpfe, daß ihre Lichtſtralen immer mehr in der Ferne wirken, als in der Naͤhe! Bei ſolchen und aͤhnli- chen Auftritten dankt man’s freilich der Vorſehung, daß ſie einmahl einen Fuͤrſten auf den Thron ſetzte, der nicht vergeblich leben und die Majeſtaͤt ſeiner Wuͤrde genieſſen will. Mir wiederfuhr indeſſen doch hier die Ehre, daß ein Hildburghaͤuſiſcher Geh. Rath Hr. von Fiſcher mit ſei- ner Gemahlin, und ein Kaiſerl. alter chriſtlicher General von Friſe, der ebenfalls mit ſeiner Gemahlin meine Schrif- ten, beſonders die von der Vorſehung ꝛc. lieſt, mich zu ſich bitten lieſſen. Obgleich Buͤrger und Handwerksleute hier ſehr leicht viel Geld verdienen, und ſich alles ſchrecklich bezah- len laſſen, ſo verzehren ſie auch wieder alles eben ſo ſchnell; denn Jedermann iſt hier, wie ich ſchon geſagt, in der Ueppigkeit erſoffen, und einer lernt das Schwelgen vom andern, z. B. Leute von der gemeinſten Gattung gehen in den Prater ſpazieren, fahren im Karouſſel einen ganzen Nachmittag, und freſſen und ſaufen bis auf den Abend. Daher iſts kein Wunder, daß auch die Domeſti- ken verdorben ſind. Wer im Hauſe ißt, z. B. Haus- knecht, Koͤchin, Stubenmagd ꝛc. verlangt nicht nur alle Mahlzeiten Suppe, Rindfleiſch, Gemuͤſe und Beilage, ſondern man muß ihnen noch auſſerdem das ſogenannte Faſtengeld geben, d. h. ſtatt des Bratens gibt man dem

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/514>, abgerufen am 24.11.2024.