Das Hochgericht von Amsterdam. Auf einem schmalen Streifen Landes, der leicht überschwemmt wird, steht ein Galgen, und auf jedem Pfosten desselben, ein steinerner Löwe. In Amsterdam hängt man die Diebe zweimahl, einmahl vorm Rathhause, Vormittags um 10. Uhr, und dann schneidet man sie Nachmittags ab, führt sie auf einer Schleife nach der See, und hängt sie an diesen Galgen auf. Neben der See steht ein
Rundes Haus, das merkwürdig ist, weil hier 1569. das erste zweimastige Schiff in See ging. Das war der Anfang der Stadt, von der man jetzt in der ganzen Welt redet. So fing Amsterdam an, am Han- del Theil zu nehmen. Der Kapitain dieses Schiffs wohnte in diesem Hause, und seine Frau weinte erstaunend wie er abfahren wolte. Sie glaubte ohne Zweifel, das hiesse gerade dem Tode entgegen fahren, das könne un- möglich gute Folgen haben etc. Dieses Schiff, und die am Ufer klagende Frau mit der Jahrzahl 1569. ist an die- sem Hause abgemahlt. Andre erzählen es so: das wäre das erste Schiff gewesen, das ohne Ruder da angetrieben wäre, das wären die ersten Leute gewesen, die hier Fi- scherhütten gebaut hätten *). Alle grosse Dinge, sagt der Philosoph, haben einen kleinen Anfang.
Die Amstelbrücke. Wenn man nach der Utrechter Port geht, so findet man haussen den Zusammenfluß der
Amstel
*) Schon im 12ten Jahrh. wohnten Fischer hier, und der Ort führte den Namen Amstels-Veste. Herausgeber.
M m 5
Das Hochgericht von Amſterdam. Auf einem ſchmalen Streifen Landes, der leicht uͤberſchwemmt wird, ſteht ein Galgen, und auf jedem Pfoſten deſſelben, ein ſteinerner Loͤwe. In Amſterdam haͤngt man die Diebe zweimahl, einmahl vorm Rathhauſe, Vormittags um 10. Uhr, und dann ſchneidet man ſie Nachmittags ab, fuͤhrt ſie auf einer Schleife nach der See, und haͤngt ſie an dieſen Galgen auf. Neben der See ſteht ein
Rundes Haus, das merkwuͤrdig iſt, weil hier 1569. das erſte zweimaſtige Schiff in See ging. Das war der Anfang der Stadt, von der man jetzt in der ganzen Welt redet. So fing Amſterdam an, am Han- del Theil zu nehmen. Der Kapitain dieſes Schiffs wohnte in dieſem Hauſe, und ſeine Frau weinte erſtaunend wie er abfahren wolte. Sie glaubte ohne Zweifel, das hieſſe gerade dem Tode entgegen fahren, das koͤnne un- moͤglich gute Folgen haben ꝛc. Dieſes Schiff, und die am Ufer klagende Frau mit der Jahrzahl 1569. iſt an die- ſem Hauſe abgemahlt. Andre erzaͤhlen es ſo: das waͤre das erſte Schiff geweſen, das ohne Ruder da angetrieben waͤre, das waͤren die erſten Leute geweſen, die hier Fi- ſcherhuͤtten gebaut haͤtten *). Alle groſſe Dinge, ſagt der Philoſoph, haben einen kleinen Anfang.
Die Amſtelbruͤcke. Wenn man nach der Utrechter Port geht, ſo findet man hauſſen den Zuſammenfluß der
Amſtel
*) Schon im 12ten Jahrh. wohnten Fiſcher hier, und der Ort fuͤhrte den Namen Amſtels-Veſte. Herausgeber.
