Im Schlosse hier sind die Deckenstücke alle schlecht gemahlt, auch sieht man keine einzige schöne Stukkatur- arbeit. Die sogenannten neuen Zimmer aber sind mit vielem Geschmack angelegt. In der Bildergallerie hängen ausser einigen meisterhaften Gemälden von Ha- milton, die Eidechsen, Schnecken, Schmetterlinge dar- stellen, viele gemeine Stücke. Im Migniaturgemäl- desaal befindet sich in der Wand ein Cabinet de For- nication, wo alle mögliche wollüstige Stellungen und Unflätereien aufs feinste gemalt sind. Einige Tische be- merkte ich, die aus einem herrlichen rothen regulärgezeich- neten Landmarmor gemachtwaren. Auch sind im Schlosse die protestantische und die katholische Hofkapelle, in je- ner sieht das Untertheil der Kanzel einer Krautstaude nach.
Im Waisen- Zucht- und Tollhause, das seit 1736. hier angelegt ist, spinnt alles Wolle, die aber in der Hitze entsetzlich stinkt. Es war jetzt eines Superin- tendenten Tochter hier im Zuchthause, die von einem Manne geschieden worden, den andern mit Gift vergeben wollte, Ehebruch trieb, und doch schwatzen konnte, wie ein Engel.
Das hiesige militärische Waisenhaus gehört zu des Herzogs besten Anstalten. Hundert arme Kinder, davon 50. Knaben und 50. Mädchen sind, werden darin umsonst gekleidet, ernährt und unterrichtet. Ein Haupt- mann und seine Frau haben die Aufsicht über sie. Viel Reinlichkeit herrscht darin, aber alles ist auch militärisch, selbst bei den Mädchen. Sie spinnen Flachs, Hanf und Baumwolle, 120. schnellerliche Faden machen sie aus fei- ner Wolle aus Cayenne. Doch war das Tischzeug sehr zerlumpt und voller Löcher. Die Knaben brauchen nicht
alle
E 3
Im Schloſſe hier ſind die Deckenſtuͤcke alle ſchlecht gemahlt, auch ſieht man keine einzige ſchoͤne Stukkatur- arbeit. Die ſogenannten neuen Zimmer aber ſind mit vielem Geſchmack angelegt. In der Bildergallerie haͤngen auſſer einigen meiſterhaften Gemaͤlden von Ha- milton, die Eidechſen, Schnecken, Schmetterlinge dar- ſtellen, viele gemeine Stuͤcke. Im Migniaturgemaͤl- deſaal befindet ſich in der Wand ein Cabinet de For- nication, wo alle moͤgliche wolluͤſtige Stellungen und Unflaͤtereien aufs feinſte gemalt ſind. Einige Tiſche be- merkte ich, die aus einem herrlichen rothen regulaͤrgezeich- neten Landmarmor gemachtwaren. Auch ſind im Schloſſe die proteſtantiſche und die katholiſche Hofkapelle, in je- ner ſieht das Untertheil der Kanzel einer Krautſtaude nach.
Im Waiſen- Zucht- und Tollhauſe, das ſeit 1736. hier angelegt iſt, ſpinnt alles Wolle, die aber in der Hitze entſetzlich ſtinkt. Es war jetzt eines Superin- tendenten Tochter hier im Zuchthauſe, die von einem Manne geſchieden worden, den andern mit Gift vergeben wollte, Ehebruch trieb, und doch ſchwatzen konnte, wie ein Engel.
