Schloßgarten ansehen. Ehe der Abend kam, fuhren wir beide hinten am Garten aus, um noch einen kleinen Spazierweg zu machen nach einer Cremitage, die der Hr. Oberforstmeister an der Strasse, zwischen Candern und Sizenkirch angelegt hat, und ich muß gestehen, ich habe eine schöne, sehr passende, und angenehme Anlage gese- hen. Auf einem wohl zwanzig Schuh hohen Felsen, der aus lauter spitzigen und dreieckigten Steinen von Natur selber fast Pyramidenförmig aufgeführt ist, auf einem Felsen, den der Oberweginspektor oben weggesprengt hatte, steht nun oben auf der Spitze eine sehr wohl gera- thene, aus Holz geschnittene und mit einem Firniß über- zogene Gemse. Auf dem Kopfe trägt sie ein natürliches Paar Gemsenhörner, die nicht wenig dazu beitragen, daß man in der Ferne glaubt, eine natürliche Gemse zu sehen. An einem Eichenbaum, der darneben steht, hängt eine Sonnenuhr. In einem schmalen hölzernen Kasten darneben ist ein Barometer angebracht. Weil ihn der Muthwille der Unwissenden oft verdorben hat, lies ihn der Besitzer mit Drath einflechten. Ein natürlicher Vortheil dabei ist noch das Echo, das gegenüber im Wal- de gar vortreflich schallt, wenn der Jäger bei dem Felsen steht, und auf dem Horn bläst. Der Felsen, der Gem- sengrund, der Eichbaum mit der Sonnenuhr, und der Barometerkasten sind mit Platanus, mit Eschen, Malven, Balsaminen etc. bewachsen. An andern Orten ist alles mit einem grossen, starken Waldgras, das lange Stengel hat, überzogen. In der Mitte stehen ei- nige Tische und Bänke, damit man mit guten Freunden frölich seyn kan. Ueberhaupt ist die ganze Anlage im Geschmack der neuesten Englischen Gärten, und es wäre gewiß ewig Schade gewesen, wenn der Felsen zerstört
worden
Schloßgarten anſehen. Ehe der Abend kam, fuhren wir beide hinten am Garten aus, um noch einen kleinen Spazierweg zu machen nach einer Cremitage, die der Hr. Oberforſtmeiſter an der Straſſe, zwiſchen Candern und Sizenkirch angelegt hat, und ich muß geſtehen, ich habe eine ſchoͤne, ſehr paſſende, und angenehme Anlage geſe- hen. Auf einem wohl zwanzig Schuh hohen Felſen, der aus lauter ſpitzigen und dreieckigten Steinen von Natur ſelber faſt Pyramidenfoͤrmig aufgefuͤhrt iſt, auf einem Felſen, den der Oberweginſpektor oben weggeſprengt hatte, ſteht nun oben auf der Spitze eine ſehr wohl gera- thene, aus Holz geſchnittene und mit einem Firniß uͤber- zogene Gemſe. Auf dem Kopfe traͤgt ſie ein natuͤrliches Paar Gemſenhoͤrner, die nicht wenig dazu beitragen, daß man in der Ferne glaubt, eine natuͤrliche Gemſe zu ſehen. An einem Eichenbaum, der darneben ſteht, haͤngt eine Sonnenuhr. In einem ſchmalen hoͤlzernen Kaſten darneben iſt ein Barometer angebracht. Weil ihn der Muthwille der Unwiſſenden oft verdorben hat, lies ihn der Beſitzer mit Drath einflechten. Ein natuͤrlicher Vortheil dabei iſt noch das Echo, das gegenuͤber im Wal- de gar vortreflich ſchallt, wenn der Jaͤger bei dem Felſen ſteht, und auf dem Horn blaͤſt. Der Felſen, der Gem- ſengrund, der Eichbaum mit der Sonnenuhr, und der Barometerkaſten ſind mit Platanus, mit Eſchen, Malven, Balſaminen ꝛc. bewachſen. An andern Orten iſt alles mit einem groſſen, ſtarken Waldgras, das lange Stengel hat, uͤberzogen. In der Mitte ſtehen ei- nige Tiſche und Baͤnke, damit man mit guten Freunden froͤlich ſeyn kan. Ueberhaupt iſt die ganze Anlage im Geſchmack der neueſten Engliſchen Gaͤrten, und es waͤre gewiß ewig Schade geweſen, wenn der Felſen zerſtoͤrt
worden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0414"n="376"/>
Schloßgarten anſehen. Ehe der Abend kam, fuhren<lb/>
wir beide hinten am Garten aus, um noch einen kleinen<lb/>
Spazierweg zu machen nach einer <hirendition="#fr">Cremitage,</hi> die der Hr.<lb/>