M m 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0577"n="553"/><p>Das <hirendition="#fr">Hochgericht</hi> von <hirendition="#fr">Amſterdam.</hi> Auf einem<lb/>ſchmalen Streifen Landes, der leicht uͤberſchwemmt wird,<lb/>ſteht ein Galgen, und auf jedem Pfoſten deſſelben, ein<lb/>ſteinerner Loͤwe. In <hirendition="#fr">Amſterdam</hi> haͤngt man die Diebe<lb/>
zweimahl, einmahl vorm Rathhauſe, Vormittags um<lb/>
10. Uhr, und dann ſchneidet man ſie Nachmittags ab,<lb/>
fuͤhrt ſie auf einer Schleife nach der See, und haͤngt ſie<lb/>
an dieſen Galgen auf. Neben der See ſteht ein</p><lb/><p><hirendition="#fr">Rundes Haus,</hi> das merkwuͤrdig iſt, weil hier<lb/>
1569. das erſte zweimaſtige Schiff in See ging. Das<lb/>
war der Anfang der Stadt, von der man jetzt in der<lb/>
ganzen Welt redet. So fing <hirendition="#fr">Amſterdam</hi> an, am Han-<lb/>
del Theil zu nehmen. Der Kapitain dieſes Schiffs<lb/>
wohnte in dieſem Hauſe, und ſeine Frau weinte erſtaunend<lb/>
wie er abfahren wolte. Sie glaubte ohne Zweifel, das<lb/>
hieſſe gerade dem Tode entgegen fahren, das koͤnne un-<lb/>
moͤglich gute Folgen haben ꝛc. Dieſes Schiff, und die<lb/>
am Ufer klagende Frau mit der Jahrzahl 1569. iſt an die-<lb/>ſem Hauſe abgemahlt. Andre erzaͤhlen es ſo: das waͤre<lb/>
das erſte Schiff geweſen, das ohne Ruder da angetrieben<lb/>
waͤre, das waͤren die erſten Leute geweſen, die hier Fi-<lb/>ſcherhuͤtten gebaut haͤtten <noteplace="foot"n="*)">Schon im 12ten Jahrh. wohnten Fiſcher hier, und<lb/>
der Ort fuͤhrte den Namen <hirendition="#fr">Amſtels-Veſte.</hi><lb/><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Herausgeber.</hi></hi></note>. Alle groſſe Dinge, ſagt<lb/>
der Philoſoph, haben einen kleinen Anfang.</p><lb/><p>Die <hirendition="#fr">Amſtelbruͤcke.</hi> Wenn man nach der <hirendition="#fr">Utrechter</hi><lb/>
Port geht, ſo findet man hauſſen den Zuſammenfluß der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M m 5</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Amſtel</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[553/0577]
Das Hochgericht von Amſterdam. Auf einem
ſchmalen Streifen Landes, der leicht uͤberſchwemmt wird,
ſteht ein Galgen, und auf jedem Pfoſten deſſelben, ein
ſteinerner Loͤwe. In Amſterdam haͤngt man die Diebe
zweimahl, einmahl vorm Rathhauſe, Vormittags um
10. Uhr, und dann ſchneidet man ſie Nachmittags ab,
fuͤhrt ſie auf einer Schleife nach der See, und haͤngt ſie
an dieſen Galgen auf. Neben der See ſteht ein
Rundes Haus, das merkwuͤrdig iſt, weil hier
1569. das erſte zweimaſtige Schiff in See ging. Das
war der Anfang der Stadt, von der man jetzt in der
ganzen Welt redet. So fing Amſterdam an, am Han-
del Theil zu nehmen. Der Kapitain dieſes Schiffs
wohnte in dieſem Hauſe, und ſeine Frau weinte erſtaunend
wie er abfahren wolte. Sie glaubte ohne Zweifel, das
hieſſe gerade dem Tode entgegen fahren, das koͤnne un-
moͤglich gute Folgen haben ꝛc. Dieſes Schiff, und die
am Ufer klagende Frau mit der Jahrzahl 1569. iſt an die-
ſem Hauſe abgemahlt. Andre erzaͤhlen es ſo: das waͤre
das erſte Schiff geweſen, das ohne Ruder da angetrieben
waͤre, das waͤren die erſten Leute geweſen, die hier Fi-
ſcherhuͤtten gebaut haͤtten *). Alle groſſe Dinge, ſagt
der Philoſoph, haben einen kleinen Anfang.
Die Amſtelbruͤcke. Wenn man nach der Utrechter
Port geht, ſo findet man hauſſen den Zuſammenfluß der
Amſtel
*) Schon im 12ten Jahrh. wohnten Fiſcher hier, und
der Ort fuͤhrte den Namen Amſtels-Veſte.
Herausgeber.
M m 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/577>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.