ist. Vor dem Hotel liegt ein breiter Platz mit Säulen umgeben. Ueber dem Portal stehen einige vortreflich gearbeitete Büsten alter Gelehrten etc. Das Ganze sieht recht aus, wie eine Stoa oder Porticus der Alten. Es wird Chirurgie darin gelehrt.
Le Louvre. Eins der prächtigsten Gebäude Eu- ropens. Es nimmt über die Hälfte des Platzes zwischen dem Pont neuf und Palais Royal ein. Man kan sich darin verirren, man findet grosse weite Plätze darin, man fährt, man geht durch, es läust Wasser durch, man findet beständig eine Menge Leute daselbst, es sind kost- bare Stücke darin, und auch sehr alte, schlechte, bestäubte und wurmstichige. Besonders haben Bildhauer ihre Werkstädte daselbst. Man sieht da prächtige Gemälde, Kupferstiche, Zeichnungen, Waaren. Ich sah einen herrlichen Kupferstich. Es war The Parting of Ro- meo and Juliet, dedicated to the unhappy Lo- vers. By Scorodoomov. Julie legt ihren rechten Arm auf Romeo's linke Schulter, ihren linken streckt sie gegen seine Brust, und sinkt mit dem müden Haupte unter sein Gesicht hin. Die Traurigkeit selbst, zärtlicher Schmerz, stille Wehmuth, geschlossene Augen, am Hals alle Muskeln, halb schlapp, halb angespannt. -- Glück zu dem jungen Künstler! Und wem hätte so ein herrli-
ches
vollenden. Inwendig ist ein grosses herrliches Am- phitheater, wo gelesen wird um 11 Uhr, und eine Menge junger Leute da ist. Auch Accouchement wird in einem kleinern Saal den Hebammen gelehrt. Vorne stehen Inschriften. Es ist eine der neuesten Merkwür- digkeiten. Mit Stock oder Degen darf man nicht hinein gehen.
D
iſt. Vor dem Hotel liegt ein breiter Platz mit Saͤulen umgeben. Ueber dem Portal ſtehen einige vortreflich gearbeitete Buͤſten alter Gelehrten ꝛc. Das Ganze ſieht recht aus, wie eine Stoa oder Porticus der Alten. Es wird Chirurgie darin gelehrt.
Le Louvre. Eins der praͤchtigſten Gebaͤude Eu- ropens. Es nimmt uͤber die Haͤlfte des Platzes zwiſchen dem Pont neuf und Palais Royal ein. Man kan ſich darin verirren, man findet groſſe weite Plaͤtze darin, man faͤhrt, man geht durch, es laͤuſt Waſſer durch, man findet beſtaͤndig eine Menge Leute daſelbſt, es ſind koſt- bare Stuͤcke darin, und auch ſehr alte, ſchlechte, beſtaͤubte und wurmſtichige. Beſonders haben Bildhauer ihre Werkſtaͤdte daſelbſt. Man ſieht da praͤchtige Gemaͤlde, Kupferſtiche, Zeichnungen, Waaren. Ich ſah einen herrlichen Kupferſtich. Es war The Parting of Ro- meo and Juliet, dedicated to the unhappy Lo- vers. By Scorodoomov. Julie legt ihren rechten Arm auf Romeo’s linke Schulter, ihren linken ſtreckt ſie gegen ſeine Bruſt, und ſinkt mit dem muͤden Haupte unter ſein Geſicht hin. Die Traurigkeit ſelbſt, zaͤrtlicher Schmerz, ſtille Wehmuth, geſchloſſene Augen, am Hals alle Muſkeln, halb ſchlapp, halb angeſpannt. — Gluͤck zu dem jungen Kuͤnſtler! Und wem haͤtte ſo ein herrli-
ches
vollenden. Inwendig iſt ein groſſes herrliches Am- phitheater, wo geleſen wird um 11 Uhr, und eine Menge junger Leute da iſt. Auch Accouchement wird in einem kleinern Saal den Hebammen gelehrt. Vorne ſtehen Inſchriften. Es iſt eine der neueſten Merkwuͤr- digkeiten. Mit Stock oder Degen darf man nicht hinein gehen.
