Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Wesenstein, 2 Stunden von Pirna. Ich ritt
auf Hr. M. Küttner's Pferde hin. Dieser wichtige
Rittersitz liegt in einer ganz unbeschreiblich reizenden Ge-
gend, und gehört dem Hessischen Geheimenrath Hrn.
Baron von Uckermann, der es für 120,000. Thaler er-
kauft hat *). Er war erst Kaufmann, ward aber im
siebenjährigen Kriege Generallieferant bei der Aliirten
Armee, erwarb sich dabei grosse Summen, setzte sich darauf
zur Ruhe und kaufte sich in Sachsen an, wie er denn
noch ein herliches Guth Bendeleben in Thüringen be-
sitzt. Vorher hat er sich lange Zeit mit seiner Gemah-
lin **) in Engelland aufgehalten. Der König von
Preussen bot ihm etlichemahl alle Vortheile an, wenn er
sich in seinen Staaten niederlassen wollte, er dachte aber
anders. --

Er ist übrigens schon sehr bei Jahren, ein wahrer
edler Menschenfreund, ohne Stolz, nimmt daher auch
die Excellenz nicht an, besitzt ein grosses kommerzirendes
Genie, und liebt eine vernünftige Lektüre.

Dabei lebt er auf einen, seinem grossen Vermögen
angemessenen und anständigen Fuß. Er ist im engli-
schen Geschmack herrlich meublirt, führt eine delikate Ta-
fel, und hat einen herrlichen Weinkeller. Oft kauft er für
2000. Thaler Bacharacher, Nierensteiner und dergl.

auch
*) Es gehören viele Dörfer dazu.
**) Die Frau von Uckermann hat von einer Englischen
Lady eine Uhr gekauft, deren Gehäus ein Einziger
Türkis ist, auch die Kette ist aus lauter Stücken von
Türkissen zusammen gesetzt. Man sieht noch weisse
Streifen hie und da darin.
L 3

Weſenſtein, 2 Stunden von Pirna. Ich ritt
auf Hr. M. Kuͤttner’s Pferde hin. Dieſer wichtige
Ritterſitz liegt in einer ganz unbeſchreiblich reizenden Ge-
gend, und gehoͤrt dem Heſſiſchen Geheimenrath Hrn.
Baron von Uckermann, der es fuͤr 120,000. Thaler er-
kauft hat *). Er war erſt Kaufmann, ward aber im
ſiebenjaͤhrigen Kriege Generallieferant bei der Aliirten
Armee, erwarb ſich dabei groſſe Summen, ſetzte ſich darauf
zur Ruhe und kaufte ſich in Sachſen an, wie er denn
noch ein herliches Guth Bendeleben in Thuͤringen be-
ſitzt. Vorher hat er ſich lange Zeit mit ſeiner Gemah-
lin **) in Engelland aufgehalten. Der Koͤnig von
Preuſſen bot ihm etlichemahl alle Vortheile an, wenn er
ſich in ſeinen Staaten niederlaſſen wollte, er dachte aber
anders. —

Er iſt uͤbrigens ſchon ſehr bei Jahren, ein wahrer
edler Menſchenfreund, ohne Stolz, nimmt daher auch
die Excellenz nicht an, beſitzt ein groſſes kommerzirendes
Genie, und liebt eine vernuͤnftige Lektuͤre.

Dabei lebt er auf einen, ſeinem groſſen Vermoͤgen
angemeſſenen und anſtaͤndigen Fuß. Er iſt im engli-
ſchen Geſchmack herrlich meublirt, fuͤhrt eine delikate Ta-
fel, und hat einen herrlichen Weinkeller. Oft kauft er fuͤr
2000. Thaler Bacharacher, Nierenſteiner und dergl.

