Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Tyrol, Bayern, Salzburg; Marmor mit
Schwefelkies; ein Stück Marmor, auf welchen ein weis-
ser Circellus mit einem schwarzen Mittelpunkt; und
alle diese Stücke sind im Zuchthause, wie Spiegel polirt
worden; Marmor von Altorf mit grossen Ammoniten;
drei Korallenzinken, die oben so zusammen gewachsen
sind, daß sie überall geschlossen sind; eine sehr grosse
Granate, (die auch in Augspurg sehr wohlfeil geschlif-
fen worden;) ein Stück Bernstein, roth und hell, wie
der schönste Honig; Stücke von einem versteinerten
Ochsenkopf,
die im Ulmischen gefunden worden, und
welche die Metzger noch erkannt haben; Steinkohlen
von Lebstein, auch im Gebiete der Stadt Ulm; Ga-
gat
aus dem Würtembergischen, und bei dieser Gele-
genheit will ich Ihnen sagen, daß wir im Lande eben so
schönen Gagat haben, nämlich bei Ober-Eggenen in
der Landgrafschaft Sausenberg.

Das Ulmer Münster kan Sie, wenn Sie ein-
mal dahin kommen, einen halben Tag beschäftigen. Ein
altes, massives, weitläuftiges, ehrwürdiges Gebäude, an
dem man die Geduld, die Arbeitsamkeit, den festen Sinn,
und den soliden Geschmack der Vorfahren bewundern muß.
In der Sakristei hängt eine herrliche Geburt Christi von
Rottenhammer. Das Gebäude selber ist im 11. Jahr-
hundert aufgeführt worden. Bis auf den Platz, wo die
Wächter wohnen, geht man 401. Stufen hinauf. Kai-
ser Maximilianus I. war auch hier oben, und schenkte
hernach sein Gemälde hierher. Es hängt ohne alle Ein-
fassung und Bedeckung an der Wand, und doch haben
sich die Farben ungemein wohl erhalten. Der Kaiser
war, nach diesem Bilde zu urtheilen, ein schöner lieber

Mann.

aus Tyrol, Bayern, Salzburg; Marmor mit
Schwefelkies; ein Stuͤck Marmor, auf welchen ein weiſ-
ſer Circellus mit einem ſchwarzen Mittelpunkt; und
alle dieſe Stuͤcke ſind im Zuchthauſe, wie Spiegel polirt
worden; Marmor von Altorf mit groſſen Ammoniten;
drei Korallenzinken, die oben ſo zuſammen gewachſen
ſind, daß ſie uͤberall geſchloſſen ſind; eine ſehr groſſe
Granate, (die auch in Augſpurg ſehr wohlfeil geſchlif-
fen worden;) ein Stuͤck Bernſtein, roth und hell, wie
der ſchoͤnſte Honig; Stuͤcke von einem verſteinerten
Ochſenkopf,
die im Ulmiſchen gefunden worden, und
welche die Metzger noch erkannt haben; Steinkohlen
von Lebſtein, auch im Gebiete der Stadt Ulm; Ga-
gat
aus dem Wuͤrtembergiſchen, und bei dieſer Gele-
genheit will ich Ihnen ſagen, daß wir im Lande eben ſo
ſchoͤnen Gagat haben, naͤmlich bei Ober-Eggenen in
der Landgrafſchaft Sauſenberg.

Das Ulmer Muͤnſter kan Sie, wenn Sie ein-
mal dahin kommen, einen halben Tag beſchaͤftigen. Ein
altes, maſſives, weitlaͤuftiges, ehrwuͤrdiges Gebaͤude, an
dem man die Geduld, die Arbeitſamkeit, den feſten Sinn,
und den ſoliden Geſchmack der Vorfahren bewundern muß.
In der Sakriſtei haͤngt eine herrliche Geburt Chriſti von
Rottenhammer. Das Gebaͤude ſelber iſt im 11. Jahr-
hundert aufgefuͤhrt worden. Bis auf den Platz, wo die
Waͤchter wohnen, geht man 401. Stufen hinauf. Kai-
ſer Maximilianus I. war auch hier oben, und ſchenkte
hernach ſein Gemaͤlde hierher. Es haͤngt ohne alle Ein-
faſſung und Bedeckung an der Wand, und doch haben
ſich die Farben ungemein wohl erhalten. Der Kaiſer
war, nach dieſem Bilde zu urtheilen, ein ſchoͤner lieber

