Das schönste Stück, was ich hier fand, war ein aufge- trockneter Lemur volans L. den Linne' aber nicht gese- hen, und der schwer zu ordnen ist. In der obern Kinn- lade hat er gar keine Incisores, die in der untern sind pectinati, sie haben die feinsten Einschnitte; canini oder laniarii sind auch keine da. An den Flügelhäuten, die wollicht sind, aber wie getrocknetes Pergament ra- scheln, sind vorne scharfe umgebogene Klauen etc. Un- ter die Primates gehört er nun gewis nicht. Von hier ging ich und besah die
Insektensammlung der beiden Brüder Schaller, auf dem Domplatze. Es ist sehr nett und vollständig, und enthält in- und ausländische Insekten in Kasten, die über und in einander gesetzt werden können. Der Buprestis Chrys. Fabr. aus Indien war häufig da, und gar prächtig. Die Besitzer haben schon zweimahl ihre Sammlung nach Wien und Wernigerode verkauft, sammeln aber immer wieder. Sie verstehen die Kunst, Flügel, Körper etc. fein zusammen zu setzen. Sie sind ihrem eigentlichen Gewerbe nach Strumpfstricker.
Auf den Abend war ich beim Hrn. Dr. Nösselt im Gartensaal mit Hrn. Prof. Niemeier und seinem Bru- der, einem Glauchischen Prediger zu Tische. Die Un- terredung fiel auch auf die Todesstrafen, und da gestand Hr. Dr. Nösselt doch, daß der Geschäftsträger, oder der Akten gelesen hat, manches besser einsieht, als der akademische Gelehrte etc. Bei Gelegenheit erfuhr ich auch, daß er in Paris gewesen war, daher er mich nach Manchem von dorther fragte.
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Das ſchoͤnſte Stuͤck, was ich hier fand, war ein aufge- trockneter Lemur volans L. den Linne’ aber nicht geſe- hen, und der ſchwer zu ordnen iſt. In der obern Kinn- lade hat er gar keine Inciſores, die in der untern ſind pectinati, ſie haben die feinſten Einſchnitte; canini oder laniarii ſind auch keine da. An den Fluͤgelhaͤuten, die wollicht ſind, aber wie getrocknetes Pergament ra- ſcheln, ſind vorne ſcharfe umgebogene Klauen ꝛc. Un- ter die Primates gehoͤrt er nun gewis nicht. Von hier ging ich und beſah die
Inſektenſammlung der beiden Bruͤder Schaller, auf dem Domplatze. Es iſt ſehr nett und vollſtaͤndig, und enthaͤlt in- und auslaͤndiſche Inſekten in Kaſten, die uͤber und in einander geſetzt werden koͤnnen. Der Bupreſtis Chryſ. Fabr. aus Indien war haͤufig da, und gar praͤchtig. Die Beſitzer haben ſchon zweimahl ihre Sammlung nach Wien und Wernigerode verkauft, ſammeln aber immer wieder. Sie verſtehen die Kunſt, Fluͤgel, Koͤrper ꝛc. fein zuſammen zu ſetzen. Sie ſind ihrem eigentlichen Gewerbe nach Strumpfſtricker.
Auf den Abend war ich beim Hrn. Dr. Noͤſſelt im Gartenſaal mit Hrn. Prof. Niemeier und ſeinem Bru- der, einem Glauchiſchen Prediger zu Tiſche. Die Un- terredung fiel auch auf die Todesſtrafen, und da geſtand Hr. Dr. Noͤſſelt doch, daß der Geſchaͤftstraͤger, oder der Akten geleſen hat, manches beſſer einſieht, als der akademiſche Gelehrte ꝛc. Bei Gelegenheit erfuhr ich auch, daß er in Paris geweſen war, daher er mich nach Manchem von dorther fragte.
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Das ſchoͤnſte Stuͤck, was ich hier fand, war ein aufge-
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hen, und der ſchwer zu ordnen iſt. In der obern Kinn-
lade hat er gar keine Inciſores, die in der untern ſind
pectinati, ſie haben die feinſten Einſchnitte; canini
oder laniarii ſind auch keine da. An den Fluͤgelhaͤuten,
die wollicht ſind, aber wie getrocknetes Pergament ra-
ſcheln, ſind vorne ſcharfe umgebogene Klauen ꝛc. Un-
ter die Primates gehoͤrt er nun gewis nicht. Von hier
ging ich und beſah die
Inſektenſammlung der beiden Bruͤder Schaller,
auf dem Domplatze. Es iſt ſehr nett und vollſtaͤndig,
und enthaͤlt in- und auslaͤndiſche Inſekten in Kaſten,
die uͤber und in einander geſetzt werden koͤnnen. Der
Bupreſtis Chryſ. Fabr. aus Indien war haͤufig da,
und gar praͤchtig. Die Beſitzer haben ſchon zweimahl
ihre Sammlung nach Wien und Wernigerode verkauft,
ſammeln aber immer wieder. Sie verſtehen die Kunſt,
Fluͤgel, Koͤrper ꝛc. fein zuſammen zu ſetzen. Sie ſind
ihrem eigentlichen Gewerbe nach Strumpfſtricker.
Auf den Abend war ich beim Hrn. Dr. Noͤſſelt im
Gartenſaal mit Hrn. Prof. Niemeier und ſeinem Bru-
der, einem Glauchiſchen Prediger zu Tiſche. Die Un-
terredung fiel auch auf die Todesſtrafen, und da geſtand
Hr. Dr. Noͤſſelt doch, daß der Geſchaͤftstraͤger, oder
der Akten geleſen hat, manches beſſer einſieht, als der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/159>, abgerufen am 24.11.2024.
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