siges Bassin, darin rothe Fische schwammen. Am Eingang sind Boutiquen von Galanteriewaaren. Um 1. 2. 3. Uhr wimmelt hier alles von Parisern.
La Place Victoire. Der Platz ist klein, aber die Bildsäule von Louis XIV. zu Fuß gibt ihm ein prächtiges Ansehen. Sie ist auf einem hohen Fußge- stelle errichtet. An diesem stehen an den 4. Ecken 4. Nationen, theils als weibliche, theils als männliche Fi- guren vorgestellt, zum Zeichen der überwundenen Natio- nen oder Erdtheile. Diese Figuren tragen Ketten, ha- ben die Hände auf den Rücken gebunden, und machen grimmig schnaubende Gesichter. Oben steht der König, kolossalisch, hinter ihm die Siegesgöttin, welche ihm ei- nen schönen Lorbeerkranz über den Kopf hält.
Den 20ten Mai.
Heute sah' ich den Kaiser JosephII. In der Rue Tournon, einer von den wenigen Strassen in Paris, die breit, hell, lichtvoll und gesund sind, steht le grand Hotel de Treville. Da pflegte der Kai- ser, so oft er in Paris war, zu speisen. Heute Nach- mittag versammelten sich vor der Thüre von 1. Uhr an bis 3. Uhr mehr als tausend Menschen, und drangen zu- letzt, wie der Regen kam, ins Haus. Thüre, Eingang, Treppen, Platz, Hof, alle Zimmer, alle Fenster waren besetzt. Er sollte zum Diner zurückkommen. Wirklich machte er in einer vierspännigen Karosse Visiten bei den Ambassadeurs, dann nahm er einen grossen Umweg nach St. Moulins und kam erst um 4. Uhr in einer zwei- spännigen Karosse ganz allein zurück. Man machte das grosse Thor auf, die Karosse fuhr langsam unter die
Menge
ſiges Baſſin, darin rothe Fiſche ſchwammen. Am Eingang ſind Boutiquen von Galanteriewaaren. Um 1. 2. 3. Uhr wimmelt hier alles von Pariſern.
La Place Victoire. Der Platz iſt klein, aber die Bildſaͤule von Louis XIV. zu Fuß gibt ihm ein praͤchtiges Anſehen. Sie iſt auf einem hohen Fußge- ſtelle errichtet. An dieſem ſtehen an den 4. Ecken 4. Nationen, theils als weibliche, theils als maͤnnliche Fi- guren vorgeſtellt, zum Zeichen der uͤberwundenen Natio- nen oder Erdtheile. Dieſe Figuren tragen Ketten, ha- ben die Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden, und machen grimmig ſchnaubende Geſichter. Oben ſteht der Koͤnig, koloſſaliſch, hinter ihm die Siegesgoͤttin, welche ihm ei- nen ſchoͤnen Lorbeerkranz uͤber den Kopf haͤlt.
Den 20ten Mai.
Heute ſah’ ich den Kaiſer JoſephII. In der Rue Tournon, einer von den wenigen Straſſen in Paris, die breit, hell, lichtvoll und geſund ſind, ſteht le grand Hôtel de Treville. Da pflegte der Kai- ſer, ſo oft er in Paris war, zu ſpeiſen. Heute Nach- mittag verſammelten ſich vor der Thuͤre von 1. Uhr an bis 3. Uhr mehr als tauſend Menſchen, und drangen zu- letzt, wie der Regen kam, ins Haus. Thuͤre, Eingang, Treppen, Platz, Hof, alle Zimmer, alle Fenſter waren beſetzt. Er ſollte zum Diner zuruͤckkommen. Wirklich machte er in einer vierſpaͤnnigen Karoſſe Viſiten bei den Ambaſſadeurs, dann nahm er einen groſſen Umweg nach St. Moulins und kam erſt um 4. Uhr in einer zwei- ſpaͤnnigen Karoſſe ganz allein zuruͤck. Man machte das groſſe Thor auf, die Karoſſe fuhr langſam unter die
Menge
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ſiges Baſſin, darin rothe Fiſche ſchwammen. Am
Eingang ſind Boutiquen von Galanteriewaaren. Um
1. 2. 3. Uhr wimmelt hier alles von Pariſern.
La Place Victoire. Der Platz iſt klein, aber
die Bildſaͤule von Louis XIV. zu Fuß gibt ihm ein
praͤchtiges Anſehen. Sie iſt auf einem hohen Fußge-
ſtelle errichtet. An dieſem ſtehen an den 4. Ecken 4.
Nationen, theils als weibliche, theils als maͤnnliche Fi-
guren vorgeſtellt, zum Zeichen der uͤberwundenen Natio-
nen oder Erdtheile. Dieſe Figuren tragen Ketten, ha-
ben die Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden, und machen
grimmig ſchnaubende Geſichter. Oben ſteht der Koͤnig,
koloſſaliſch, hinter ihm die Siegesgoͤttin, welche ihm ei-
nen ſchoͤnen Lorbeerkranz uͤber den Kopf haͤlt.
Den 20ten Mai.
Heute ſah’ ich den Kaiſer Joſeph II. In der
Rue Tournon, einer von den wenigen Straſſen in
Paris, die breit, hell, lichtvoll und geſund ſind, ſteht
le grand Hôtel de Treville. Da pflegte der Kai-
ſer, ſo oft er in Paris war, zu ſpeiſen. Heute Nach-
mittag verſammelten ſich vor der Thuͤre von 1. Uhr an
bis 3. Uhr mehr als tauſend Menſchen, und drangen zu-
letzt, wie der Regen kam, ins Haus. Thuͤre, Eingang,
Treppen, Platz, Hof, alle Zimmer, alle Fenſter waren
beſetzt. Er ſollte zum Diner zuruͤckkommen. Wirklich
machte er in einer vierſpaͤnnigen Karoſſe Viſiten bei den
Ambaſſadeurs, dann nahm er einen groſſen Umweg nach
St. Moulins und kam erſt um 4. Uhr in einer zwei-
ſpaͤnnigen Karoſſe ganz allein zuruͤck. Man machte
das groſſe Thor auf, die Karoſſe fuhr langſam unter die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/64>, abgerufen am 22.11.2024.
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