Auf dem Rückwege bemerkte ich so hohen und schö- nen Lein, daß mir die meisten Stengel bis an die Brust reichten, aber der Hanf stand noch sehr niedrig. Den Lein rupft man auch aus, legt Stecken, Reiser etc. auf das Feld, breitet ihn darauf aus, und läßt ihn liegen, bis er recht trocken ist; dann macht man kleine Bündel daraus, und stellt viele von diesen in grössere Haufen zu- sammen.
Bei der Abtei St. Vicorne (andre sprechen Vi- cogne) fand ich auf der Strasse ein Kreutz mit einem Todtenkopfe und der Inschrift: Ici est mort subite- ment le XVII. Decbr. 1770. Amand Chotieau, Peruquier a St. Amand. Nah dabei steht im schön- sten Felde die Abtei St. Vicorne, ich ging hinein, und besah
Die Kirche dieser Abtei. Wiewohl sie die Pracht jener von St. Amand nicht hat, so fehlt es ihr doch auch nicht an eignen grossen Schönheiten. Der Fußboden ist ganz von schwarzen und weissem Marmor; 10. viersache weisse Säulen tragen im Schiff der Kirche die obere Gal- lerie, und auf jeder steht eine herrliche Statue von Apo- steln oder Heiligen. Mitten in der Kirche befindet sich ein Weihkessel von braunem Marmor, weiter in der Pe- ripherie als die gröste Brunnenschale, in der Mitte steht ein Gueridon von schwarzem und weissem Marmor. Hin- ter den Säulen ist an den beiden Gallerien eine unbe- schreibliche Pracht, eine unendliche Arbeit; alles ist voll von Bildern. Alle Leisten sind vergoldet, mit einem blauen Grunde darzwischen. Das Prächtigste im Schiff der Kirche aber ist das Gewölbe über der Thüre, für die Orgel. Es ist inwendig mit Marmor bekleidet, und
8. Mar-
Auf dem Ruͤckwege bemerkte ich ſo hohen und ſchoͤ- nen Lein, daß mir die meiſten Stengel bis an die Bruſt reichten, aber der Hanf ſtand noch ſehr niedrig. Den Lein rupft man auch aus, legt Stecken, Reiſer ꝛc. auf das Feld, breitet ihn darauf aus, und laͤßt ihn liegen, bis er recht trocken iſt; dann macht man kleine Buͤndel daraus, und ſtellt viele von dieſen in groͤſſere Haufen zu- ſammen.
Bei der Abtei St. Vicorne (andre ſprechen Vi- cogne) fand ich auf der Straſſe ein Kreutz mit einem Todtenkopfe und der Inſchrift: Ici eſt mort ſubite- ment le XVII. Decbr. 1770. Amand Chotieau, Peruquier à St. Amand. Nah dabei ſteht im ſchoͤn- ſten Felde die Abtei St. Vicorne, ich ging hinein, und beſah
Die Kirche dieſer Abtei. Wiewohl ſie die Pracht jener von St. Amand nicht hat, ſo fehlt es ihr doch auch nicht an eignen groſſen Schoͤnheiten. Der Fußboden iſt ganz von ſchwarzen und weiſſem Marmor; 10. vierſache weiſſe Saͤulen tragen im Schiff der Kirche die obere Gal- lerie, und auf jeder ſteht eine herrliche Statue von Apo- ſteln oder Heiligen. Mitten in der Kirche befindet ſich ein Weihkeſſel von braunem Marmor, weiter in der Pe- ripherie als die groͤſte Brunnenſchale, in der Mitte ſteht ein Gueridon von ſchwarzem und weiſſem Marmor. Hin- ter den Saͤulen iſt an den beiden Gallerien eine unbe- ſchreibliche Pracht, eine unendliche Arbeit; alles iſt voll von Bildern. Alle Leiſten ſind vergoldet, mit einem blauen Grunde darzwiſchen. Das Praͤchtigſte im Schiff der Kirche aber iſt das Gewoͤlbe uͤber der Thuͤre, fuͤr die Orgel. Es iſt inwendig mit Marmor bekleidet, und
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Auf dem Ruͤckwege bemerkte ich ſo hohen und ſchoͤ-
nen Lein, daß mir die meiſten Stengel bis an die Bruſt
reichten, aber der Hanf ſtand noch ſehr niedrig. Den
Lein rupft man auch aus, legt Stecken, Reiſer ꝛc. auf
das Feld, breitet ihn darauf aus, und laͤßt ihn liegen,
bis er recht trocken iſt; dann macht man kleine Buͤndel
daraus, und ſtellt viele von dieſen in groͤſſere Haufen zu-
ſammen.
Bei der Abtei St. Vicorne (andre ſprechen Vi-
cogne) fand ich auf der Straſſe ein Kreutz mit einem
Todtenkopfe und der Inſchrift: Ici eſt mort ſubite-
ment le XVII. Decbr. 1770. Amand Chotieau,
Peruquier à St. Amand. Nah dabei ſteht im ſchoͤn-
ſten Felde die Abtei St. Vicorne, ich ging hinein, und
beſah
Die Kirche dieſer Abtei. Wiewohl ſie die Pracht
jener von St. Amand nicht hat, ſo fehlt es ihr doch auch
nicht an eignen groſſen Schoͤnheiten. Der Fußboden iſt
ganz von ſchwarzen und weiſſem Marmor; 10. vierſache
weiſſe Saͤulen tragen im Schiff der Kirche die obere Gal-
lerie, und auf jeder ſteht eine herrliche Statue von Apo-
ſteln oder Heiligen. Mitten in der Kirche befindet ſich
ein Weihkeſſel von braunem Marmor, weiter in der Pe-
ripherie als die groͤſte Brunnenſchale, in der Mitte ſteht
ein Gueridon von ſchwarzem und weiſſem Marmor. Hin-
ter den Saͤulen iſt an den beiden Gallerien eine unbe-
ſchreibliche Pracht, eine unendliche Arbeit; alles iſt voll
von Bildern. Alle Leiſten ſind vergoldet, mit einem
blauen Grunde darzwiſchen. Das Praͤchtigſte im Schiff
der Kirche aber iſt das Gewoͤlbe uͤber der Thuͤre, fuͤr die
Orgel. Es iſt inwendig mit Marmor bekleidet, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/439>, abgerufen am 25.11.2024.
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