auch
*) Es gehoͤren viele Doͤrfer dazu.
**) Die Frau von Uckermann hat von einer Engliſchen
Lady eine Uhr gekauft, deren Gehaͤus ein Einziger
Tuͤrkis iſt, auch die Kette iſt aus lauter Stuͤcken von
Tuͤrkiſſen zuſammen geſetzt. Man ſieht noch weiſſe
Streifen hie und da darin.
L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0203" n="165"/>
            <p><hi rendition="#fr">We&#x017F;en&#x017F;tein,</hi> 2 Stunden von <hi rendition="#fr">Pirna.</hi> Ich ritt<lb/>
auf Hr. M. <hi rendition="#fr">Ku&#x0364;ttner</hi>&#x2019;s Pferde hin. Die&#x017F;er wichtige<lb/>
Ritter&#x017F;itz liegt in einer ganz unbe&#x017F;chreiblich reizenden Ge-<lb/>
gend, und geho&#x0364;rt dem <hi rendition="#fr">He&#x017F;&#x017F;</hi>i&#x017F;chen Geheimenrath Hrn.<lb/>
Baron von <hi rendition="#fr">Uckermann,</hi> der es fu&#x0364;r 120,000. Thaler er-<lb/>
kauft hat <note place="foot" n="*)">Es geho&#x0364;ren viele Do&#x0364;rfer dazu.</note>. Er war er&#x017F;t Kaufmann, ward aber im<lb/>
&#x017F;iebenja&#x0364;hrigen Kriege Generallieferant bei der Aliirten<lb/>
Armee, erwarb &#x017F;ich dabei gro&#x017F;&#x017F;e Summen, &#x017F;etzte &#x017F;ich darauf<lb/>
zur Ruhe und kaufte &#x017F;ich in <hi rendition="#fr">Sach&#x017F;en</hi> an, wie er denn<lb/>
noch ein herliches Guth <hi rendition="#fr">Bendeleben</hi> in <hi rendition="#fr">Thu&#x0364;ringen</hi> be-<lb/>
&#x017F;itzt. Vorher hat er &#x017F;ich lange Zeit mit &#x017F;einer Gemah-<lb/>
lin <note place="foot" n="**)">Die Frau von <hi rendition="#fr">Uckermann</hi> hat von einer Engli&#x017F;chen<lb/>
Lady eine Uhr gekauft, deren Geha&#x0364;us ein Einziger<lb/>
Tu&#x0364;rkis i&#x017F;t, auch die Kette i&#x017F;t aus lauter Stu&#x0364;cken von<lb/>
Tu&#x0364;rki&#x017F;&#x017F;en zu&#x017F;ammen ge&#x017F;etzt. Man &#x017F;ieht noch wei&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Streifen hie und da darin.</note> in <hi rendition="#fr">Engelland</hi> aufgehalten. Der Ko&#x0364;nig von<lb/><hi rendition="#fr">Preu&#x017F;&#x017F;en</hi> bot ihm etlichemahl alle Vortheile an, wenn er<lb/>
&#x017F;ich in &#x017F;einen Staaten niederla&#x017F;&#x017F;en wollte, er dachte aber<lb/>
anders. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Er i&#x017F;t u&#x0364;brigens &#x017F;chon &#x017F;ehr bei Jahren, ein wahrer<lb/>
edler Men&#x017F;chenfreund, ohne Stolz, nimmt daher auch<lb/>
die Excellenz nicht an, be&#x017F;itzt ein gro&#x017F;&#x017F;es kommerzirendes<lb/>
Genie, und liebt eine vernu&#x0364;nftige Lektu&#x0364;re.</p><lb/>
            <p>Dabei lebt er auf einen, &#x017F;einem gro&#x017F;&#x017F;en Vermo&#x0364;gen<lb/>
angeme&#x017F;&#x017F;enen und an&#x017F;ta&#x0364;ndigen Fuß. Er i&#x017F;t im engli-<lb/>
&#x017F;chen Ge&#x017F;chmack herrlich meublirt, fu&#x0364;hrt eine delikate Ta-<lb/>
fel, und hat einen herrlichen Weinkeller. Oft kauft er fu&#x0364;r<lb/>
2000. Thaler <hi rendition="#fr">Bacharacher, Nieren&#x017F;teiner</hi> und dergl.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 3</fw><fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0203] Weſenſtein, 2 Stunden von Pirna. Ich ritt auf Hr. M. Kuͤttner’s Pferde hin. Dieſer wichtige Ritterſitz liegt in einer ganz unbeſchreiblich reizenden Ge- gend, und gehoͤrt dem Heſſiſchen Geheimenrath Hrn. Baron von Uckermann, der es fuͤr 120,000. Thaler er- kauft hat *). Er war erſt Kaufmann, ward aber im ſiebenjaͤhrigen Kriege Generallieferant bei der Aliirten Armee, erwarb ſich dabei groſſe Summen, ſetzte ſich darauf zur Ruhe und kaufte ſich in Sachſen an, wie er denn noch ein herliches Guth Bendeleben in Thuͤringen be- ſitzt. Vorher hat er ſich lange Zeit mit ſeiner Gemah- lin **) in Engelland aufgehalten. Der Koͤnig von Preuſſen bot ihm etlichemahl alle Vortheile an, wenn er ſich in ſeinen Staaten niederlaſſen wollte, er dachte aber anders. — Er iſt uͤbrigens ſchon ſehr bei Jahren, ein wahrer edler Menſchenfreund, ohne Stolz, nimmt daher auch die Excellenz nicht an, beſitzt ein groſſes kommerzirendes Genie, und liebt eine vernuͤnftige Lektuͤre. Dabei lebt er auf einen, ſeinem groſſen Vermoͤgen angemeſſenen und anſtaͤndigen Fuß. Er iſt im engli- ſchen Geſchmack herrlich meublirt, fuͤhrt eine delikate Ta- fel, und hat einen herrlichen Weinkeller. Oft kauft er fuͤr 2000. Thaler Bacharacher, Nierenſteiner und dergl. auch *) Es gehoͤren viele Doͤrfer dazu. **) Die Frau von Uckermann hat von einer Engliſchen Lady eine Uhr gekauft, deren Gehaͤus ein Einziger Tuͤrkis iſt, auch die Kette iſt aus lauter Stuͤcken von Tuͤrkiſſen zuſammen geſetzt. Man ſieht noch weiſſe Streifen hie und da darin. L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/203
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/203>, abgerufen am 24.11.2024.