Oberforſtmeiſter an der Straſſe, zwiſchen <hirendition="#fr">Candern</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Sizenkirch</hi> angelegt hat, und ich muß geſtehen, ich habe<lb/>
eine ſchoͤne, ſehr paſſende, und angenehme Anlage geſe-<lb/>
hen. Auf einem wohl zwanzig Schuh hohen Felſen, der<lb/>
aus lauter ſpitzigen und dreieckigten Steinen von Natur<lb/>ſelber faſt Pyramidenfoͤrmig aufgefuͤhrt iſt, auf einem<lb/>
Felſen, den der Oberweginſpektor oben weggeſprengt<lb/>
hatte, ſteht nun oben auf der Spitze eine ſehr wohl gera-<lb/>
thene, aus Holz geſchnittene und mit einem Firniß uͤber-<lb/>
zogene <hirendition="#fr">Gemſe.</hi> Auf dem Kopfe traͤgt ſie ein natuͤrliches<lb/>
Paar Gemſenhoͤrner, die nicht wenig dazu beitragen, daß<lb/>
man in der Ferne glaubt, eine natuͤrliche Gemſe zu ſehen.<lb/>
An einem Eichenbaum, der darneben ſteht, haͤngt eine<lb/><hirendition="#fr">Sonnenuhr.</hi> In einem ſchmalen hoͤlzernen Kaſten<lb/>
darneben iſt ein <hirendition="#fr">Barometer</hi> angebracht. Weil ihn der<lb/>
Muthwille der Unwiſſenden oft verdorben hat, lies ihn<lb/>
der Beſitzer mit Drath einflechten. Ein natuͤrlicher<lb/>
Vortheil dabei iſt noch das <hirendition="#fr">Echo,</hi> das gegenuͤber im Wal-<lb/>
de gar vortreflich ſchallt, wenn der Jaͤger bei dem Felſen<lb/>ſteht, und auf dem Horn blaͤſt. Der Felſen, der Gem-<lb/>ſengrund, der Eichbaum mit der Sonnenuhr, und der<lb/>
Barometerkaſten ſind mit <hirendition="#fr">Platanus,</hi> mit <hirendition="#fr">Eſchen,<lb/>
Malven, Balſaminen</hi>ꝛc. bewachſen. An andern<lb/>
Orten iſt alles mit einem groſſen, ſtarken Waldgras, das<lb/>
lange Stengel hat, uͤberzogen. In der Mitte ſtehen ei-<lb/>
nige Tiſche und Baͤnke, damit man mit guten Freunden<lb/>
froͤlich ſeyn kan. Ueberhaupt iſt die ganze Anlage im<lb/>
Geſchmack der neueſten Engliſchen Gaͤrten, und es waͤre<lb/>
gewiß ewig Schade geweſen, wenn der Felſen zerſtoͤrt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">worden</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[376/0414]
Schloßgarten anſehen. Ehe der Abend kam, fuhren
wir beide hinten am Garten aus, um noch einen kleinen
Spazierweg zu machen nach einer Cremitage, die der Hr.
Oberforſtmeiſter an der Straſſe, zwiſchen Candern und
Sizenkirch angelegt hat, und ich muß geſtehen, ich habe
eine ſchoͤne, ſehr paſſende, und angenehme Anlage geſe-
hen. Auf einem wohl zwanzig Schuh hohen Felſen, der
aus lauter ſpitzigen und dreieckigten Steinen von Natur
ſelber faſt Pyramidenfoͤrmig aufgefuͤhrt iſt, auf einem
Felſen, den der Oberweginſpektor oben weggeſprengt
hatte, ſteht nun oben auf der Spitze eine ſehr wohl gera-
thene, aus Holz geſchnittene und mit einem Firniß uͤber-
zogene Gemſe. Auf dem Kopfe traͤgt ſie ein natuͤrliches
Paar Gemſenhoͤrner, die nicht wenig dazu beitragen, daß
man in der Ferne glaubt, eine natuͤrliche Gemſe zu ſehen.
An einem Eichenbaum, der darneben ſteht, haͤngt eine
Sonnenuhr. In einem ſchmalen hoͤlzernen Kaſten
darneben iſt ein Barometer angebracht. Weil ihn der
Muthwille der Unwiſſenden oft verdorben hat, lies ihn
der Beſitzer mit Drath einflechten. Ein natuͤrlicher
Vortheil dabei iſt noch das Echo, das gegenuͤber im Wal-
de gar vortreflich ſchallt, wenn der Jaͤger bei dem Felſen
ſteht, und auf dem Horn blaͤſt. Der Felſen, der Gem-
ſengrund, der Eichbaum mit der Sonnenuhr, und der
Barometerkaſten ſind mit Platanus, mit Eſchen,
Malven, Balſaminen ꝛc. bewachſen. An andern
Orten iſt alles mit einem groſſen, ſtarken Waldgras, das
lange Stengel hat, uͤberzogen. In der Mitte ſtehen ei-
nige Tiſche und Baͤnke, damit man mit guten Freunden
froͤlich ſeyn kan. Ueberhaupt iſt die ganze Anlage im
Geſchmack der neueſten Engliſchen Gaͤrten, und es waͤre
gewiß ewig Schade geweſen, wenn der Felſen zerſtoͤrt
worden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/414>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.