keine Schwierigkeit, mir die vornehmsten Sachen zu zei- gen. Ich sah besonders einen Saal, in dem 37000. Flinten aufgeftellt waren. Er war fast so lang, als das Haus und hatte die völlige Breite. Die Flinten standen wie Bücher in einer Bibliotheck, hinten, und übereinan- der. Eine Menge war für die Dragoner, die andern waren mit Bajonets versehen. Ich sah auch Spontons aus den Zeiten Ludwigs des XIV. sie waren höher, als ich mir sie vorstellte, von dünnen biegsamen braunen Holz, oben eine Sonne von Stahl und dann der Spies darauf, auch eine Menge andrer Sachen, denen ich gerne Ruhe und stilles Lager wünschte. --
L'Hopital general. Ein herrliches Viereck von Ludwig dem 14ten erbaut, ganz vortreflich eingerichtet, den Waisenkindern, den Armen, den Verrückten und zu- gleich den Gefangenen gewidmet. Der vierte Theil des Gebäudes ist noch leer. Im Hofe exerciren die Rekru- ten; dafür zahlt das Regiment eine Summe an das Hospital. Durchs ganze hohe und lange Gebäude geht eine runde Oefnung bis unters Dach, um das Getreide hinauf zu bringen. Die Treppen sind aus dem blaulich- ten Steine, der hier häufig ist, und die Gänge alle sehr breit, helle und herrlich gewölbt. Die Stuben zum Schlafen, zum Arbeiten, zum Essen, sind alle sehr gros, und ungemein reinlich. Die Betten sind alle niedrig und mit weisgrauen wollenen Decken versehen, wie man sie hier in den Häusern durchgängig hat. In den Ar- beitsstuben sah ich mit vielen Vergnügen eine Menge Mädchen von 8.-14.-16. Jahren unter der Aufsicht eini- ger Frauen, den feinen Lein, den man hier baut, verar- beiten. Einige zwirnten, andre spannen, andre klöppel-
ten
keine Schwierigkeit, mir die vornehmſten Sachen zu zei- gen. Ich ſah beſonders einen Saal, in dem 37000. Flinten aufgeftellt waren. Er war faſt ſo lang, als das Haus und hatte die voͤllige Breite. Die Flinten ſtanden wie Buͤcher in einer Bibliotheck, hinten, und uͤbereinan- der. Eine Menge war fuͤr die Dragoner, die andern waren mit Bajonets verſehen. Ich ſah auch Spontons aus den Zeiten Ludwigs des XIV. ſie waren hoͤher, als ich mir ſie vorſtellte, von duͤnnen biegſamen braunen Holz, oben eine Sonne von Stahl und dann der Spies darauf, auch eine Menge andrer Sachen, denen ich gerne Ruhe und ſtilles Lager wuͤnſchte. —
L’Hôpital general. Ein herrliches Viereck von Ludwig dem 14ten erbaut, ganz vortreflich eingerichtet, den Waiſenkindern, den Armen, den Verruͤckten und zu- gleich den Gefangenen gewidmet. Der vierte Theil des Gebaͤudes iſt noch leer. Im Hofe exerciren die Rekru- ten; dafuͤr zahlt das Regiment eine Summe an das Hospital. Durchs ganze hohe und lange Gebaͤude geht eine runde Oefnung bis unters Dach, um das Getreide hinauf zu bringen. Die Treppen ſind aus dem blaulich- ten Steine, der hier haͤufig iſt, und die Gaͤnge alle ſehr breit, helle und herrlich gewoͤlbt. Die Stuben zum Schlafen, zum Arbeiten, zum Eſſen, ſind alle ſehr gros, und ungemein reinlich. Die Betten ſind alle niedrig und mit weisgrauen wollenen Decken verſehen, wie man ſie hier in den Haͤuſern durchgaͤngig hat. In den Ar- beitsſtuben ſah ich mit vielen Vergnuͤgen eine Menge Maͤdchen von 8.-14.-16. Jahren unter der Aufſicht eini- ger Frauen, den feinen Lein, den man hier baut, verar- beiten. Einige zwirnten, andre ſpannen, andre kloͤppel-
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keine Schwierigkeit, mir die vornehmſten Sachen zu zei-
gen. Ich ſah beſonders einen Saal, in dem 37000.
Flinten aufgeftellt waren. Er war faſt ſo lang, als das
Haus und hatte die voͤllige Breite. Die Flinten ſtanden
wie Buͤcher in einer Bibliotheck, hinten, und uͤbereinan-
der. Eine Menge war fuͤr die Dragoner, die andern
waren mit Bajonets verſehen. Ich ſah auch Spontons
aus den Zeiten Ludwigs des XIV. ſie waren hoͤher, als
ich mir ſie vorſtellte, von duͤnnen biegſamen braunen
Holz, oben eine Sonne von Stahl und dann der Spies
darauf, auch eine Menge andrer Sachen, denen ich gerne
Ruhe und ſtilles Lager wuͤnſchte. —
L’Hôpital general. Ein herrliches Viereck von
Ludwig dem 14ten erbaut, ganz vortreflich eingerichtet,
den Waiſenkindern, den Armen, den Verruͤckten und zu-
gleich den Gefangenen gewidmet. Der vierte Theil des
Gebaͤudes iſt noch leer. Im Hofe exerciren die Rekru-
ten; dafuͤr zahlt das Regiment eine Summe an das
Hospital. Durchs ganze hohe und lange Gebaͤude geht
eine runde Oefnung bis unters Dach, um das Getreide
hinauf zu bringen. Die Treppen ſind aus dem blaulich-
ten Steine, der hier haͤufig iſt, und die Gaͤnge alle ſehr
breit, helle und herrlich gewoͤlbt. Die Stuben zum
Schlafen, zum Arbeiten, zum Eſſen, ſind alle ſehr gros,
und ungemein reinlich. Die Betten ſind alle niedrig
und mit weisgrauen wollenen Decken verſehen, wie man
ſie hier in den Haͤuſern durchgaͤngig hat. In den Ar-
beitsſtuben ſah ich mit vielen Vergnuͤgen eine Menge
Maͤdchen von 8.-14.-16. Jahren unter der Aufſicht eini-
ger Frauen, den feinen Lein, den man hier baut, verar-
beiten. Einige zwirnten, andre ſpannen, andre kloͤppel-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/421>, abgerufen am 25.11.2024.
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