senden bekommen hat. Man kan sie am Morgen früh in den Häusern singen hören, und um Mittag hören Sie im stillen Dorfe fast in jedem Hause das Gebet der Kin- der zum Essen. Ich gestehe Ihnen, liebste Freun- din! daß mir das ungemein wohl gefiel. In Frank- reich hab' ich das aufm Lande nie gefunden.
Hinter Blochingen kommt man in das Filsthal, eine wirklich sehr tiefliegende Gegend, die von der Fils durchströmt wird. Göppingen scheint ein sehr nahrhaf- ter Ort zu seyn. Seine Felder lagen jetzt meist in der Brache, und so ganz mit Steinen bedeckt, hab' ich noch nirgends die Aecker gefunden, wie hier. Die Bauern aber sagten mir, daß sie demohngeachtet viele Früchte trügen, sie müßten den Dünger zwischen die Stei- ne hineinbringen. Am frühen Morgen sah ich da, daß die Schwalben sich schon (den 25. Sept.) zum Weg- ziehen versammelten. Weiter hinein wird das Land rau- her, Gebürge, wie die Alpen, schliessen es von beiden Seiten ein, das ist dem Reisenden sehr unangenehm, aber die Majestät dieser waldichten Berge ist doch wirklich mehr, als eingebildet. Dazu kommt das hundertfältige Geklimper der Viehheerden, die auf diesen Abhängen in der Weide gehen. Fast jedes Stück Vieh hat eine Glo- cke am Halse, weil sie sich oft verirren, und durch das Klingeln der Glocke wieder gefunden werden. Oft ist man ganz von diesen hohen Bergen eingeschlossen, und hat ein Thal und Wasser und Wald und Felder vor sich, die ungemein schön von der Natur zusammengestellt sind. Wie oft dacht' ich, wenn die Sonne so lieblich ih- re Stralen über die Gipfel der Berge in den schlängeln- den Bach warf:
Schön
A 5
ſenden bekommen hat. Man kan ſie am Morgen fruͤh in den Haͤuſern ſingen hoͤren, und um Mittag hoͤren Sie im ſtillen Dorfe faſt in jedem Hauſe das Gebet der Kin- der zum Eſſen. Ich geſtehe Ihnen, liebſte Freun- din! daß mir das ungemein wohl gefiel. In Frank- reich hab’ ich das aufm Lande nie gefunden.
Hinter Blochingen kommt man in das Filsthal, eine wirklich ſehr tiefliegende Gegend, die von der Fils durchſtroͤmt wird. Goͤppingen ſcheint ein ſehr nahrhaf- ter Ort zu ſeyn. Seine Felder lagen jetzt meiſt in der Brache, und ſo ganz mit Steinen bedeckt, hab’ ich noch nirgends die Aecker gefunden, wie hier. Die Bauern aber ſagten mir, daß ſie demohngeachtet viele Fruͤchte truͤgen, ſie muͤßten den Duͤnger zwiſchen die Stei- ne hineinbringen. Am fruͤhen Morgen ſah ich da, daß die Schwalben ſich ſchon (den 25. Sept.) zum Weg- ziehen verſammelten. Weiter hinein wird das Land rau- her, Gebuͤrge, wie die Alpen, ſchlieſſen es von beiden Seiten ein, das iſt dem Reiſenden ſehr unangenehm, aber die Majeſtaͤt dieſer waldichten Berge iſt doch wirklich mehr, als eingebildet. Dazu kommt das hundertfaͤltige Geklimper der Viehheerden, die auf dieſen Abhaͤngen in der Weide gehen. Faſt jedes Stuͤck Vieh hat eine Glo- cke am Halſe, weil ſie ſich oft verirren, und durch das Klingeln der Glocke wieder gefunden werden. Oft iſt man ganz von dieſen hohen Bergen eingeſchloſſen, und hat ein Thal und Waſſer und Wald und Felder vor ſich, die ungemein ſchoͤn von der Natur zuſammengeſtellt ſind. Wie oft dacht’ ich, wenn die Sonne ſo lieblich ih- re Stralen uͤber die Gipfel der Berge in den ſchlaͤngeln- den Bach warf:
Schoͤn
A 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="3"><p><pbfacs="#f0047"n="9"/>ſenden bekommen hat. Man kan ſie am Morgen fruͤh<lb/>
in den Haͤuſern ſingen hoͤren, und um Mittag hoͤren Sie<lb/>
im ſtillen Dorfe faſt in jedem Hauſe das Gebet der Kin-<lb/>
der zum Eſſen. Ich geſtehe Ihnen, <hirendition="#fr">liebſte Freun-<lb/>
