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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Stelle, als diesen Ort zwischen Felsen und Tannen, wo
er freilich seine irrdischen Bedürfnisse, aber keine Gesell-
schaft, keinen Umgang, keine Bücher, keine Ermunte-
rung hat. Ach, es ist ein grosses Räthsel in der Lehre
von der Vorsehung, warum so viele Menschen, wenn
man alle Umstände zusammen nimmt und abwägt, gar
nicht am rechten Platze sind, und warum so viel Gutes,
das wirklich geschehen könnte, unterbleibt, und für das
Ganze, wenigstens für das Ganze, wie's gegenwärtig
ist, verloren geht! -- Ich ging in die Kirche und hörte
meines Freundes Predigt. Popularität und Simplizi-
tät ist hier die größte Kunst, und das wahre Verdienst
um diese Leute. Wie erbärmlich würde man die armen
Christen betrügen, wenn man hier, nach Art der jungen
Kandidaten, ohne vorher gedacht und empfunden zu ha-
ben, schöne Worte zusammensetzen, und wie ein gelehrter
Papagei lallen wollte, was man selber nicht versteht?
Jakobi in seiner Abhandlung über die Erziehung der
Geistlichen
(s. das Journal für Prediger) hat wohl
Recht, daß man doch einmal einen Unterschied machen sollte,
zwischen denen, die zu höhern Stellen in der Kirche be-
stimmt sind, und zwischen denen, die kaum so viele Tüch-
tigkeit erlangen werden, daß sie an den gemeinsten Chri-
sten mit Nutzen arbeiten können, und daß man doch
nicht immer von Allen Alles, von Allen Einerlei verlan-
gen solle. Daher kömmt es, daß so Viele in der Ju-
gend die Zeit mit Dingen verderben, die sie im ganzen
Leben nie brauchen werden, und daß so manche gerade
das, was ihnen allein nöthig und nützlich ist, nicht ler-
nen, und daher, wenn sie nach der Ordnung der Jahre,
ohne Wahl und Unterschied, ohne Rücksicht auf die Um-
stände des Orts, auf die besondern Bedürfnisse der Ge-

meinde,

Stelle, als dieſen Ort zwiſchen Felſen und Tannen, wo
er freilich ſeine irrdiſchen Beduͤrfniſſe, aber keine Geſell-
ſchaft, keinen Umgang, keine Buͤcher, keine Ermunte-
rung hat. Ach, es iſt ein groſſes Raͤthſel in der Lehre
von der Vorſehung, warum ſo viele Menſchen, wenn
man alle Umſtaͤnde zuſammen nimmt und abwaͤgt, gar
nicht am rechten Platze ſind, und warum ſo viel Gutes,
das wirklich geſchehen koͤnnte, unterbleibt, und fuͤr das
Ganze, wenigſtens fuͤr das Ganze, wie’s gegenwaͤrtig
iſt, verloren geht! — Ich ging in die Kirche und hoͤrte
meines Freundes Predigt. Popularitaͤt und Simplizi-
taͤt iſt hier die groͤßte Kunſt, und das wahre Verdienſt
um dieſe Leute. Wie erbaͤrmlich wuͤrde man die armen
Chriſten betruͤgen, wenn man hier, nach Art der jungen
Kandidaten, ohne vorher gedacht und empfunden zu ha-
ben, ſchoͤne Worte zuſammenſetzen, und wie ein gelehrter
Papagei lallen wollte, was man ſelber nicht verſteht?
Jakobi in ſeiner Abhandlung uͤber die Erziehung der
Geiſtlichen
(ſ. das Journal fuͤr Prediger) hat wohl
Recht, daß man doch einmal einen Unterſchied machen ſollte,
zwiſchen denen, die zu hoͤhern Stellen in der Kirche be-
ſtimmt ſind, und zwiſchen denen, die kaum ſo viele Tuͤch-
tigkeit erlangen werden, daß ſie an den gemeinſten Chri-
ſten mit Nutzen arbeiten koͤnnen, und daß man doch
nicht immer von Allen Alles, von Allen Einerlei verlan-
gen ſolle. Daher koͤmmt es, daß ſo Viele in der Ju-
gend die Zeit mit Dingen verderben, die ſie im ganzen
Leben nie brauchen werden, und daß ſo manche gerade
das, was ihnen allein noͤthig und nuͤtzlich iſt, nicht ler-
nen, und daher, wenn ſie nach der Ordnung der Jahre,
ohne Wahl und Unterſchied, ohne Ruͤckſicht auf die Um-
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[381/0419] Stelle, als dieſen Ort zwiſchen Felſen und Tannen, wo er freilich ſeine irrdiſchen Beduͤrfniſſe, aber keine Geſell- ſchaft, keinen Umgang, keine Buͤcher, keine Ermunte- rung hat. Ach, es iſt ein groſſes Raͤthſel in der Lehre von der Vorſehung, warum ſo viele Menſchen, wenn man alle Umſtaͤnde zuſammen nimmt und abwaͤgt, gar nicht am rechten Platze ſind, und warum ſo viel Gutes, das wirklich geſchehen koͤnnte, unterbleibt, und fuͤr das Ganze, wenigſtens fuͤr das Ganze, wie’s gegenwaͤrtig iſt, verloren geht! — Ich ging in die Kirche und hoͤrte meines Freundes Predigt. Popularitaͤt und Simplizi- taͤt iſt hier die groͤßte Kunſt, und das wahre Verdienſt um dieſe Leute. Wie erbaͤrmlich wuͤrde man die armen Chriſten betruͤgen, wenn man hier, nach Art der jungen Kandidaten, ohne vorher gedacht und empfunden zu ha- ben, ſchoͤne Worte zuſammenſetzen, und wie ein gelehrter Papagei lallen wollte, was man ſelber nicht verſteht? Jakobi in ſeiner Abhandlung uͤber die Erziehung der Geiſtlichen (ſ. das Journal fuͤr Prediger) hat wohl Recht, daß man doch einmal einen Unterſchied machen ſollte, zwiſchen denen, die zu hoͤhern Stellen in der Kirche be- ſtimmt ſind, und zwiſchen denen, die kaum ſo viele Tuͤch- tigkeit erlangen werden, daß ſie an den gemeinſten Chri- ſten mit Nutzen arbeiten koͤnnen, und daß man doch nicht immer von Allen Alles, von Allen Einerlei verlan- gen ſolle. Daher koͤmmt es, daß ſo Viele in der Ju- gend die Zeit mit Dingen verderben, die ſie im ganzen Leben nie brauchen werden, und daß ſo manche gerade das, was ihnen allein noͤthig und nuͤtzlich iſt, nicht ler- nen, und daher, wenn ſie nach der Ordnung der Jahre, ohne Wahl und Unterſchied, ohne Ruͤckſicht auf die Um- ſtaͤnde des Orts, auf die beſondern Beduͤrfniſſe der Ge- meinde,

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/419>, abgerufen am 25.11.2024.