Das alte Männerhaus. Es ist ein grosses schö- nes Gebäude, wo alte Leute, wenn sie eine gewisse Sum- me erlegen, hineinkommen, und auf Zeitlebens herrlich verpflegt werden. In solchen öffentlichen Häusern steigt nun die Reinlichkeit der Holländer aufs höchste. -- Vor- ne und unten, wo die Passage durchgeht, stehen Bouti- quen: die Holländer nennen diese alle, die grösten und die kleinsten, Winkel; da sind Papierwinkel, Stahlwin- kel, Silberwinkel, Nürnbergerwinkel etc. so stehts auch an den Häusern angeschrieben etc. -- In diesen Bouti- quen sind alle Waaren unter Glas, und oben steht: für 1. Gulden, für 2. Gulden, für 4. Gulden etc. -- Bei den Kaufleuten in Engelland hat auch jedes Stück seine Nummer, und darneben liegt ein Verzeichnis der Preise. Will man die Sache haben, so muß man zahlen was darin steht. Im oude Heere Logement ist ein gros- ser Saal, worin fast immer Auktionen gehalten werden. Werden Kaufleute bankrutt, so werden alle ihre Waaren verauktionirt, und ein Zettel davon gedruckt. Die klei- nern Winkel kaufen dann die Sachen und verkaufen sie wie- der. So hilft sich einer durch den Untergang des andern auf. Die Kinder der Reichen in Amsterdam erfahren zu früh, wie viel Geld sie haben, lernen nicht viel, spa- ren nicht, wagen ungeheure Summen, bis dann das Unglück da ist. Wäre dies nicht, wie könnten so viele Deutsche und andre Fremde, die ohne alles Vermögen hierherkommen, in kurzer Zeit sammeln, und sich etabli- ren?
Bei Mr. Trouillart speiste ich heute Mittag, und bei der Gelegenheit muß ich doch auch von der Küche
der
Das alte Maͤnnerhaus. Es iſt ein groſſes ſchoͤ- nes Gebaͤude, wo alte Leute, wenn ſie eine gewiſſe Sum- me erlegen, hineinkommen, und auf Zeitlebens herrlich verpflegt werden. In ſolchen oͤffentlichen Haͤuſern ſteigt nun die Reinlichkeit der Hollaͤnder aufs hoͤchſte. — Vor- ne und unten, wo die Paſſage durchgeht, ſtehen Bouti- quen: die Hollaͤnder nennen dieſe alle, die groͤſten und die kleinſten, Winkel; da ſind Papierwinkel, Stahlwin- kel, Silberwinkel, Nuͤrnbergerwinkel ꝛc. ſo ſtehts auch an den Haͤuſern angeſchrieben ꝛc. — In dieſen Bouti- quen ſind alle Waaren unter Glas, und oben ſteht: fuͤr 1. Gulden, fuͤr 2. Gulden, fuͤr 4. Gulden ꝛc. — Bei den Kaufleuten in Engelland hat auch jedes Stuͤck ſeine Nummer, und darneben liegt ein Verzeichnis der Preiſe. Will man die Sache haben, ſo muß man zahlen was darin ſteht. Im oude Heere Logement iſt ein groſ- ſer Saal, worin faſt immer Auktionen gehalten werden. Werden Kaufleute bankrutt, ſo werden alle ihre Waaren verauktionirt, und ein Zettel davon gedruckt. Die klei- nern Winkel kaufen dann die Sachen und verkaufen ſie wie- der. So hilft ſich einer durch den Untergang des andern auf. Die Kinder der Reichen in Amſterdam erfahren zu fruͤh, wie viel Geld ſie haben, lernen nicht viel, ſpa- ren nicht, wagen ungeheure Summen, bis dann das Ungluͤck da iſt. Waͤre dies nicht, wie koͤnnten ſo viele Deutſche und andre Fremde, die ohne alles Vermoͤgen hierherkommen, in kurzer Zeit ſammeln, und ſich etabli- ren?
Bei Mr. Trouillart ſpeiſte ich heute Mittag, und bei der Gelegenheit muß ich doch auch von der Kuͤche
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Das alte Maͤnnerhaus. Es iſt ein groſſes ſchoͤ-
nes Gebaͤude, wo alte Leute, wenn ſie eine gewiſſe Sum-
me erlegen, hineinkommen, und auf Zeitlebens herrlich
verpflegt werden. In ſolchen oͤffentlichen Haͤuſern ſteigt
nun die Reinlichkeit der Hollaͤnder aufs hoͤchſte. — Vor-
ne und unten, wo die Paſſage durchgeht, ſtehen Bouti-
quen: die Hollaͤnder nennen dieſe alle, die groͤſten und die
kleinſten, Winkel; da ſind Papierwinkel, Stahlwin-
kel, Silberwinkel, Nuͤrnbergerwinkel ꝛc. ſo ſtehts auch
an den Haͤuſern angeſchrieben ꝛc. — In dieſen Bouti-
quen ſind alle Waaren unter Glas, und oben ſteht: fuͤr
1. Gulden, fuͤr 2. Gulden, fuͤr 4. Gulden ꝛc. — Bei
den Kaufleuten in Engelland hat auch jedes Stuͤck ſeine
Nummer, und darneben liegt ein Verzeichnis der Preiſe.
Will man die Sache haben, ſo muß man zahlen was
darin ſteht. Im oude Heere Logement iſt ein groſ-
ſer Saal, worin faſt immer Auktionen gehalten werden.
Werden Kaufleute bankrutt, ſo werden alle ihre Waaren
verauktionirt, und ein Zettel davon gedruckt. Die klei-
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auf. Die Kinder der Reichen in Amſterdam erfahren
zu fruͤh, wie viel Geld ſie haben, lernen nicht viel, ſpa-
ren nicht, wagen ungeheure Summen, bis dann das
Ungluͤck da iſt. Waͤre dies nicht, wie koͤnnten ſo viele
Deutſche und andre Fremde, die ohne alles Vermoͤgen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/588>, abgerufen am 24.11.2024.
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