D
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0073"n="49"/>
iſt. Vor dem Hotel liegt ein breiter Platz mit Saͤulen<lb/>
umgeben. Ueber dem Portal ſtehen einige vortreflich<lb/>
gearbeitete Buͤſten alter Gelehrten ꝛc. Das Ganze<lb/>ſieht recht aus, wie eine <hirendition="#aq">Stoa</hi> oder <hirendition="#aq">Porticus</hi> der Alten.<lb/>
Es wird Chirurgie darin gelehrt.</p><lb/><p><hirendition="#aq">Le Louvre.</hi> Eins der praͤchtigſten Gebaͤude Eu-<lb/>
ropens. Es nimmt uͤber die Haͤlfte des Platzes zwiſchen<lb/>
dem <hirendition="#aq">Pont neuf</hi> und <hirendition="#aq">Palais Royal</hi> ein. Man kan<lb/>ſich darin verirren, man findet groſſe weite Plaͤtze darin,<lb/>
man faͤhrt, man geht durch, es laͤuſt Waſſer durch, man<lb/>
findet beſtaͤndig eine Menge Leute daſelbſt, es ſind koſt-<lb/>
bare Stuͤcke darin, und auch ſehr alte, ſchlechte, beſtaͤubte<lb/>
und wurmſtichige. Beſonders haben Bildhauer ihre<lb/>
Werkſtaͤdte daſelbſt. Man ſieht da praͤchtige Gemaͤlde,<lb/>
Kupferſtiche, Zeichnungen, Waaren. Ich ſah einen<lb/>
herrlichen Kupferſtich. Es war <hirendition="#aq">The Parting of Ro-<lb/>
meo and Juliet, dedicated to the unhappy Lo-<lb/>
vers. By Scorodoomov.</hi> Julie legt ihren rechten<lb/>
Arm auf Romeo’s linke Schulter, ihren linken ſtreckt ſie<lb/>
gegen ſeine Bruſt, und ſinkt mit dem muͤden Haupte unter<lb/>ſein Geſicht hin. Die Traurigkeit ſelbſt, zaͤrtlicher<lb/>
Schmerz, ſtille Wehmuth, geſchloſſene Augen, am Hals<lb/>
alle Muſkeln, halb ſchlapp, halb angeſpannt. — Gluͤck<lb/>
zu dem jungen Kuͤnſtler! Und wem haͤtte ſo ein herrli-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ches</fw><lb/><notexml:id="nfn1"prev="#fn1"place="foot"n="*)">vollenden. Inwendig iſt ein groſſes herrliches Am-<lb/>
phitheater, wo geleſen wird um 11 Uhr, und eine<lb/>
Menge junger Leute da iſt. Auch Accouchement wird<lb/>
in einem kleinern Saal den Hebammen gelehrt. Vorne<lb/>ſtehen Inſchriften. Es iſt eine der neueſten Merkwuͤr-<lb/>
digkeiten. Mit Stock oder Degen darf man nicht<lb/>
hinein gehen.</note><lb/><fwplace="bottom"type="sig">D</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[49/0073]
iſt. Vor dem Hotel liegt ein breiter Platz mit Saͤulen
umgeben. Ueber dem Portal ſtehen einige vortreflich
gearbeitete Buͤſten alter Gelehrten ꝛc. Das Ganze
ſieht recht aus, wie eine Stoa oder Porticus der Alten.
Es wird Chirurgie darin gelehrt.
Le Louvre. Eins der praͤchtigſten Gebaͤude Eu-
ropens. Es nimmt uͤber die Haͤlfte des Platzes zwiſchen
dem Pont neuf und Palais Royal ein. Man kan
ſich darin verirren, man findet groſſe weite Plaͤtze darin,
man faͤhrt, man geht durch, es laͤuſt Waſſer durch, man
findet beſtaͤndig eine Menge Leute daſelbſt, es ſind koſt-
bare Stuͤcke darin, und auch ſehr alte, ſchlechte, beſtaͤubte
und wurmſtichige. Beſonders haben Bildhauer ihre
Werkſtaͤdte daſelbſt. Man ſieht da praͤchtige Gemaͤlde,
Kupferſtiche, Zeichnungen, Waaren. Ich ſah einen
herrlichen Kupferſtich. Es war The Parting of Ro-
meo and Juliet, dedicated to the unhappy Lo-
vers. By Scorodoomov. Julie legt ihren rechten
Arm auf Romeo’s linke Schulter, ihren linken ſtreckt ſie
gegen ſeine Bruſt, und ſinkt mit dem muͤden Haupte unter
ſein Geſicht hin. Die Traurigkeit ſelbſt, zaͤrtlicher
Schmerz, ſtille Wehmuth, geſchloſſene Augen, am Hals
alle Muſkeln, halb ſchlapp, halb angeſpannt. — Gluͤck
zu dem jungen Kuͤnſtler! Und wem haͤtte ſo ein herrli-
ches
*)
*) vollenden. Inwendig iſt ein groſſes herrliches Am-
phitheater, wo geleſen wird um 11 Uhr, und eine
Menge junger Leute da iſt. Auch Accouchement wird
in einem kleinern Saal den Hebammen gelehrt. Vorne
ſtehen Inſchriften. Es iſt eine der neueſten Merkwuͤr-
digkeiten. Mit Stock oder Degen darf man nicht
hinein gehen.
D
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/73>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.