Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Klotz gibt 20. Dielen, der dritte 18, und der vierte 16.
Die Breite der Dielen oder Breter aus dem Klotz über
dem Stock ist vier bis fünf Schuhe. Der Gipfel, oder
die Dolde, muß noch Kohlen geben, und das kleinere
Holz, oder die Aeste, dienen zum Einheitzen und zum
Feuer auf den Heerd. Es sind deswegen überall Sä-
gemühlen
vorhanden, und die Dielen gehen fast alle
nach Basel, aber das Holz selber, in natura, darf
der Bauer bei schwerer Strafe nicht nach Basel führen,
wiewohl sie es ihm theuer bezahlten. Eichen sind hier
nicht, aber Büchen von 80, 90. Schuh in der Höhe,
und wenn sie alt sind, etwa 3. Schuh im Umfang über
dem Stock. Man braucht die Büchen meist zu Koh-
len, nur die Tanneu werden versägt. Starke und
gesunde Leute können Sie hier auch noch finden. In
Gerspach lebt wirklich noch eine Bauersfrau, die mit
drei Kindern auf einmahl in die Wochen kam, und als
sie alle drei glücklich bekommen hatte, stand sie gleich
vom Bette auf, nahm das Scheermesser, holte Wasser
und Seife, stand hin und nahm dem Manne den Bart
ab, damit er auch sauber seyn, und nun gleich hingehen
sollte, um dem Pfarrer den grossen Segen Gottes anzu-
zeigen, und die Taufe zu bestellen. -- Lesen Sie das
einigen von unsern weichlichen und verzärtelten Frauen-
zimmern vor. Es wird sie vielleicht ein Schauder an-
kommen, wenn sie hören, daß eine Frau ihren Mann
selber barbiert, und zwar in der Stunde nach der Nie-
derkunft mit drei Kindern, die sie wie junge Küchlein in
Ein Bette warf. Aber wer ist gesünder und lebt leichter?
Die Frau, die mit heroischem Sinn das alles aushalten
kan? Oder die, welche gleich schreit, wenn nur ein kal-
tes Lüftchen weht, und fast in Ohnmacht fällt, wenn sie

mitten

Klotz gibt 20. Dielen, der dritte 18, und der vierte 16.
Die Breite der Dielen oder Breter aus dem Klotz uͤber
dem Stock iſt vier bis fuͤnf Schuhe. Der Gipfel, oder
die Dolde, muß noch Kohlen geben, und das kleinere
Holz, oder die Aeſte, dienen zum Einheitzen und zum
Feuer auf den Heerd. Es ſind deswegen uͤberall Saͤ-
gemuͤhlen
vorhanden, und die Dielen gehen faſt alle
nach Baſel, aber das Holz ſelber, in natura, darf
der Bauer bei ſchwerer Strafe nicht nach Baſel fuͤhren,
wiewohl ſie es ihm theuer bezahlten. Eichen ſind hier
nicht, aber Buͤchen von 80, 90. Schuh in der Hoͤhe,
und wenn ſie alt ſind, etwa 3. Schuh im Umfang uͤber
dem Stock. Man braucht die Buͤchen meiſt zu Koh-
len, nur die Tanneu werden verſaͤgt. Starke und
geſunde Leute koͤnnen Sie hier auch noch finden. In
Gerſpach lebt wirklich noch eine Bauersfrau, die mit
drei Kindern auf einmahl in die Wochen kam, und als
ſie alle drei gluͤcklich bekommen hatte, ſtand ſie gleich
vom Bette auf, nahm das Scheermeſſer, holte Waſſer
und Seife, ſtand hin und nahm dem Manne den Bart
ab, damit er auch ſauber ſeyn, und nun gleich hingehen
ſollte, um dem Pfarrer den groſſen Segen Gottes anzu-
zeigen, und die Taufe zu beſtellen. — Leſen Sie das
einigen von unſern weichlichen und verzaͤrtelten Frauen-
zimmern vor. Es wird ſie vielleicht ein Schauder an-
kommen, wenn ſie hoͤren, daß eine Frau ihren Mann
ſelber barbiert, und zwar in der Stunde nach der Nie-
derkunft mit drei Kindern, die ſie wie junge Kuͤchlein in
Ein Bette warf. Aber wer iſt geſuͤnder und lebt leichter?
Die Frau, die mit heroiſchem Sinn das alles aushalten
kan? Oder die, welche gleich ſchreit, wenn nur ein kal-
tes Luͤftchen weht, und faſt in Ohnmacht faͤllt, wenn ſie