Mann.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0051" n="13"/>
aus <hi rendition="#fr">Tyrol, Bayern, Salzburg;</hi> Marmor mit<lb/>
Schwefelkies; ein Stu&#x0364;ck Marmor, auf welchen ein wei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er <hi rendition="#aq">Circellus</hi> mit einem &#x017F;chwarzen Mittelpunkt; und<lb/>
alle die&#x017F;e Stu&#x0364;cke &#x017F;ind im Zuchthau&#x017F;e, wie Spiegel polirt<lb/>
worden; Marmor von <hi rendition="#fr">Altorf</hi> mit gro&#x017F;&#x017F;en Ammoniten;<lb/>
drei <hi rendition="#fr">Korallenzinken,</hi> die oben &#x017F;o zu&#x017F;ammen gewach&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ind, daß &#x017F;ie u&#x0364;berall ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind; eine &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;e<lb/><hi rendition="#fr">Granate,</hi> (die auch in <hi rendition="#fr">Aug&#x017F;purg</hi> &#x017F;ehr wohlfeil ge&#x017F;chlif-<lb/>
fen worden;) ein Stu&#x0364;ck <hi rendition="#fr">Bern&#x017F;tein,</hi> roth und hell, wie<lb/>
der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Honig; Stu&#x0364;cke von einem <hi rendition="#fr">ver&#x017F;teinerten<lb/>
Och&#x017F;enkopf,</hi> die im <hi rendition="#fr">Ulm</hi>i&#x017F;chen gefunden worden, und<lb/>
welche die Metzger noch erkannt haben; <hi rendition="#fr">Steinkohlen</hi><lb/>
von <hi rendition="#fr">Leb&#x017F;tein,</hi> auch im Gebiete der Stadt <hi rendition="#fr">Ulm; Ga-<lb/>
gat</hi> aus dem <hi rendition="#fr">Wu&#x0364;rtemb</hi>ergi&#x017F;chen, und bei die&#x017F;er Gele-<lb/>
genheit will ich Ihnen &#x017F;agen, daß wir im Lande eben &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen <hi rendition="#fr">Gagat</hi> haben, na&#x0364;mlich bei <hi rendition="#fr">Ober-Eggenen</hi> in<lb/>
der Landgraf&#x017F;chaft <hi rendition="#fr">Sau&#x017F;enberg.</hi></p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#fr">Ulmer Mu&#x0364;n&#x017F;ter</hi> kan Sie, wenn Sie ein-<lb/>
mal dahin kommen, einen halben Tag be&#x017F;cha&#x0364;ftigen. Ein<lb/>
altes, ma&#x017F;&#x017F;ives, weitla&#x0364;uftiges, ehrwu&#x0364;rdiges Geba&#x0364;ude, an<lb/>
dem man die Geduld, die Arbeit&#x017F;amkeit, den fe&#x017F;ten Sinn,<lb/>
und den &#x017F;oliden Ge&#x017F;chmack der Vorfahren bewundern muß.<lb/>
In der Sakri&#x017F;tei ha&#x0364;ngt eine herrliche Geburt Chri&#x017F;ti von<lb/><hi rendition="#fr">Rottenhammer.</hi> Das Geba&#x0364;ude &#x017F;elber i&#x017F;t im 11. Jahr-<lb/>
hundert aufgefu&#x0364;hrt worden. Bis auf den Platz, wo die<lb/>
Wa&#x0364;chter wohnen, geht man 401. Stufen hinauf. Kai-<lb/>
&#x017F;er <hi rendition="#fr">Maximilianus</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi> war auch hier oben, und &#x017F;chenkte<lb/>
hernach &#x017F;ein Gema&#x0364;lde hierher. Es ha&#x0364;ngt ohne alle Ein-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung und Bedeckung an der Wand, und doch haben<lb/>
&#x017F;ich die Farben ungemein wohl erhalten. Der Kai&#x017F;er<lb/>
war, nach die&#x017F;em Bilde zu urtheilen, ein &#x017F;cho&#x0364;ner lieber<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mann.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0051] aus Tyrol, Bayern, Salzburg; Marmor mit Schwefelkies; ein Stuͤck Marmor, auf welchen ein weiſ- ſer Circellus mit einem ſchwarzen Mittelpunkt; und alle dieſe Stuͤcke ſind im Zuchthauſe, wie Spiegel polirt worden; Marmor von Altorf mit groſſen Ammoniten; drei Korallenzinken, die oben ſo zuſammen gewachſen ſind, daß ſie uͤberall geſchloſſen ſind; eine ſehr groſſe Granate, (die auch in Augſpurg ſehr wohlfeil geſchlif- fen worden;) ein Stuͤck Bernſtein, roth und hell, wie der ſchoͤnſte Honig; Stuͤcke von einem verſteinerten Ochſenkopf, die im Ulmiſchen gefunden worden, und welche die Metzger noch erkannt haben; Steinkohlen von Lebſtein, auch im Gebiete der Stadt Ulm; Ga- gat aus dem Wuͤrtembergiſchen, und bei dieſer Gele- genheit will ich Ihnen ſagen, daß wir im Lande eben ſo ſchoͤnen Gagat haben, naͤmlich bei Ober-Eggenen in der Landgrafſchaft Sauſenberg. Das Ulmer Muͤnſter kan Sie, wenn Sie ein- mal dahin kommen, einen halben Tag beſchaͤftigen. Ein altes, maſſives, weitlaͤuftiges, ehrwuͤrdiges Gebaͤude, an dem man die Geduld, die Arbeitſamkeit, den feſten Sinn, und den ſoliden Geſchmack der Vorfahren bewundern muß. In der Sakriſtei haͤngt eine herrliche Geburt Chriſti von Rottenhammer. Das Gebaͤude ſelber iſt im 11. Jahr- hundert aufgefuͤhrt worden. Bis auf den Platz, wo die Waͤchter wohnen, geht man 401. Stufen hinauf. Kai- ſer Maximilianus I. war auch hier oben, und ſchenkte hernach ſein Gemaͤlde hierher. Es haͤngt ohne alle Ein- faſſung und Bedeckung an der Wand, und doch haben ſich die Farben ungemein wohl erhalten. Der Kaiſer war, nach dieſem Bilde zu urtheilen, ein ſchoͤner lieber Mann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/51
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/51>, abgerufen am 21.11.2024.