viel ein, als das ganze Fürstenthum Hechingen, e[t]li- che 30,000. Gulden.
Das Benediziren des Pabstes hörte heute Mittag um 11. Uhr auf; Da geschah es zum letztenmahle, um 12. Uhr jagte die Wache das Volk vom Platze und oben von den Basteien weg. Man sagt, der Kaiser habe das Laufen des Landvolks nach der Stadt endlich nicht mehr leiden wollen. Ich sprach Leute aus Oedenburg in Ungarn, die mit zehnjährigen Kindern hieher reisten, beim Pabst Audienz suchten, ihm die Kinder vor- stellten, und ihn baten, sie einzusegnen. -- Grade, wie man unserm Erlöser Kinder zuführte!
Um Mittag sah ich den Kaiser in einem simplen Wagen mit 2. Engelländern bespannt, ausfahren, ohne Vorreiter, hinten stand ein einziger Bedienter auf.
Es war wieder so kalte rauhe Luft in der Stadt, daß das Gehen sehr mühsam war. Ueberhaupt gestehen die Einwohner, daß immer eine sehr kalte Lust, und strenge Winde in Wien herrschend wären; es hatten auch gar viele Leute das Fieber.
Nach Tische machte ich einen Spaziergang nach der Leopoldsvorstadt, die einen unglaublichen Umfang hat. Schön sind besonders die umliegenden Gegenden und die breiten Wege zwischen der Stadt und den Vorstädten.
Bemerkungen.
Die Kleidung des Wiener Frauenzimmers ist wirk- lich niedlich und der Kopfputz bei weitem nicht so unmäs- sig und närrisch, wie in andern Städten. Kommt das etwa daher, daß keine Kaiserin, keine Monarchin in der Stadt ist, die den hohen Ton angibt?
Man
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viel ein, als das ganze Fuͤrſtenthum Hechingen, e[t]li- che 30,000. Gulden.
Das Benediziren des Pabſtes hoͤrte heute Mittag um 11. Uhr auf; Da geſchah es zum letztenmahle, um 12. Uhr jagte die Wache das Volk vom Platze und oben von den Baſteien weg. Man ſagt, der Kaiſer habe das Laufen des Landvolks nach der Stadt endlich nicht mehr leiden wollen. Ich ſprach Leute aus Oedenburg in Ungarn, die mit zehnjaͤhrigen Kindern hieher reiſten, beim Pabſt Audienz ſuchten, ihm die Kinder vor- ſtellten, und ihn baten, ſie einzuſegnen. — Grade, wie man unſerm Erloͤſer Kinder zufuͤhrte!
Um Mittag ſah ich den Kaiſer in einem ſimplen Wagen mit 2. Engellaͤndern beſpannt, ausfahren, ohne Vorreiter, hinten ſtand ein einziger Bedienter auf.
Es war wieder ſo kalte rauhe Luft in der Stadt, daß das Gehen ſehr muͤhſam war. Ueberhaupt geſtehen die Einwohner, daß immer eine ſehr kalte Luſt, und ſtrenge Winde in Wien herrſchend waͤren; es hatten auch gar viele Leute das Fieber.
Nach Tiſche machte ich einen Spaziergang nach der Leopoldsvorſtadt, die einen unglaublichen Umfang hat. Schoͤn ſind beſonders die umliegenden Gegenden und die breiten Wege zwiſchen der Stadt und den Vorſtaͤdten.
Bemerkungen.
Die Kleidung des Wiener Frauenzimmers iſt wirk- lich niedlich und der Kopfputz bei weitem nicht ſo unmaͤſ- ſig und naͤrriſch, wie in andern Staͤdten. Kommt das etwa daher, daß keine Kaiſerin, keine Monarchin in der Stadt iſt, die den hohen Ton angibt?
Man
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Das Benediziren des Pabſtes hoͤrte heute Mittag
um 11. Uhr auf; Da geſchah es zum letztenmahle, um
12. Uhr jagte die Wache das Volk vom Platze und oben
von den Baſteien weg. Man ſagt, der Kaiſer habe
das Laufen des Landvolks nach der Stadt endlich nicht
mehr leiden wollen. Ich ſprach Leute aus Oedenburg
in Ungarn, die mit zehnjaͤhrigen Kindern hieher
reiſten, beim Pabſt Audienz ſuchten, ihm die Kinder vor-
ſtellten, und ihn baten, ſie einzuſegnen. — Grade, wie
man unſerm Erloͤſer Kinder zufuͤhrte!
Um Mittag ſah ich den Kaiſer in einem ſimplen
Wagen mit 2. Engellaͤndern beſpannt, ausfahren, ohne
Vorreiter, hinten ſtand ein einziger Bedienter auf.
Es war wieder ſo kalte rauhe Luft in der Stadt, daß
das Gehen ſehr muͤhſam war. Ueberhaupt geſtehen die
Einwohner, daß immer eine ſehr kalte Luſt, und ſtrenge
Winde in Wien herrſchend waͤren; es hatten auch gar
viele Leute das Fieber.
Nach Tiſche machte ich einen Spaziergang nach der
Leopoldsvorſtadt, die einen unglaublichen Umfang hat.
Schoͤn ſind beſonders die umliegenden Gegenden und die
breiten Wege zwiſchen der Stadt und den Vorſtaͤdten.
Bemerkungen.
Die Kleidung des Wiener Frauenzimmers iſt wirk-
lich niedlich und der Kopfputz bei weitem nicht ſo unmaͤſ-
ſig und naͤrriſch, wie in andern Staͤdten. Kommt das
etwa daher, daß keine Kaiſerin, keine Monarchin in der
Stadt iſt, die den hohen Ton angibt?
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/507>, abgerufen am 24.11.2024.
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