din!</hi> daß mir das ungemein wohl gefiel. In <hirendition="#fr">Frank-<lb/>
reich</hi> hab’ ich das aufm Lande nie gefunden.</p><lb/><p>Hinter <hirendition="#fr">Blochingen</hi> kommt man in das <hirendition="#fr">Filsthal,</hi><lb/>
eine wirklich ſehr tiefliegende Gegend, die von der <hirendition="#fr">Fils</hi><lb/>
durchſtroͤmt wird. <hirendition="#fr">Goͤppingen</hi>ſcheint ein ſehr nahrhaf-<lb/>
ter Ort zu ſeyn. Seine Felder lagen jetzt meiſt in der<lb/>
Brache, und ſo ganz <hirendition="#fr">mit Steinen bedeckt,</hi> hab’ ich<lb/>
noch nirgends die Aecker gefunden, wie hier. Die<lb/>
Bauern aber ſagten mir, daß ſie demohngeachtet viele<lb/>
Fruͤchte truͤgen, ſie muͤßten den Duͤnger zwiſchen die Stei-<lb/>
ne hineinbringen. Am fruͤhen Morgen ſah ich da, daß<lb/>
die <hirendition="#fr">Schwalben</hi>ſich ſchon (den 25. Sept.) zum Weg-<lb/>
ziehen verſammelten. Weiter hinein wird das Land rau-<lb/>
her, Gebuͤrge, wie die Alpen, ſchlieſſen es von beiden<lb/>
Seiten ein, das iſt dem Reiſenden ſehr unangenehm,<lb/>
aber die Majeſtaͤt dieſer waldichten Berge iſt doch wirklich<lb/>
mehr, als eingebildet. Dazu kommt das hundertfaͤltige<lb/>
Geklimper der Viehheerden, die auf dieſen Abhaͤngen in<lb/>
der Weide gehen. Faſt jedes Stuͤck Vieh hat eine Glo-<lb/>
cke am Halſe, weil ſie ſich oft verirren, und durch das<lb/>
Klingeln der Glocke wieder gefunden werden. Oft iſt<lb/>
man ganz von dieſen hohen Bergen eingeſchloſſen, und<lb/>
hat ein Thal und Waſſer und Wald und Felder vor<lb/>ſich, die ungemein ſchoͤn von der Natur zuſammengeſtellt<lb/>ſind. Wie oft dacht’ ich, wenn die Sonne ſo lieblich ih-<lb/>
re Stralen uͤber die Gipfel der Berge in den ſchlaͤngeln-<lb/>
den Bach warf:</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Schoͤn</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[9/0047]
ſenden bekommen hat. Man kan ſie am Morgen fruͤh
in den Haͤuſern ſingen hoͤren, und um Mittag hoͤren Sie
im ſtillen Dorfe faſt in jedem Hauſe das Gebet der Kin-
der zum Eſſen. Ich geſtehe Ihnen, liebſte Freun-
din! daß mir das ungemein wohl gefiel. In Frank-
reich hab’ ich das aufm Lande nie gefunden.
Hinter Blochingen kommt man in das Filsthal,
eine wirklich ſehr tiefliegende Gegend, die von der Fils
durchſtroͤmt wird. Goͤppingen ſcheint ein ſehr nahrhaf-
ter Ort zu ſeyn. Seine Felder lagen jetzt meiſt in der
Brache, und ſo ganz mit Steinen bedeckt, hab’ ich
noch nirgends die Aecker gefunden, wie hier. Die
Bauern aber ſagten mir, daß ſie demohngeachtet viele
Fruͤchte truͤgen, ſie muͤßten den Duͤnger zwiſchen die Stei-
ne hineinbringen. Am fruͤhen Morgen ſah ich da, daß
die Schwalben ſich ſchon (den 25. Sept.) zum Weg-
ziehen verſammelten. Weiter hinein wird das Land rau-
her, Gebuͤrge, wie die Alpen, ſchlieſſen es von beiden
Seiten ein, das iſt dem Reiſenden ſehr unangenehm,
aber die Majeſtaͤt dieſer waldichten Berge iſt doch wirklich
mehr, als eingebildet. Dazu kommt das hundertfaͤltige
Geklimper der Viehheerden, die auf dieſen Abhaͤngen in
der Weide gehen. Faſt jedes Stuͤck Vieh hat eine Glo-
cke am Halſe, weil ſie ſich oft verirren, und durch das
Klingeln der Glocke wieder gefunden werden. Oft iſt
man ganz von dieſen hohen Bergen eingeſchloſſen, und
hat ein Thal und Waſſer und Wald und Felder vor
ſich, die ungemein ſchoͤn von der Natur zuſammengeſtellt
ſind. Wie oft dacht’ ich, wenn die Sonne ſo lieblich ih-
re Stralen uͤber die Gipfel der Berge in den ſchlaͤngeln-
den Bach warf:
Schoͤn
A 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/47>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.