wäre, wenn man den Bauern alle Geldspiele und Kar- tenspiele schlechterdings verböte. Die Trunkenheit ist schon schlimme Seuche genug für sie. Dagegen hilft aber, wie ich aus vielfältiger Erfahrung weis, morali- scher Unterricht und körperliche Strafen fast gar nichts, weder in einem ganzen Dorfe, noch bei einzelnen Perso- nen. Man könnte auch das, wiewohl ich weit entfernt bin, des Lasters Sachwalter zu seyn, noch eher entschul- digen. Der Bauer baut das ganze Jahr in seinen Re- ben, daher freut er sich immer auf den Herbst, und schweift hernach aus in der Freude. Er arbeitet immer harte Arbeit, und vergießt manchen Schweistropfen. Für das alles soll ihn nun Wein schadlos halten, und wenn dann zuweilen, wie jetzt geschah, so viel eingesam- melt würde, daß man nicht Fässer genug hätte, warum soll ihn der Bauer nicht auch bis zur Frölichkeit trinken dürfen? Er ist und bleibt doch allemal der geplagteste Stand im ganzen Staat, und er hat allemal das erste Recht an das, was er mit seiner Hände Arbeit gewon- nen hat. Aber zur Entschuldigung des Spielens unter den Bauern läßt sich nichts sagen, und die damit ver- knüpften schädlichen Folgen liegen am Tage. Der ge- meine Mann weis nicht Maas und Ziel zu halten. Im Uebermaas der Lustigkeit zieht er gleich die ganze Schweins- blase voll Geld aus der Tasche, und schüttet es auf den Tisch. Er macht gleich Brüderschaft mit jedem, ver- gißt Frau, Kinder, Haushaltung, Abgaben, richtige Besorgung seines Viehes, Gesetze und Obrigkeiten. Auch ihnen wird das Spiel gleich zur herrschenden Leidenschaft. Auch unter ihnen gibt es feine Betrüger und einschmei- chelnde Beutelschneider. Auch unter ihnen entstehen daraus Feindschaften, garstige Reden, ein grenzenloses
Schwö-
waͤre, wenn man den Bauern alle Geldſpiele und Kar- tenſpiele ſchlechterdings verboͤte. Die Trunkenheit iſt ſchon ſchlimme Seuche genug fuͤr ſie. Dagegen hilft aber, wie ich aus vielfaͤltiger Erfahrung weis, morali- ſcher Unterricht und koͤrperliche Strafen faſt gar nichts, weder in einem ganzen Dorfe, noch bei einzelnen Perſo- nen. Man koͤnnte auch das, wiewohl ich weit entfernt bin, des Laſters Sachwalter zu ſeyn, noch eher entſchul- digen. Der Bauer baut das ganze Jahr in ſeinen Re- ben, daher freut er ſich immer auf den Herbſt, und ſchweift hernach aus in der Freude. Er arbeitet immer harte Arbeit, und vergießt manchen Schweistropfen. Fuͤr das alles ſoll ihn nun Wein ſchadlos halten, und wenn dann zuweilen, wie jetzt geſchah, ſo viel eingeſam- melt wuͤrde, daß man nicht Faͤſſer genug haͤtte, warum ſoll ihn der Bauer nicht auch bis zur Froͤlichkeit trinken duͤrfen? Er iſt und bleibt doch allemal der geplagteſte Stand im ganzen Staat, und er hat allemal das erſte Recht an das, was er mit ſeiner Haͤnde Arbeit gewon- nen hat. Aber zur Entſchuldigung des Spielens unter den Bauern laͤßt ſich nichts ſagen, und die damit ver- knuͤpften ſchaͤdlichen Folgen liegen am Tage. Der ge- meine Mann weis nicht Maas und Ziel zu halten. Im Uebermaas der Luſtigkeit zieht er gleich die ganze Schweins- blaſe voll Geld aus der Taſche, und ſchuͤttet es auf den Tiſch. Er macht gleich Bruͤderſchaft mit jedem, ver- gißt Frau, Kinder, Haushaltung, Abgaben, richtige Beſorgung ſeines Viehes, Geſetze und Obrigkeiten. Auch ihnen wird das Spiel gleich zur herrſchenden Leidenſchaft. Auch unter ihnen gibt es feine Betruͤger und einſchmei- chelnde Beutelſchneider. Auch unter ihnen entſtehen daraus Feindſchaften, garſtige Reden, ein grenzenloſes
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waͤre, wenn man den Bauern alle Geldſpiele und Kar-
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ſchon ſchlimme Seuche genug fuͤr ſie. Dagegen hilft
aber, wie ich aus vielfaͤltiger Erfahrung weis, morali-
ſcher Unterricht und koͤrperliche Strafen faſt gar nichts,
weder in einem ganzen Dorfe, noch bei einzelnen Perſo-
nen. Man koͤnnte auch das, wiewohl ich weit entfernt
bin, des Laſters Sachwalter zu ſeyn, noch eher entſchul-
digen. Der Bauer baut das ganze Jahr in ſeinen Re-
ben, daher freut er ſich immer auf den Herbſt, und
ſchweift hernach aus in der Freude. Er arbeitet immer
harte Arbeit, und vergießt manchen Schweistropfen.
Fuͤr das alles ſoll ihn nun Wein ſchadlos halten, und
wenn dann zuweilen, wie jetzt geſchah, ſo viel eingeſam-
melt wuͤrde, daß man nicht Faͤſſer genug haͤtte, warum
ſoll ihn der Bauer nicht auch bis zur Froͤlichkeit trinken
duͤrfen? Er iſt und bleibt doch allemal der geplagteſte
Stand im ganzen Staat, und er hat allemal das erſte
Recht an das, was er mit ſeiner Haͤnde Arbeit gewon-
nen hat. Aber zur Entſchuldigung des Spielens unter
den Bauern laͤßt ſich nichts ſagen, und die damit ver-
knuͤpften ſchaͤdlichen Folgen liegen am Tage. Der ge-
meine Mann weis nicht Maas und Ziel zu halten. Im
Uebermaas der Luſtigkeit zieht er gleich die ganze Schweins-
blaſe voll Geld aus der Taſche, und ſchuͤttet es auf den
Tiſch. Er macht gleich Bruͤderſchaft mit jedem, ver-
gißt Frau, Kinder, Haushaltung, Abgaben, richtige
Beſorgung ſeines Viehes, Geſetze und Obrigkeiten. Auch
ihnen wird das Spiel gleich zur herrſchenden Leidenſchaft.
Auch unter ihnen gibt es feine Betruͤger und einſchmei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/371>, abgerufen am 25.11.2024.
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