näher zu rücken, Eltern, Freunde, Geschwister, ge- schäftige Ruhe, Amt und Zuhörer wieder finden, im ge- stärkten und auf mannichfaltige Art erquickten Körper die Aufsicht der allergnädigsten Vorsehung über mir empfin- den, -- das alles dachte ich; freute mich meines Lebens, fühlte das Glück des Mittelstandes, und der Zufriedenheit, auch ohne eine Tonne Goldes zu haben, und so trat ich in
Amsterdam hinein. Mein Wirth und Landsmann in Harlem hatte mir Addresse und Akkord an das alte Wappen von Embden aufm Damm, nicht weit vom Stadthause, mitgegeben, und ich fand gutes Quartier, und vortrefliche Tafel da.
Nachmittags hatte ich viele Mühe, einige Empfeh- lungsschreiben zu überreichen. Sonnabends, wie heute war, Nachmittags, sind fast alle Komtoirs geschlossen, man trift Niemand an, und kan sich müde laufen, bis man nur die Häuser gefunden hat: auch ein geübter Weg- weiser muß beständig fragen. Alle Strassen, und die unzähligen Brücken über die Kanäle sind so einförmig, sind sich so sehr gleich, daß man sie nicht unterscheiden kan. Das Stadthaus steht ziemlich in der Mitte, und ist hoch genug, so daß es zum Standpunkte dienen kan. Was in Frankfurt die Zeil heist, und in andern Städ- ten eine Hauptstrasse, das heist in Amsterdam eine Gragt. Die drei grösten und beträchtlichsten, die wo die meisten und die reichsten Kaufleute wohnen, sind: die Kayzersgragt, die Prinzengragt und die Heere- gragt. Man würde viel leichter in Amsterdam her- um kommen können, wenn die Namen der Strassen an den Ecken angeschrieben wären, aber das hat man bisher noch nicht gethan. Zum Behuf der Fremden, der Packer,
der
naͤher zu ruͤcken, Eltern, Freunde, Geſchwiſter, ge- ſchaͤftige Ruhe, Amt und Zuhoͤrer wieder finden, im ge- ſtaͤrkten und auf mannichfaltige Art erquickten Koͤrper die Aufſicht der allergnaͤdigſten Vorſehung uͤber mir empfin- den, — das alles dachte ich; freute mich meines Lebens, fuͤhlte das Gluͤck des Mittelſtandes, und der Zufriedenheit, auch ohne eine Tonne Goldes zu haben, und ſo trat ich in
Amſterdam hinein. Mein Wirth und Landsmann in Harlem hatte mir Addreſſe und Akkord an das alte Wappen von Embden aufm Damm, nicht weit vom Stadthauſe, mitgegeben, und ich fand gutes Quartier, und vortrefliche Tafel da.
Nachmittags hatte ich viele Muͤhe, einige Empfeh- lungsſchreiben zu uͤberreichen. Sonnabends, wie heute war, Nachmittags, ſind faſt alle Komtoirs geſchloſſen, man trift Niemand an, und kan ſich muͤde laufen, bis man nur die Haͤuſer gefunden hat: auch ein geuͤbter Weg- weiſer muß beſtaͤndig fragen. Alle Straſſen, und die unzaͤhligen Bruͤcken uͤber die Kanaͤle ſind ſo einfoͤrmig, ſind ſich ſo ſehr gleich, daß man ſie nicht unterſcheiden kan. Das Stadthaus ſteht ziemlich in der Mitte, und iſt hoch genug, ſo daß es zum Standpunkte dienen kan. Was in Frankfurt die Zeil heiſt, und in andern Staͤd- ten eine Hauptſtraſſe, das heiſt in Amſterdam eine Gragt. Die drei groͤſten und betraͤchtlichſten, die wo die meiſten und die reichſten Kaufleute wohnen, ſind: die Kayzersgragt, die Prinzengragt und die Heere- gragt. Man wuͤrde viel leichter in Amſterdam her- um kommen koͤnnen, wenn die Namen der Straſſen an den Ecken angeſchrieben waͤren, aber das hat man bisher noch nicht gethan. Zum Behuf der Fremden, der Packer,
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naͤher zu ruͤcken, Eltern, Freunde, Geſchwiſter, ge-
ſchaͤftige Ruhe, Amt und Zuhoͤrer wieder finden, im ge-
ſtaͤrkten und auf mannichfaltige Art erquickten Koͤrper die
Aufſicht der allergnaͤdigſten Vorſehung uͤber mir empfin-
den, — das alles dachte ich; freute mich meines Lebens,
fuͤhlte das Gluͤck des Mittelſtandes, und der Zufriedenheit,
auch ohne eine Tonne Goldes zu haben, und ſo trat ich in
Amſterdam hinein. Mein Wirth und Landsmann
in Harlem hatte mir Addreſſe und Akkord an das alte
Wappen von Embden aufm Damm, nicht weit vom
Stadthauſe, mitgegeben, und ich fand gutes Quartier,
und vortrefliche Tafel da.
Nachmittags hatte ich viele Muͤhe, einige Empfeh-
lungsſchreiben zu uͤberreichen. Sonnabends, wie heute
war, Nachmittags, ſind faſt alle Komtoirs geſchloſſen,
man trift Niemand an, und kan ſich muͤde laufen, bis
man nur die Haͤuſer gefunden hat: auch ein geuͤbter Weg-
weiſer muß beſtaͤndig fragen. Alle Straſſen, und die
unzaͤhligen Bruͤcken uͤber die Kanaͤle ſind ſo einfoͤrmig,
ſind ſich ſo ſehr gleich, daß man ſie nicht unterſcheiden kan.
Das Stadthaus ſteht ziemlich in der Mitte, und iſt
hoch genug, ſo daß es zum Standpunkte dienen kan.
Was in Frankfurt die Zeil heiſt, und in andern Staͤd-
ten eine Hauptſtraſſe, das heiſt in Amſterdam eine
Gragt. Die drei groͤſten und betraͤchtlichſten, die wo
die meiſten und die reichſten Kaufleute wohnen, ſind: die
Kayzersgragt, die Prinzengragt und die Heere-
gragt. Man wuͤrde viel leichter in Amſterdam her-
um kommen koͤnnen, wenn die Namen der Straſſen an
den Ecken angeſchrieben waͤren, aber das hat man bisher
noch nicht gethan. Zum Behuf der Fremden, der Packer,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/568>, abgerufen am 24.11.2024.
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