Das hieſige militaͤriſche Waiſenhaus gehoͤrt zu des Herzogs beſten Anſtalten. Hundert arme Kinder, davon 50. Knaben und 50. Maͤdchen ſind, werden darin umſonſt gekleidet, ernaͤhrt und unterrichtet. Ein Haupt- mann und ſeine Frau haben die Aufſicht uͤber ſie. Viel Reinlichkeit herrſcht darin, aber alles iſt auch militaͤriſch, ſelbſt bei den Maͤdchen. Sie ſpinnen Flachs, Hanf und Baumwolle, 120. ſchnellerliche Faden machen ſie aus fei- ner Wolle aus Cayenne. Doch war das Tiſchzeug ſehr zerlumpt und voller Loͤcher. Die Knaben brauchen nicht
alle
E 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0107"n="69"/><p>Im <hirendition="#fr">Schloſſe</hi> hier ſind die <hirendition="#fr">Deckenſtuͤcke</hi> alle ſchlecht<lb/>
gemahlt, auch ſieht man keine einzige ſchoͤne Stukkatur-<lb/>
arbeit. Die ſogenannten <hirendition="#fr">neuen Zimmer</hi> aber ſind mit<lb/>
vielem Geſchmack angelegt. In der <hirendition="#fr">Bildergallerie</hi><lb/>
haͤngen auſſer einigen meiſterhaften Gemaͤlden von <hirendition="#fr">Ha-<lb/>
milton,</hi> die Eidechſen, Schnecken, Schmetterlinge dar-<lb/>ſtellen, viele gemeine Stuͤcke. Im <hirendition="#fr">Migniaturgemaͤl-<lb/>
de</hi>ſaal befindet ſich in der Wand ein <hirendition="#aq">Cabinet de For-<lb/>
nication,</hi> wo alle moͤgliche wolluͤſtige Stellungen und<lb/>
Unflaͤtereien aufs feinſte gemalt ſind. Einige Tiſche be-<lb/>
merkte ich, die aus einem herrlichen rothen regulaͤrgezeich-<lb/>
neten Landmarmor gemachtwaren. Auch ſind im Schloſſe<lb/>
die <hirendition="#fr">proteſtantiſche</hi> und die <hirendition="#fr">katholiſche</hi> Hofkapelle, in je-<lb/>
ner ſieht das Untertheil der Kanzel einer Krautſtaude nach.</p><lb/><p>Im <hirendition="#fr">Waiſen- Zucht-</hi> und <hirendition="#fr">Tollhauſe,</hi> das ſeit<lb/>
1736. hier angelegt iſt, ſpinnt alles Wolle, die aber in<lb/>
der Hitze entſetzlich ſtinkt. Es war jetzt eines Superin-<lb/>
tendenten Tochter hier im Zuchthauſe, die von einem<lb/>
Manne geſchieden worden, den andern mit Gift vergeben<lb/>
wollte, Ehebruch trieb, und doch ſchwatzen konnte, wie<lb/>
ein Engel.</p><lb/><p>Das hieſige <hirendition="#fr">militaͤriſche Waiſenhaus</hi> gehoͤrt zu<lb/>
des Herzogs beſten Anſtalten. Hundert arme Kinder,<lb/>
davon 50. Knaben und 50. Maͤdchen ſind, werden darin<lb/>
umſonſt gekleidet, ernaͤhrt und unterrichtet. Ein Haupt-<lb/>
mann und ſeine Frau haben die Aufſicht uͤber ſie. Viel<lb/>
Reinlichkeit herrſcht darin, aber alles iſt auch militaͤriſch,<lb/>ſelbſt bei den Maͤdchen. Sie ſpinnen Flachs, Hanf und<lb/>
Baumwolle, 120. ſchnellerliche Faden machen ſie aus fei-<lb/>
ner Wolle aus <hirendition="#fr">Cayenne.</hi> Doch war das Tiſchzeug ſehr<lb/>
zerlumpt und voller Loͤcher. Die Knaben brauchen nicht<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">alle</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[69/0107]
Im Schloſſe hier ſind die Deckenſtuͤcke alle ſchlecht
gemahlt, auch ſieht man keine einzige ſchoͤne Stukkatur-
arbeit. Die ſogenannten neuen Zimmer aber ſind mit
vielem Geſchmack angelegt. In der Bildergallerie
haͤngen auſſer einigen meiſterhaften Gemaͤlden von Ha-
milton, die Eidechſen, Schnecken, Schmetterlinge dar-
ſtellen, viele gemeine Stuͤcke. Im Migniaturgemaͤl-
deſaal befindet ſich in der Wand ein Cabinet de For-
nication, wo alle moͤgliche wolluͤſtige Stellungen und
Unflaͤtereien aufs feinſte gemalt ſind. Einige Tiſche be-
merkte ich, die aus einem herrlichen rothen regulaͤrgezeich-
neten Landmarmor gemachtwaren. Auch ſind im Schloſſe
die proteſtantiſche und die katholiſche Hofkapelle, in je-
ner ſieht das Untertheil der Kanzel einer Krautſtaude nach.
Im Waiſen- Zucht- und Tollhauſe, das ſeit
1736. hier angelegt iſt, ſpinnt alles Wolle, die aber in
der Hitze entſetzlich ſtinkt. Es war jetzt eines Superin-
tendenten Tochter hier im Zuchthauſe, die von einem
Manne geſchieden worden, den andern mit Gift vergeben
wollte, Ehebruch trieb, und doch ſchwatzen konnte, wie
ein Engel.
Das hieſige militaͤriſche Waiſenhaus gehoͤrt zu
des Herzogs beſten Anſtalten. Hundert arme Kinder,
davon 50. Knaben und 50. Maͤdchen ſind, werden darin
umſonſt gekleidet, ernaͤhrt und unterrichtet. Ein Haupt-
mann und ſeine Frau haben die Aufſicht uͤber ſie. Viel
Reinlichkeit herrſcht darin, aber alles iſt auch militaͤriſch,
ſelbſt bei den Maͤdchen. Sie ſpinnen Flachs, Hanf und
Baumwolle, 120. ſchnellerliche Faden machen ſie aus fei-
ner Wolle aus Cayenne. Doch war das Tiſchzeug ſehr
zerlumpt und voller Loͤcher. Die Knaben brauchen nicht
alle
E 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/107>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.