Waisenhaus zu besuchen, und so machte ich auch dem Hrn. Prof. Freylinghausen meinen Besuch. Schon alt aber noch munter. Ein sanfter, gutmüthi- ger, rechtschaffener Gottesgelehrter.
Hr. Inspektor Fischer führte mich herum, und so gingen wir zuerst durch die Klassen. Jede ist Gros und Klein, nur Septima nicht. Selecta existirt gar nicht. Sie liegen nahe an einander. Ich bemerkte darin viel Ordnung und Stille, aber auch Verschieden- heit der Lehrer. In Grossekunda hörte ich eine Dispu- tation über die Ewigkeit der Höllenstrafen!! --
Die Apotheke ist vortreflich eingerichtet, reichlich versehen, und gehört mit zu den besten in Deutschland. Man sagte mir, daß jährlich wohl ein Zentner Rhabar- ber und 100. Pfund China verbraucht werde. Erstere ziehen sie über Lübeck aus Moskau, die Käferthal- sche halte sich in der Art nur 3. Jahre.
Das Konviktorium und die Küche. Zum Ko- fend und Bier braucht man zinnerne Becher. In der Küche sind grosse kupferne Kessel, in denen eben Schöp- senfleisch gekocht ward. Das Brod war herrlich. Das Waisenhaus hat seine eigene grosse Landwirthschaft, und doch muß noch viel Milch, Butter etc. gekauft werden. Es werden aber auch wohl an die tausend Menschen hier ernährt *).
Das
*) Im J. 1771. waren darin 731. Lehrer, Schüler und 181. Studenten, die Unterricht gaben. Siehe Ma-
gazin
Den 14ten Aug.
Mein erſtes war heute das hieſige beruͤhmte
Waiſenhaus zu beſuchen, und ſo machte ich auch dem Hrn. Prof. Freylinghauſen meinen Beſuch. Schon alt aber noch munter. Ein ſanfter, gutmuͤthi- ger, rechtſchaffener Gottesgelehrter.
Hr. Inſpektor Fiſcher fuͤhrte mich herum, und ſo gingen wir zuerſt durch die Klaſſen. Jede iſt Gros und Klein, nur Septima nicht. Selecta exiſtirt gar nicht. Sie liegen nahe an einander. Ich bemerkte darin viel Ordnung und Stille, aber auch Verſchieden- heit der Lehrer. In Grosſekunda hoͤrte ich eine Diſpu- tation uͤber die Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen!! —
Die Apotheke iſt vortreflich eingerichtet, reichlich verſehen, und gehoͤrt mit zu den beſten in Deutſchland. Man ſagte mir, daß jaͤhrlich wohl ein Zentner Rhabar- ber und 100. Pfund China verbraucht werde. Erſtere ziehen ſie uͤber Luͤbeck aus Moskau, die Kaͤferthal- ſche halte ſich in der Art nur 3. Jahre.
Das Konviktorium und die Kuͤche. Zum Ko- fend und Bier braucht man zinnerne Becher. In der Kuͤche ſind groſſe kupferne Keſſel, in denen eben Schoͤp- ſenfleiſch gekocht ward. Das Brod war herrlich. Das Waiſenhaus hat ſeine eigene groſſe Landwirthſchaft, und doch muß noch viel Milch, Butter ꝛc. gekauft werden. Es werden aber auch wohl an die tauſend Menſchen hier ernaͤhrt *).
Das
*) Im J. 1771. waren darin 731. Lehrer, Schuͤler und 181. Studenten, die Unterricht gaben. Siehe Ma-
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Den 14ten Aug.
Mein erſtes war heute das hieſige beruͤhmte
Waiſenhaus zu beſuchen, und ſo machte ich auch
dem Hrn. Prof. Freylinghauſen meinen Beſuch.
Schon alt aber noch munter. Ein ſanfter, gutmuͤthi-
ger, rechtſchaffener Gottesgelehrter.
Hr. Inſpektor Fiſcher fuͤhrte mich herum, und ſo
gingen wir zuerſt durch die Klaſſen. Jede iſt Gros
und Klein, nur Septima nicht. Selecta exiſtirt gar
nicht. Sie liegen nahe an einander. Ich bemerkte
darin viel Ordnung und Stille, aber auch Verſchieden-
heit der Lehrer. In Grosſekunda hoͤrte ich eine Diſpu-
tation uͤber die Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen!! —
Die Apotheke iſt vortreflich eingerichtet, reichlich
verſehen, und gehoͤrt mit zu den beſten in Deutſchland.
Man ſagte mir, daß jaͤhrlich wohl ein Zentner Rhabar-
ber und 100. Pfund China verbraucht werde. Erſtere
ziehen ſie uͤber Luͤbeck aus Moskau, die Kaͤferthal-
ſche halte ſich in der Art nur 3. Jahre.
Das Konviktorium und die Kuͤche. Zum Ko-
fend und Bier braucht man zinnerne Becher. In der
Kuͤche ſind groſſe kupferne Keſſel, in denen eben Schoͤp-
ſenfleiſch gekocht ward. Das Brod war herrlich. Das
Waiſenhaus hat ſeine eigene groſſe Landwirthſchaft, und
doch muß noch viel Milch, Butter ꝛc. gekauft werden.
Es werden aber auch wohl an die tauſend Menſchen hier
ernaͤhrt *).
Das
*) Im J. 1771. waren darin 731. Lehrer, Schuͤler und
181. Studenten, die Unterricht gaben. Siehe Ma-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/160>, abgerufen am 24.11.2024.
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