in der Lauge einen ganzen Tag gekocht. Man sieht hier keine andre Knochen vom Ochsen, als die Vorder- und die Hinterfüsse. Die Schenkelknochen, sagten die Leute, sind zu hart, und werden nicht rund. Hundert Knochen Postfrei von Strasburg nach Geißlingen in eignen Güterfuhren gebracht, kosten 3. Gulden und 20. Kr. Die Vorderknochen sind etwas breiter, die hintern sind schon von Natur mehr rund. Knochen von gar zu jun- gen Kälbern können sie nicht brauchen, sie sind zu weich und brechen unter der Arbeit. Aber vom Schmahlvieh werden die Knochen gebraucht, doch gelten sie nicht so viel, als die von den Ochsen. Der Mann, dessen Werk- stätte ich besuchte, war ein gelernter Holzdreher, und er versicherte mich, daß er ohne Mühe, wiewohl doch einige Instrumente anders aussehen, das Beindrechslen in Am- sterdam gelernt habe. Der Knochen wird eben so, wie das Holz, in einen Drehstuhl eingespannt, und läuft, indessen, daß der Kerl daran arbeitet, beständig herum. Zum Schraubendrehen haben sie eigne Werkzeuge. Sie machen Nadelbüchschen, Spulen, Geldbüchschen, Spie- le, kleine Schränke, Knöpfe, Aufsätze, Leuchter, Ohren- löffel, Kinderspielsachen, Becher, Kugeln etc. Wohl- feil ist die Arbeit sehr, man begreift kaum, wie die Leute davon leben können, und doch sind fast 30. Meister in dem Städtchen.
Die Geißlinger schicken viel Waaren nach Stras- burg, von dort gehen sie nach Bordeaux, Aix, Au- xerre etc. Ich fragte auch nach der Anwendung, die sie von den abfallenden Spänen machen, die sehr fein, wie Staub werden. Ehemals holten sie die Bauern vom Lande, und düngten die Felder damit, zahlten aber fast
nichts
in der Lauge einen ganzen Tag gekocht. Man ſieht hier keine andre Knochen vom Ochſen, als die Vorder- und die Hinterfuͤſſe. Die Schenkelknochen, ſagten die Leute, ſind zu hart, und werden nicht rund. Hundert Knochen Poſtfrei von Strasburg nach Geißlingen in eignen Guͤterfuhren gebracht, koſten 3. Gulden und 20. Kr. Die Vorderknochen ſind etwas breiter, die hintern ſind ſchon von Natur mehr rund. Knochen von gar zu jun- gen Kaͤlbern koͤnnen ſie nicht brauchen, ſie ſind zu weich und brechen unter der Arbeit. Aber vom Schmahlvieh werden die Knochen gebraucht, doch gelten ſie nicht ſo viel, als die von den Ochſen. Der Mann, deſſen Werk- ſtaͤtte ich beſuchte, war ein gelernter Holzdreher, und er verſicherte mich, daß er ohne Muͤhe, wiewohl doch einige Inſtrumente anders ausſehen, das Beindrechslen in Am- ſterdam gelernt habe. Der Knochen wird eben ſo, wie das Holz, in einen Drehſtuhl eingeſpannt, und laͤuft, indeſſen, daß der Kerl daran arbeitet, beſtaͤndig herum. Zum Schraubendrehen haben ſie eigne Werkzeuge. Sie machen Nadelbuͤchschen, Spulen, Geldbuͤchschen, Spie- le, kleine Schraͤnke, Knoͤpfe, Aufſaͤtze, Leuchter, Ohren- loͤffel, Kinderſpielſachen, Becher, Kugeln ꝛc. Wohl- feil iſt die Arbeit ſehr, man begreift kaum, wie die Leute davon leben koͤnnen, und doch ſind faſt 30. Meiſter in dem Staͤdtchen.
Die Geißlinger ſchicken viel Waaren nach Stras- burg, von dort gehen ſie nach Bordeaux, Aix, Au- xerre ꝛc. Ich fragte auch nach der Anwendung, die ſie von den abfallenden Spaͤnen machen, die ſehr fein, wie Staub werden. Ehemals holten ſie die Bauern vom Lande, und duͤngten die Felder damit, zahlten aber faſt
nichts
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in der Lauge einen ganzen Tag gekocht. Man ſieht hier
keine andre Knochen vom Ochſen, als die Vorder- und
die Hinterfuͤſſe. Die Schenkelknochen, ſagten die Leute,
ſind zu hart, und werden nicht rund. Hundert Knochen
Poſtfrei von Strasburg nach Geißlingen in eignen
Guͤterfuhren gebracht, koſten 3. Gulden und 20. Kr.
Die Vorderknochen ſind etwas breiter, die hintern ſind
ſchon von Natur mehr rund. Knochen von gar zu jun-
gen Kaͤlbern koͤnnen ſie nicht brauchen, ſie ſind zu weich
und brechen unter der Arbeit. Aber vom Schmahlvieh
werden die Knochen gebraucht, doch gelten ſie nicht ſo
viel, als die von den Ochſen. Der Mann, deſſen Werk-
ſtaͤtte ich beſuchte, war ein gelernter Holzdreher, und er
verſicherte mich, daß er ohne Muͤhe, wiewohl doch einige
Inſtrumente anders ausſehen, das Beindrechslen in Am-
ſterdam gelernt habe. Der Knochen wird eben ſo, wie
das Holz, in einen Drehſtuhl eingeſpannt, und laͤuft,
indeſſen, daß der Kerl daran arbeitet, beſtaͤndig herum.
Zum Schraubendrehen haben ſie eigne Werkzeuge. Sie
machen Nadelbuͤchschen, Spulen, Geldbuͤchschen, Spie-
le, kleine Schraͤnke, Knoͤpfe, Aufſaͤtze, Leuchter, Ohren-
loͤffel, Kinderſpielſachen, Becher, Kugeln ꝛc. Wohl-
feil iſt die Arbeit ſehr, man begreift kaum, wie die Leute
davon leben koͤnnen, und doch ſind faſt 30. Meiſter in
dem Staͤdtchen.
Die Geißlinger ſchicken viel Waaren nach Stras-
burg, von dort gehen ſie nach Bordeaux, Aix, Au-
xerre ꝛc. Ich fragte auch nach der Anwendung, die ſie
von den abfallenden Spaͤnen machen, die ſehr fein, wie
Staub werden. Ehemals holten ſie die Bauern vom
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/49>, abgerufen am 21.11.2024.
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