Hrn. van der Moelen's Kabinet. Der Besitzer ist ein sehr reicher Kaufmann, der viel sammelt, seit 35. Jahren schon, mit dem Herzog von Braunschweig in Briefwechsel steht, aber selbst nur die seichteste Kenntnis hat. Die Anordnung ist, weil er den Platz spart, schlecht etc. Mr. Lacoudre hatte mir die Gelegenheit zu diesem Kabinet verschaft. -- Man muß bei dem rei- chen Unwissenden hintreten, das Gemeinste, das Schlech- teste bewundern, loben, von andern Kabinetten nichts er- wähnen etc. Van der Moelen hat, wie alle Hollän- der, den Grundsatz, von jedem Stück müssen 2. Exem- plare im Kabinet seyn, das vervielfältigt die Scene schon gar sehr. Unter seinen Schmetterlingen, die man hier Kapellen nennt, (so wie die Konchylien Hooren en Schulpjes,) sind viele sonst unbekannte Arten, die in Kramer's Werke bekannt gemacht werden sollen. Ich fand hier: -- Einen jungen Wallfisch, 2. Spannen lang, der ungebohren aus Mutterleibe geschnitten, und jetzt schon 15. Jahr in Weingeist erhalten worden ist. Er hatte die völlige Bildung, aber doch konnte man die Laminas corneas noch nicht sehen. -- Viele Sepiae in Gläsern. -- Ein sonderbares Cap. Med. ausm Ost; jeder Ra- dius war gleichsam federig. -- Einen recht schönen Orangoutang, auch im Glase. Um den Platz zu scho- nen, mag der Besitzer keine Ausstopfungen haben. -- Eine Iguana. -- Eine Schlange, meergrün mit weis- sen Flecken. Er hat eine nach Braunschweig geschenkt, die 101/2. Fuß lang, nnd 11. Daumen dick war. -- Vie- le Mißgeburten, einen weissen Maulwurf, einen schwarzen mit einem schnabelartigen Maule. -- Einen jungen neugebohrnen Bär. Ich sah an ihm die deutlichste Bestätigung von Perrault's Wahrnehmun-
gen
Hrn. van der Moelen’s Kabinet. Der Beſitzer iſt ein ſehr reicher Kaufmann, der viel ſammelt, ſeit 35. Jahren ſchon, mit dem Herzog von Braunſchweig in Briefwechſel ſteht, aber ſelbſt nur die ſeichteſte Kenntnis hat. Die Anordnung iſt, weil er den Platz ſpart, ſchlecht ꝛc. Mr. Lacoudré hatte mir die Gelegenheit zu dieſem Kabinet verſchaft. — Man muß bei dem rei- chen Unwiſſenden hintreten, das Gemeinſte, das Schlech- teſte bewundern, loben, von andern Kabinetten nichts er- waͤhnen ꝛc. Van der Moelen hat, wie alle Hollaͤn- der, den Grundſatz, von jedem Stuͤck muͤſſen 2. Exem- plare im Kabinet ſeyn, das vervielfaͤltigt die Scene ſchon gar ſehr. Unter ſeinen Schmetterlingen, die man hier Kapellen nennt, (ſo wie die Konchylien Hooren en Schulpjes,) ſind viele ſonſt unbekannte Arten, die in Kramer’s Werke bekannt gemacht werden ſollen. Ich fand hier: — Einen jungen Wallfiſch, 2. Spannen lang, der ungebohren aus Mutterleibe geſchnitten, und jetzt ſchon 15. Jahr in Weingeiſt erhalten worden iſt. Er hatte die voͤllige Bildung, aber doch konnte man die Laminas corneas noch nicht ſehen. — Viele Sepiae in Glaͤſern. — Ein ſonderbares Cap. Med. ausm Oſt; jeder Ra- dius war gleichſam federig. — Einen recht ſchoͤnen Orangoutang, auch im Glaſe. Um den Platz zu ſcho- nen, mag der Beſitzer keine Ausſtopfungen haben. — Eine Iguana. — Eine Schlange, meergruͤn mit weiſ- ſen Flecken. Er hat eine nach Braunſchweig geſchenkt, die 10½. Fuß lang, nnd 11. Daumen dick war. — Vie- le Mißgeburten, einen weiſſen Maulwurf, einen ſchwarzen mit einem ſchnabelartigen Maule. — Einen jungen neugebohrnen Baͤr. Ich ſah an ihm die deutlichſte Beſtaͤtigung von Perrault’s Wahrnehmun-
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Hrn. van der Moelen’s Kabinet. Der Beſitzer
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Briefwechſel ſteht, aber ſelbſt nur die ſeichteſte Kenntnis
hat. Die Anordnung iſt, weil er den Platz ſpart,
ſchlecht ꝛc. Mr. Lacoudré hatte mir die Gelegenheit
zu dieſem Kabinet verſchaft. — Man muß bei dem rei-
chen Unwiſſenden hintreten, das Gemeinſte, das Schlech-
teſte bewundern, loben, von andern Kabinetten nichts er-
waͤhnen ꝛc. Van der Moelen hat, wie alle Hollaͤn-
der, den Grundſatz, von jedem Stuͤck muͤſſen 2. Exem-
plare im Kabinet ſeyn, das vervielfaͤltigt die Scene ſchon
gar ſehr. Unter ſeinen Schmetterlingen, die man hier
Kapellen nennt, (ſo wie die Konchylien Hooren en
Schulpjes,) ſind viele ſonſt unbekannte Arten, die in
Kramer’s Werke bekannt gemacht werden ſollen. Ich
fand hier: — Einen jungen Wallfiſch, 2. Spannen lang,
der ungebohren aus Mutterleibe geſchnitten, und jetzt ſchon
15. Jahr in Weingeiſt erhalten worden iſt. Er hatte
die voͤllige Bildung, aber doch konnte man die Laminas
corneas noch nicht ſehen. — Viele Sepiae in Glaͤſern.
— Ein ſonderbares Cap. Med. ausm Oſt; jeder Ra-
dius war gleichſam federig. — Einen recht ſchoͤnen
Orangoutang, auch im Glaſe. Um den Platz zu ſcho-
nen, mag der Beſitzer keine Ausſtopfungen haben. —
Eine Iguana. — Eine Schlange, meergruͤn mit weiſ-
ſen Flecken. Er hat eine nach Braunſchweig geſchenkt,
die 10½. Fuß lang, nnd 11. Daumen dick war. — Vie-
le Mißgeburten, einen weiſſen Maulwurf, einen
ſchwarzen mit einem ſchnabelartigen Maule. — Einen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/592>, abgerufen am 23.11.2024.
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