beitet unterdessen an einem andern. Indessen schmelzt auch das Messing im Topfe im Ofen. Der Kerl faßt dann den Topf oben an einem Ringe mit einer Zange, und giest das fliessende Messing in das aufrechtstehende doppelte Bret oben, durch eine Oeffnung ein. Darauf läuft es in Rinnen, die ebenfalls aus Erde gemacht sind, zwischen den Reihen hinab; zu jedem Hut ist eine kleine Queerrinne, da fliest so viel hinein, als zu einem Hut nöthig ist; und so werden 150. Stück mit 5.-6. Pfund Messing auf einmahl gegossen. Sie kommen grob und halb voll heraus, werden daher von hier auf Mühlen zum Schleifen geschickt.
Wie reizend ist es, das menschliche Leben in seinen untersten Stufen kennen zu lernen, und die Zeit, die Tau- sende im Arm der Buhlerin, am Spieltische, beim vollen Becher oder im Schauspielhause verschwenden, nützlichen Beschäftigungen zu widmen! Gesegnet seid ihr, ihr Wei- sen und Rechtschaffnen in Göttingen, die ihr mich zuerst auf dies Feld führtet, und von Römischen und Scythi- schen Sterilitäten ableitetet! --
Die Domkirche. Sie ist ganz im allerältesten Geschmack gebaut, nicht gar gros, und beinahe ganz rund. Im Chor ist viel Gold und Bildhauerarbeit. Vor dem Chor liegt unter einem grossen weissen Steine, wenigstens ohne sichtbare Inschrift, Karl der Grosse begraben. Oben sieht man in einer Kapelle sein Bild- nis in Lebensgrösse. Das war ein Mann! das war ein Fuß! Wachspuppen sind unsre nervichten Grenadiers da- gegen. Man sieht auch in einem hölzernen Kasten den steinernen Thron, auf dem der Kaiser bei der Krönung sitzen soll. Die übrigen Reichskleinodien und Reliquien kan natürlicherweise nicht jeder zu sehen bekommen.
Reise
beitet unterdeſſen an einem andern. Indeſſen ſchmelzt auch das Meſſing im Topfe im Ofen. Der Kerl faßt dann den Topf oben an einem Ringe mit einer Zange, und gieſt das flieſſende Meſſing in das aufrechtſtehende doppelte Bret oben, durch eine Oeffnung ein. Darauf laͤuft es in Rinnen, die ebenfalls aus Erde gemacht ſind, zwiſchen den Reihen hinab; zu jedem Hut iſt eine kleine Queerrinne, da flieſt ſo viel hinein, als zu einem Hut noͤthig iſt; und ſo werden 150. Stuͤck mit 5.-6. Pfund Meſſing auf einmahl gegoſſen. Sie kommen grob und halb voll heraus, werden daher von hier auf Muͤhlen zum Schleifen geſchickt.
Wie reizend iſt es, das menſchliche Leben in ſeinen unterſten Stufen kennen zu lernen, und die Zeit, die Tau- ſende im Arm der Buhlerin, am Spieltiſche, beim vollen Becher oder im Schauſpielhauſe verſchwenden, nuͤtzlichen Beſchaͤftigungen zu widmen! Geſegnet ſeid ihr, ihr Wei- ſen und Rechtſchaffnen in Goͤttingen, die ihr mich zuerſt auf dies Feld fuͤhrtet, und von Roͤmiſchen und Scythi- ſchen Sterilitaͤten ableitetet! —
Die Domkirche. Sie iſt ganz im alleraͤlteſten Geſchmack gebaut, nicht gar gros, und beinahe ganz rund. Im Chor iſt viel Gold und Bildhauerarbeit. Vor dem Chor liegt unter einem groſſen weiſſen Steine, wenigſtens ohne ſichtbare Inſchrift, Karl der Groſſe begraben. Oben ſieht man in einer Kapelle ſein Bild- nis in Lebensgroͤſſe. Das war ein Mann! das war ein Fuß! Wachspuppen ſind unſre nervichten Grenadiers da- gegen. Man ſieht auch in einem hoͤlzernen Kaſten den ſteinernen Thron, auf dem der Kaiſer bei der Kroͤnung ſitzen ſoll. Die uͤbrigen Reichskleinodien und Reliquien kan natuͤrlicherweiſe nicht jeder zu ſehen bekommen.
Reiſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0636"n="612"/>
beitet unterdeſſen an einem andern. Indeſſen ſchmelzt<lb/>
auch das Meſſing im Topfe im Ofen. Der Kerl faßt<lb/>
dann den Topf oben an einem Ringe mit einer Zange,<lb/>
und gieſt das flieſſende Meſſing in das aufrechtſtehende<lb/>
doppelte Bret oben, durch eine Oeffnung ein. Darauf<lb/>
laͤuft es in Rinnen, die ebenfalls aus Erde gemacht ſind,<lb/>
zwiſchen den Reihen hinab; zu jedem Hut iſt eine kleine<lb/>
Queerrinne, da flieſt ſo viel hinein, als zu einem Hut<lb/>
noͤthig iſt; und ſo werden 150. Stuͤck mit 5.-6. Pfund<lb/>
Meſſing auf einmahl gegoſſen. Sie kommen grob und<lb/>
halb voll heraus, werden daher von hier auf Muͤhlen zum<lb/>
Schleifen geſchickt.</p><lb/><p>Wie reizend iſt es, das menſchliche Leben in ſeinen<lb/>
unterſten Stufen kennen zu lernen, und die Zeit, die Tau-<lb/>ſende im Arm der Buhlerin, am Spieltiſche, beim vollen<lb/>
Becher oder im Schauſpielhauſe verſchwenden, nuͤtzlichen<lb/>
Beſchaͤftigungen zu widmen! Geſegnet ſeid ihr, ihr Wei-<lb/>ſen und Rechtſchaffnen in <hirendition="#fr">Goͤttingen,</hi> die ihr mich zuerſt<lb/>
auf dies Feld fuͤhrtet, und von Roͤmiſchen und Scythi-<lb/>ſchen Sterilitaͤten ableitetet! —</p><lb/><p>Die <hirendition="#fr">Domkirche.</hi> Sie iſt ganz im alleraͤlteſten<lb/>
Geſchmack gebaut, nicht gar gros, und beinahe ganz<lb/>
rund. Im Chor iſt viel Gold und Bildhauerarbeit.<lb/>
Vor dem Chor liegt unter einem groſſen weiſſen Steine,<lb/>
wenigſtens ohne ſichtbare Inſchrift, <hirendition="#fr">Karl der Groſſe</hi><lb/>
begraben. Oben ſieht man in einer Kapelle ſein Bild-<lb/>
nis in Lebensgroͤſſe. Das war ein Mann! das war ein<lb/>
Fuß! Wachspuppen ſind unſre nervichten Grenadiers da-<lb/>
gegen. Man ſieht auch in einem hoͤlzernen Kaſten den<lb/>ſteinernen Thron, auf dem der Kaiſer bei der Kroͤnung<lb/>ſitzen ſoll. Die uͤbrigen Reichskleinodien und Reliquien<lb/>
kan natuͤrlicherweiſe nicht jeder zu ſehen bekommen.</p></div></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Reiſe</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[612/0636]
beitet unterdeſſen an einem andern. Indeſſen ſchmelzt
auch das Meſſing im Topfe im Ofen. Der Kerl faßt
dann den Topf oben an einem Ringe mit einer Zange,
und gieſt das flieſſende Meſſing in das aufrechtſtehende
doppelte Bret oben, durch eine Oeffnung ein. Darauf
laͤuft es in Rinnen, die ebenfalls aus Erde gemacht ſind,
zwiſchen den Reihen hinab; zu jedem Hut iſt eine kleine
Queerrinne, da flieſt ſo viel hinein, als zu einem Hut
noͤthig iſt; und ſo werden 150. Stuͤck mit 5.-6. Pfund
Meſſing auf einmahl gegoſſen. Sie kommen grob und
halb voll heraus, werden daher von hier auf Muͤhlen zum
Schleifen geſchickt.
Wie reizend iſt es, das menſchliche Leben in ſeinen
unterſten Stufen kennen zu lernen, und die Zeit, die Tau-
ſende im Arm der Buhlerin, am Spieltiſche, beim vollen
Becher oder im Schauſpielhauſe verſchwenden, nuͤtzlichen
Beſchaͤftigungen zu widmen! Geſegnet ſeid ihr, ihr Wei-
ſen und Rechtſchaffnen in Goͤttingen, die ihr mich zuerſt
auf dies Feld fuͤhrtet, und von Roͤmiſchen und Scythi-
ſchen Sterilitaͤten ableitetet! —
Die Domkirche. Sie iſt ganz im alleraͤlteſten
Geſchmack gebaut, nicht gar gros, und beinahe ganz
rund. Im Chor iſt viel Gold und Bildhauerarbeit.
Vor dem Chor liegt unter einem groſſen weiſſen Steine,
wenigſtens ohne ſichtbare Inſchrift, Karl der Groſſe
begraben. Oben ſieht man in einer Kapelle ſein Bild-
nis in Lebensgroͤſſe. Das war ein Mann! das war ein
Fuß! Wachspuppen ſind unſre nervichten Grenadiers da-
gegen. Man ſieht auch in einem hoͤlzernen Kaſten den
ſteinernen Thron, auf dem der Kaiſer bei der Kroͤnung
ſitzen ſoll. Die uͤbrigen Reichskleinodien und Reliquien
kan natuͤrlicherweiſe nicht jeder zu ſehen bekommen.
Reiſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/636>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.