mitten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0426" n="388"/>
Klotz gibt 20. Dielen, der dritte 18, und der vierte 16.<lb/>
Die Breite der Dielen oder Breter aus dem Klotz u&#x0364;ber<lb/>
dem Stock i&#x017F;t vier bis fu&#x0364;nf Schuhe. Der Gipfel, oder<lb/>
die Dolde, muß noch Kohlen geben, und das kleinere<lb/>
Holz, oder die Ae&#x017F;te, dienen zum Einheitzen und zum<lb/>
Feuer auf den Heerd. Es &#x017F;ind deswegen u&#x0364;berall <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;-<lb/>
gemu&#x0364;hlen</hi> vorhanden, und die Dielen gehen fa&#x017F;t alle<lb/>
nach <hi rendition="#fr">Ba&#x017F;el,</hi> aber das Holz &#x017F;elber, <hi rendition="#aq">in natura,</hi> darf<lb/>
der Bauer bei &#x017F;chwerer Strafe nicht nach <hi rendition="#fr">Ba&#x017F;el</hi> fu&#x0364;hren,<lb/>
wiewohl &#x017F;ie es ihm theuer bezahlten. <hi rendition="#fr">Eichen</hi> &#x017F;ind hier<lb/>
nicht, aber <hi rendition="#fr">Bu&#x0364;chen</hi> von 80, 90. Schuh in der Ho&#x0364;he,<lb/>
und wenn &#x017F;ie alt &#x017F;ind, etwa 3. Schuh im Umfang u&#x0364;ber<lb/>
dem Stock. Man braucht die <hi rendition="#fr">Bu&#x0364;ch</hi>en mei&#x017F;t zu Koh-<lb/>
len, nur die <hi rendition="#fr">Tanneu</hi> werden ver&#x017F;a&#x0364;gt. Starke und<lb/>
ge&#x017F;unde Leute ko&#x0364;nnen Sie hier auch noch finden. In<lb/><hi rendition="#fr">Ger&#x017F;pach</hi> lebt wirklich noch eine Bauersfrau, die mit<lb/>
drei Kindern auf einmahl in die Wochen kam, und als<lb/>
&#x017F;ie alle drei glu&#x0364;cklich bekommen hatte, &#x017F;tand &#x017F;ie gleich<lb/>
vom Bette auf, nahm das Scheerme&#x017F;&#x017F;er, holte Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
und Seife, &#x017F;tand hin und nahm dem Manne den Bart<lb/>
ab, damit er auch &#x017F;auber &#x017F;eyn, und nun gleich hingehen<lb/>
&#x017F;ollte, um dem Pfarrer den gro&#x017F;&#x017F;en Segen Gottes anzu-<lb/>
zeigen, und die Taufe zu be&#x017F;tellen. &#x2014; Le&#x017F;en Sie das<lb/>
einigen von un&#x017F;ern weichlichen und verza&#x0364;rtelten Frauen-<lb/>
zimmern vor. Es wird &#x017F;ie vielleicht ein Schauder an-<lb/>
kommen, wenn &#x017F;ie ho&#x0364;ren, daß eine Frau ihren Mann<lb/>
&#x017F;elber barbiert, und zwar in der Stunde nach der Nie-<lb/>
derkunft mit drei Kindern, die &#x017F;ie wie junge Ku&#x0364;chlein in<lb/>
Ein Bette warf. Aber wer i&#x017F;t ge&#x017F;u&#x0364;nder und lebt leichter?<lb/>
Die Frau, die mit heroi&#x017F;chem Sinn das alles aushalten<lb/>
kan? Oder die, welche gleich &#x017F;chreit, wenn nur ein kal-<lb/>
tes Lu&#x0364;ftchen weht, und fa&#x017F;t in Ohnmacht fa&#x0364;llt, wenn &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mitten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0426] Klotz gibt 20. Dielen, der dritte 18, und der vierte 16. Die Breite der Dielen oder Breter aus dem Klotz uͤber dem Stock iſt vier bis fuͤnf Schuhe. Der Gipfel, oder die Dolde, muß noch Kohlen geben, und das kleinere Holz, oder die Aeſte, dienen zum Einheitzen und zum Feuer auf den Heerd. Es ſind deswegen uͤberall Saͤ- gemuͤhlen vorhanden, und die Dielen gehen faſt alle nach Baſel, aber das Holz ſelber, in natura, darf der Bauer bei ſchwerer Strafe nicht nach Baſel fuͤhren, wiewohl ſie es ihm theuer bezahlten. Eichen ſind hier nicht, aber Buͤchen von 80, 90. Schuh in der Hoͤhe, und wenn ſie alt ſind, etwa 3. Schuh im Umfang uͤber dem Stock. Man braucht die Buͤchen meiſt zu Koh- len, nur die Tanneu werden verſaͤgt. Starke und geſunde Leute koͤnnen Sie hier auch noch finden. In Gerſpach lebt wirklich noch eine Bauersfrau, die mit drei Kindern auf einmahl in die Wochen kam, und als ſie alle drei gluͤcklich bekommen hatte, ſtand ſie gleich vom Bette auf, nahm das Scheermeſſer, holte Waſſer und Seife, ſtand hin und nahm dem Manne den Bart ab, damit er auch ſauber ſeyn, und nun gleich hingehen ſollte, um dem Pfarrer den groſſen Segen Gottes anzu- zeigen, und die Taufe zu beſtellen. — Leſen Sie das einigen von unſern weichlichen und verzaͤrtelten Frauen- zimmern vor. Es wird ſie vielleicht ein Schauder an- kommen, wenn ſie hoͤren, daß eine Frau ihren Mann ſelber barbiert, und zwar in der Stunde nach der Nie- derkunft mit drei Kindern, die ſie wie junge Kuͤchlein in Ein Bette warf. Aber wer iſt geſuͤnder und lebt leichter? Die Frau, die mit heroiſchem Sinn das alles aushalten kan? Oder die, welche gleich ſchreit, wenn nur ein kal- tes Luͤftchen weht, und faſt in Ohnmacht faͤllt, wenn ſie mitten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/426
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/426>, abgerufen am 25.11.2024.