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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

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Der Deserteur lief vom Posten in das Schweizerische Ge-
biet. Man schoß nach ihm, traf ihn aber nicht, und
er war frei. Zwei Offiziere gingen zu ihm, sie konnten
ihn aber nicht wieder zurückbringen.

An einem Hause, nahe bei diesem Thore, sieht man
auch noch einen in Stein ausgehauenen Kopf von Jo-
hann Huß,
weil man den verfolgten Mann in diesem
Hause wieder ergriff, als er aus seinem Gefängnis ent-
sprungen war. Hier soll er zum letztenmale, als Prie-
ster der katholischen Kirche, die Hostie konsekrirt haben.
Da ergriff ihn die Tygerklaue der Verfolgung wieder, und
schleppte das schuldlose Lamm nach der Festung Gottle-
ben,
wo er, wie die Geschichte sagt, grausam behandelt
wurde.

Der Kaiser hält hier einen Stadthauptmann, den
aber die Stadt bezahlen muß.

Das Gassenbetteln ist unendlich arg, wegen der
schläfrigen Polizei, wegen der vielen Klöster, und wegen
der Lage der Stadt an der Grenze von zwei Ländern.
Wird in Schwaben, wie oft geschieht, gestreift, so
läuft das schlechte Gesindel nach der Schweiz und bleibt
im Durchgehen hier liegen.

Auch gemeinern Leuten muß ich's zum Lobe nachsa-
gen: Sie geben sich alle Mühe, den Fremden zu unter-
halten. Den Vernünftigen thut der Verfall der Stadt
wehe.

Es ist wohl noch eine Folge der ehemaligen Reichs-
städtischen Verfassung, daß die Leute hier mit grossen
Titeln sehr freigebig sind.

Niemand sagt hier Costnitz, durchgängig redet man
von Costanz. Es heissen auch viele Leute Constantin.

Man

Der Deſerteur lief vom Poſten in das Schweizeriſche Ge-
biet. Man ſchoß nach ihm, traf ihn aber nicht, und
er war frei. Zwei Offiziere gingen zu ihm, ſie konnten
ihn aber nicht wieder zuruͤckbringen.

An einem Hauſe, nahe bei dieſem Thore, ſieht man
auch noch einen in Stein ausgehauenen Kopf von Jo-
hann Huß,
weil man den verfolgten Mann in dieſem
Hauſe wieder ergriff, als er aus ſeinem Gefaͤngnis ent-
ſprungen war. Hier ſoll er zum letztenmale, als Prie-
ſter der katholiſchen Kirche, die Hoſtie konſekrirt haben.
Da ergriff ihn die Tygerklaue der Verfolgung wieder, und
ſchleppte das ſchuldloſe Lamm nach der Feſtung Gottle-
ben,
wo er, wie die Geſchichte ſagt, grauſam behandelt
wurde.

Der Kaiſer haͤlt hier einen Stadthauptmann, den
aber die Stadt bezahlen muß.

Das Gaſſenbetteln iſt unendlich arg, wegen der
ſchlaͤfrigen Polizei, wegen der vielen Kloͤſter, und wegen
der Lage der Stadt an der Grenze von zwei Laͤndern.
Wird in Schwaben, wie oft geſchieht, geſtreift, ſo
laͤuft das ſchlechte Geſindel nach der Schweiz und bleibt
im Durchgehen hier liegen.

Auch gemeinern Leuten muß ich’s zum Lobe nachſa-
gen: Sie geben ſich alle Muͤhe, den Fremden zu unter-
halten. Den Vernuͤnftigen thut der Verfall der Stadt
wehe.

Es iſt wohl noch eine Folge der ehemaligen Reichs-
ſtaͤdtiſchen Verfaſſung, daß die Leute hier mit groſſen
Titeln ſehr freigebig ſind.

Niemand ſagt hier Coſtnitz, durchgaͤngig redet man
von Coſtanz. Es heiſſen auch viele Leute Conſtantin.

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[283/0321] Der Deſerteur lief vom Poſten in das Schweizeriſche Ge- biet. Man ſchoß nach ihm, traf ihn aber nicht, und er war frei. Zwei Offiziere gingen zu ihm, ſie konnten ihn aber nicht wieder zuruͤckbringen. An einem Hauſe, nahe bei dieſem Thore, ſieht man auch noch einen in Stein ausgehauenen Kopf von Jo- hann Huß, weil man den verfolgten Mann in dieſem Hauſe wieder ergriff, als er aus ſeinem Gefaͤngnis ent- ſprungen war. Hier ſoll er zum letztenmale, als Prie- ſter der katholiſchen Kirche, die Hoſtie konſekrirt haben. Da ergriff ihn die Tygerklaue der Verfolgung wieder, und ſchleppte das ſchuldloſe Lamm nach der Feſtung Gottle- ben, wo er, wie die Geſchichte ſagt, grauſam behandelt wurde. Der Kaiſer haͤlt hier einen Stadthauptmann, den aber die Stadt bezahlen muß. Das Gaſſenbetteln iſt unendlich arg, wegen der ſchlaͤfrigen Polizei, wegen der vielen Kloͤſter, und wegen der Lage der Stadt an der Grenze von zwei Laͤndern. Wird in Schwaben, wie oft geſchieht, geſtreift, ſo laͤuft das ſchlechte Geſindel nach der Schweiz und bleibt im Durchgehen hier liegen. Auch gemeinern Leuten muß ich’s zum Lobe nachſa- gen: Sie geben ſich alle Muͤhe, den Fremden zu unter- halten. Den Vernuͤnftigen thut der Verfall der Stadt wehe. Es iſt wohl noch eine Folge der ehemaligen Reichs- ſtaͤdtiſchen Verfaſſung, daß die Leute hier mit groſſen Titeln ſehr freigebig ſind. Niemand ſagt hier Coſtnitz, durchgaͤngig redet man von Coſtanz. Es heiſſen auch viele Leute Conſtantin. Man

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/321>, abgerufen am 25.11.2024.