man besteigen muß, wenn man St. Blasien sehen will. Zuweilen ging der Weg über ein Stück ebenen Feldes, aber es währte nicht lange, so mußte man entweder wie- der auf Felsen klettern, oder sich an gefährlichen Abhän- gen vor den jähen Sturz bewahren. Zuletzt fällt der Weg durch einen angenehmen Wald wieder tief herab, und in dieser Tiefe, die indessen immer, in Vergleichung mit dem platten Lande, sehr hoch ist, sieht man endlich, wie sich die prächtige Kuppel der neuen Kirche in St. Blasien in der Ferne zeigt. Ich muß gestehen, daß mir dieser Anblick überaus angenehm war. Nicht sowoh deswegen, weil ich hier das Ziel meiner Reise sah, son- dern weil man gleich beim ersten Anblick etwas Grosses und Schönes vermuthet. Man wird durch ein so sehr prächtiges Werk der Kunst in dieser rauhen Gegend an- genehm überrascht, und die fürchterliche Majestät der Berge, und der schwarzen Wälder, die das Stift um- geben, tragen nicht wenig dazu bei. Zu beiden Seiten rauschen immer starke Wasser den Berg hinab, und eilen den Thoren des Stifts mit herrlichem Sturze zu. Als wir der Einfahrt nahe waren, stand eben ein vollkom- mener Regenbogen über dem Kloster, und ich ken Sie versichern, daß ich noch nie einen so schönen, breiten, hellgefärbten und einnehmenden Regenbogen gese[h]en ha- be, als dieser war zwischen den Bergen und [T]hälern. Hoch stand er in den Wolken des Himmels, und ver- kündigte Gnade und Segen vom Schöpfer. Sine bei- den Schenkel schienen auf der Erde zu ruhen. und lange verweilte die Sonne ihm gegenüber, als wem sie sich selber gern in ihrem Gegenbilde gesehen hätte.
Man
man beſteigen muß, wenn man St. Blaſien ſehen will. Zuweilen ging der Weg uͤber ein Stuͤck ebenen Feldes, aber es waͤhrte nicht lange, ſo mußte man entweder wie- der auf Felſen klettern, oder ſich an gefaͤhrlichen Abhaͤn- gen vor den jaͤhen Sturz bewahren. Zuletzt faͤllt der Weg durch einen angenehmen Wald wieder tief herab, und in dieſer Tiefe, die indeſſen immer, in Vergleichung mit dem platten Lande, ſehr hoch iſt, ſieht man endlich, wie ſich die praͤchtige Kuppel der neuen Kirche in St. Blaſien in der Ferne zeigt. Ich muß geſtehen, daß mir dieſer Anblick uͤberaus angenehm war. Nicht ſowoh deswegen, weil ich hier das Ziel meiner Reiſe ſah, ſon- dern weil man gleich beim erſten Anblick etwas Groſſes und Schoͤnes vermuthet. Man wird durch ein ſo ſehr praͤchtiges Werk der Kunſt in dieſer rauhen Gegend an- genehm uͤberraſcht, und die fuͤrchterliche Majeſtaͤt der Berge, und der ſchwarzen Waͤlder, die das Stift um- geben, tragen nicht wenig dazu bei. Zu beiden Seiten rauſchen immer ſtarke Waſſer den Berg hinab, und eilen den Thoren des Stifts mit herrlichem Sturze zu. Als wir der Einfahrt nahe waren, ſtand eben ein vollkom- mener Regenbogen uͤber dem Kloſter, und ich ken Sie verſichern, daß ich noch nie einen ſo ſchoͤnen, breiten, hellgefaͤrbten und einnehmenden Regenbogen geſe[h]en ha- be, als dieſer war zwiſchen den Bergen und [T]haͤlern. Hoch ſtand er in den Wolken des Himmels, und ver- kuͤndigte Gnade und Segen vom Schoͤpfer. Sine bei- den Schenkel ſchienen auf der Erde zu ruhen. und lange verweilte die Sonne ihm gegenuͤber, als wem ſie ſich ſelber gern in ihrem Gegenbilde geſehen haͤtte.
Man
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man beſteigen muß, wenn man St. Blaſien ſehen will.
Zuweilen ging der Weg uͤber ein Stuͤck ebenen Feldes,
aber es waͤhrte nicht lange, ſo mußte man entweder wie-
der auf Felſen klettern, oder ſich an gefaͤhrlichen Abhaͤn-
gen vor den jaͤhen Sturz bewahren. Zuletzt faͤllt der
Weg durch einen angenehmen Wald wieder tief herab,
und in dieſer Tiefe, die indeſſen immer, in Vergleichung
mit dem platten Lande, ſehr hoch iſt, ſieht man endlich,
wie ſich die praͤchtige Kuppel der neuen Kirche in St.
Blaſien in der Ferne zeigt. Ich muß geſtehen, daß
mir dieſer Anblick uͤberaus angenehm war. Nicht ſowoh
deswegen, weil ich hier das Ziel meiner Reiſe ſah, ſon-
dern weil man gleich beim erſten Anblick etwas Groſſes
und Schoͤnes vermuthet. Man wird durch ein ſo ſehr
praͤchtiges Werk der Kunſt in dieſer rauhen Gegend an-
genehm uͤberraſcht, und die fuͤrchterliche Majeſtaͤt der
Berge, und der ſchwarzen Waͤlder, die das Stift um-
geben, tragen nicht wenig dazu bei. Zu beiden Seiten
rauſchen immer ſtarke Waſſer den Berg hinab, und eilen
den Thoren des Stifts mit herrlichem Sturze zu. Als
wir der Einfahrt nahe waren, ſtand eben ein vollkom-
mener Regenbogen uͤber dem Kloſter, und ich ken Sie
verſichern, daß ich noch nie einen ſo ſchoͤnen, breiten,
hellgefaͤrbten und einnehmenden Regenbogen geſehen ha-
be, als dieſer war zwiſchen den Bergen und Thaͤlern.
Hoch ſtand er in den Wolken des Himmels, und ver-
kuͤndigte Gnade und Segen vom Schoͤpfer. Sine bei-
den Schenkel ſchienen auf der Erde zu ruhen. und lange
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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