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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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wäre, wenn man den Bauern alle Geldspiele und Kar-
tenspiele schlechterdings verböte. Die Trunkenheit ist
schon schlimme Seuche genug für sie. Dagegen hilft
aber, wie ich aus vielfältiger Erfahrung weis, morali-
scher Unterricht und körperliche Strafen fast gar nichts,
weder in einem ganzen Dorfe, noch bei einzelnen Perso-
nen. Man könnte auch das, wiewohl ich weit entfernt
bin, des Lasters Sachwalter zu seyn, noch eher entschul-
digen. Der Bauer baut das ganze Jahr in seinen Re-
ben, daher freut er sich immer auf den Herbst, und
schweift hernach aus in der Freude. Er arbeitet immer
harte Arbeit, und vergießt manchen Schweistropfen.
Für das alles soll ihn nun Wein schadlos halten, und
wenn dann zuweilen, wie jetzt geschah, so viel eingesam-
melt würde, daß man nicht Fässer genug hätte, warum
soll ihn der Bauer nicht auch bis zur Frölichkeit trinken
dürfen? Er ist und bleibt doch allemal der geplagteste
Stand im ganzen Staat, und er hat allemal das erste
Recht an das, was er mit seiner Hände Arbeit gewon-
nen hat. Aber zur Entschuldigung des Spielens unter
den Bauern läßt sich nichts sagen, und die damit ver-
knüpften schädlichen Folgen liegen am Tage. Der ge-
meine Mann weis nicht Maas und Ziel zu halten. Im
Uebermaas der Lustigkeit zieht er gleich die ganze Schweins-
blase voll Geld aus der Tasche, und schüttet es auf den
Tisch. Er macht gleich Brüderschaft mit jedem, ver-
gißt Frau, Kinder, Haushaltung, Abgaben, richtige
Besorgung seines Viehes, Gesetze und Obrigkeiten. Auch
ihnen wird das Spiel gleich zur herrschenden Leidenschaft.
Auch unter ihnen gibt es feine Betrüger und einschmei-
chelnde Beutelschneider. Auch unter ihnen entstehen
daraus Feindschaften, garstige Reden, ein grenzenloses

Schwö-

waͤre, wenn man den Bauern alle Geldſpiele und Kar-
tenſpiele ſchlechterdings verboͤte. Die Trunkenheit iſt
ſchon ſchlimme Seuche genug fuͤr ſie. Dagegen hilft
aber, wie ich aus vielfaͤltiger Erfahrung weis, morali-
ſcher Unterricht und koͤrperliche Strafen faſt gar nichts,
weder in einem ganzen Dorfe, noch bei einzelnen Perſo-
nen. Man koͤnnte auch das, wiewohl ich weit entfernt
bin, des Laſters Sachwalter zu ſeyn, noch eher entſchul-
digen. Der Bauer baut das ganze Jahr in ſeinen Re-
ben, daher freut er ſich immer auf den Herbſt, und
ſchweift hernach aus in der Freude. Er arbeitet immer
harte Arbeit, und vergießt manchen Schweistropfen.
Fuͤr das alles ſoll ihn nun Wein ſchadlos halten, und
wenn dann zuweilen, wie jetzt geſchah, ſo viel eingeſam-
melt wuͤrde, daß man nicht Faͤſſer genug haͤtte, warum
ſoll ihn der Bauer nicht auch bis zur Froͤlichkeit trinken
duͤrfen? Er iſt und bleibt doch allemal der geplagteſte
Stand im ganzen Staat, und er hat allemal das erſte
Recht an das, was er mit ſeiner Haͤnde Arbeit gewon-
nen hat. Aber zur Entſchuldigung des Spielens unter
den Bauern laͤßt ſich nichts ſagen, und die damit ver-
knuͤpften ſchaͤdlichen Folgen liegen am Tage. Der ge-
meine Mann weis nicht Maas und Ziel zu halten. Im
Uebermaas der Luſtigkeit zieht er gleich die ganze Schweins-
blaſe voll Geld aus der Taſche, und ſchuͤttet es auf den
Tiſch. Er macht gleich Bruͤderſchaft mit jedem, ver-
gißt Frau, Kinder, Haushaltung, Abgaben, richtige
Beſorgung ſeines Viehes, Geſetze und Obrigkeiten. Auch
ihnen wird das Spiel gleich zur herrſchenden Leidenſchaft.
Auch unter ihnen gibt es feine Betruͤger und einſchmei-
chelnde Beutelſchneider. Auch unter ihnen entſtehen
daraus Feindſchaften, garſtige Reden, ein grenzenloſes

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[333/0371] waͤre, wenn man den Bauern alle Geldſpiele und Kar- tenſpiele ſchlechterdings verboͤte. Die Trunkenheit iſt ſchon ſchlimme Seuche genug fuͤr ſie. Dagegen hilft aber, wie ich aus vielfaͤltiger Erfahrung weis, morali- ſcher Unterricht und koͤrperliche Strafen faſt gar nichts, weder in einem ganzen Dorfe, noch bei einzelnen Perſo- nen. Man koͤnnte auch das, wiewohl ich weit entfernt bin, des Laſters Sachwalter zu ſeyn, noch eher entſchul- digen. Der Bauer baut das ganze Jahr in ſeinen Re- ben, daher freut er ſich immer auf den Herbſt, und ſchweift hernach aus in der Freude. Er arbeitet immer harte Arbeit, und vergießt manchen Schweistropfen. Fuͤr das alles ſoll ihn nun Wein ſchadlos halten, und wenn dann zuweilen, wie jetzt geſchah, ſo viel eingeſam- melt wuͤrde, daß man nicht Faͤſſer genug haͤtte, warum ſoll ihn der Bauer nicht auch bis zur Froͤlichkeit trinken duͤrfen? Er iſt und bleibt doch allemal der geplagteſte Stand im ganzen Staat, und er hat allemal das erſte Recht an das, was er mit ſeiner Haͤnde Arbeit gewon- nen hat. Aber zur Entſchuldigung des Spielens unter den Bauern laͤßt ſich nichts ſagen, und die damit ver- knuͤpften ſchaͤdlichen Folgen liegen am Tage. Der ge- meine Mann weis nicht Maas und Ziel zu halten. Im Uebermaas der Luſtigkeit zieht er gleich die ganze Schweins- blaſe voll Geld aus der Taſche, und ſchuͤttet es auf den Tiſch. Er macht gleich Bruͤderſchaft mit jedem, ver- gißt Frau, Kinder, Haushaltung, Abgaben, richtige Beſorgung ſeines Viehes, Geſetze und Obrigkeiten. Auch ihnen wird das Spiel gleich zur herrſchenden Leidenſchaft. Auch unter ihnen gibt es feine Betruͤger und einſchmei- chelnde Beutelſchneider. Auch unter ihnen entſtehen daraus Feindſchaften, garſtige Reden, ein grenzenloſes Schwoͤ-

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/371>, abgerufen am 25.11.2024.