weil das Domkapitel so viele Gefälle hat, so kommt in der Stadt alle Jahre ein äusserst beträchtlicher Vorrath von Frucht oder Getreide zusammen, worein sich Einwoh- ner und Auswärtige theilen.
Herr Stadthauptmann Grether gab mir die Zahl der Bürger gegen 500, und die Zahl der Beisassen oder Hintersassen über 200. an.
Spelz ist die vorzüglichste Winterfrucht, die von diesen Leuten gebaut wird. Sie brauchen den Spelz zu Brodmehl und zu Weismehl. Er wird auch in die nahe liegenden Gebürge verkauft, d. h. in das Elsaß, nach Landau etc. Allemal verkauft man ihn, so lange er noch in Hülsen ist, man verkauft niemals Kerne.
Weizen wird gar nicht gebaut. Etwas Korn pflanzt man hier, theils im Winter, theils im Sommer, aber doch nicht genug. Die Bürger müssen es selber von den Geistlichen kaufen. Es ist nämlich in dieser Reichs- stadt die grosse Niederlage von allen Zehenden und Gül- den, die das Domkapitel in der ganzen Gegend zu be- ziehen hat. Dadurch kommt eine gewaltige Menge von Getreide hieher. Mehr als 20,000. Malter werden ge- wis alle Jahre in die Stadt geführt. Ein einziger Dom- herr hat oft 1000. Malter. Man kan aber die Total- summe nicht gewis bestimmen, weil bei der katholischen Geistlichkeit alles geheim gehalten wird. Jeder katholi- sche Geistliche hat einen Vorrath von Früchten; auf dem Wochenmarkte wird das Wenigste davon verkauft. Es sind aber viele und grosse Speicher hier, und aus diesen kaufen die Bäcker und Müller ihr Getreide. Die Stadt Speier hält deswegen immer vier Kornmesser, und aus- ser diesen haben noch die Geistlichen ihre eigene Korn-
messer
weil das Domkapitel ſo viele Gefaͤlle hat, ſo kommt in der Stadt alle Jahre ein aͤuſſerſt betraͤchtlicher Vorrath von Frucht oder Getreide zuſammen, worein ſich Einwoh- ner und Auswaͤrtige theilen.
Herr Stadthauptmann Grether gab mir die Zahl der Buͤrger gegen 500, und die Zahl der Beiſaſſen oder Hinterſaſſen uͤber 200. an.
Spelz iſt die vorzuͤglichſte Winterfrucht, die von dieſen Leuten gebaut wird. Sie brauchen den Spelz zu Brodmehl und zu Weismehl. Er wird auch in die nahe liegenden Gebuͤrge verkauft, d. h. in das Elſaß, nach Landau ꝛc. Allemal verkauft man ihn, ſo lange er noch in Huͤlſen iſt, man verkauft niemals Kerne.
Weizen wird gar nicht gebaut. Etwas Korn pflanzt man hier, theils im Winter, theils im Sommer, aber doch nicht genug. Die Buͤrger muͤſſen es ſelber von den Geiſtlichen kaufen. Es iſt naͤmlich in dieſer Reichs- ſtadt die groſſe Niederlage von allen Zehenden und Guͤl- den, die das Domkapitel in der ganzen Gegend zu be- ziehen hat. Dadurch kommt eine gewaltige Menge von Getreide hieher. Mehr als 20,000. Malter werden ge- wis alle Jahre in die Stadt gefuͤhrt. Ein einziger Dom- herr hat oft 1000. Malter. Man kan aber die Total- ſumme nicht gewis beſtimmen, weil bei der katholiſchen Geiſtlichkeit alles geheim gehalten wird. Jeder katholi- ſche Geiſtliche hat einen Vorrath von Fruͤchten; auf dem Wochenmarkte wird das Wenigſte davon verkauft. Es ſind aber viele und groſſe Speicher hier, und aus dieſen kaufen die Baͤcker und Muͤller ihr Getreide. Die Stadt Speier haͤlt deswegen immer vier Kornmeſſer, und auſ- ſer dieſen haben noch die Geiſtlichen ihre eigene Korn-
meſſer
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weil das Domkapitel ſo viele Gefaͤlle hat, ſo kommt in
der Stadt alle Jahre ein aͤuſſerſt betraͤchtlicher Vorrath
von Frucht oder Getreide zuſammen, worein ſich Einwoh-
ner und Auswaͤrtige theilen.
Herr Stadthauptmann Grether gab mir die Zahl
der Buͤrger gegen 500, und die Zahl der Beiſaſſen oder
Hinterſaſſen uͤber 200. an.
Spelz iſt die vorzuͤglichſte Winterfrucht, die von
dieſen Leuten gebaut wird. Sie brauchen den Spelz zu
Brodmehl und zu Weismehl. Er wird auch in die nahe
liegenden Gebuͤrge verkauft, d. h. in das Elſaß, nach
Landau ꝛc. Allemal verkauft man ihn, ſo lange er
noch in Huͤlſen iſt, man verkauft niemals Kerne.
Weizen wird gar nicht gebaut. Etwas Korn
pflanzt man hier, theils im Winter, theils im Sommer,
aber doch nicht genug. Die Buͤrger muͤſſen es ſelber von
den Geiſtlichen kaufen. Es iſt naͤmlich in dieſer Reichs-
ſtadt die groſſe Niederlage von allen Zehenden und Guͤl-
den, die das Domkapitel in der ganzen Gegend zu be-
ziehen hat. Dadurch kommt eine gewaltige Menge von
Getreide hieher. Mehr als 20,000. Malter werden ge-
wis alle Jahre in die Stadt gefuͤhrt. Ein einziger Dom-
herr hat oft 1000. Malter. Man kan aber die Total-
ſumme nicht gewis beſtimmen, weil bei der katholiſchen
Geiſtlichkeit alles geheim gehalten wird. Jeder katholi-
ſche Geiſtliche hat einen Vorrath von Fruͤchten; auf dem
Wochenmarkte wird das Wenigſte davon verkauft. Es
ſind aber viele und groſſe Speicher hier, und aus dieſen
kaufen die Baͤcker und Muͤller ihr Getreide. Die Stadt
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ſer dieſen haben noch die Geiſtlichen ihre eigene Korn-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/342>, abgerufen am 24.11.2024.
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