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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Ueber Mittag waren wir in Gournay, einem
Dorfe, Nachmittags sahen wir ein Städtchen Rouay,
das artig war, und mir sehr volkreich zu seyn schien. --
Aussen lag ein Mann auf der Strasse, dem vermuthlich
das Rad die Hand geklemmt hatte, er zeigte uns den
blutigen Arm. -- Nachts waren wir in

Peronne, einem kleinen aber festen Städtchen,
man passirt wenigstens 3. Gräben mit Mauren, Wall
und Brücken, bis man zur Vorstadt kömmt. Hier sind
schon alle Häuser von rothen Backsteinen gebaut, aber
in den Vorstädten waren noch viele Häuser mit Stroh ge-
deckt. Die Stadt selbst ist mittelmässig, hat aber einen
sehr schönen langen Platz. Wir fuhren ganz durch, weil
der Gasthof, Hotel de Flandre, vor der Stadt liegt.
Da waren wiederum die Zimmer mit einem Bett so klein,
so eng, daß man sich fast nicht umkehren konnte, und in-
wendig konnte man sie nicht einmahl zuschliessen. Weil
Peronne das Gränzstädtchen vom eigentlichen Frank-
reich
ist, so passirten wir die Douane. Allein,
hier erfuhr ich, daß man auf dem Bureau in Paris
vergessen hatte meinen Kuffer auf die Diligence zu ge-
ben. Der Postsekretär hatte ihn in meinem Billet er-
kannt, ich stand in der Karte, la malle aussi, und
doch war er vergessen. -- So gros war die Vorlegen-
heit, in die ich noch am letzten Tage in Frankreich ge-
rathen mußte! So gewis ists, daß Schwatzen, Viel-
versprechen, und Windbeutelei der Karakter der meisten
Franzosen ist! Die Gesellschaft nimmt an dem, was dem
Ausländer begegnet, nicht den geringsten Theil. Ich
war froh, daß nur der Postsekretär es in die Karte
schrieb, die morgen nach Paris zurückging, und ging

traurig
B b 3

Ueber Mittag waren wir in Gournay, einem
Dorfe, Nachmittags ſahen wir ein Staͤdtchen Rouay,
das artig war, und mir ſehr volkreich zu ſeyn ſchien. —
Auſſen lag ein Mann auf der Straſſe, dem vermuthlich
das Rad die Hand geklemmt hatte, er zeigte uns den
blutigen Arm. — Nachts waren wir in

Peronne, einem kleinen aber feſten Staͤdtchen,
man paſſirt wenigſtens 3. Graͤben mit Mauren, Wall
und Bruͤcken, bis man zur Vorſtadt koͤmmt. Hier ſind
ſchon alle Haͤuſer von rothen Backſteinen gebaut, aber
in den Vorſtaͤdten waren noch viele Haͤuſer mit Stroh ge-
deckt. Die Stadt ſelbſt iſt mittelmaͤſſig, hat aber einen
ſehr ſchoͤnen langen Platz. Wir fuhren ganz durch, weil
der Gaſthof, Hôtel de Flandre, vor der Stadt liegt.
Da waren wiederum die Zimmer mit einem Bett ſo klein,
ſo eng, daß man ſich faſt nicht umkehren konnte, und in-
wendig konnte man ſie nicht einmahl zuſchlieſſen. Weil
Peronne das Graͤnzſtaͤdtchen vom eigentlichen Frank-
reich
iſt, ſo paſſirten wir die Douane. Allein,
hier erfuhr ich, daß man auf dem Bureau in Paris
vergeſſen hatte meinen Kuffer auf die Diligence zu ge-
ben. Der Poſtſekretaͤr hatte ihn in meinem Billet er-
kannt, ich ſtand in der Karte, la malle auſſi, und
doch war er vergeſſen. — So gros war die Vorlegen-
heit, in die ich noch am letzten Tage in Frankreich ge-
rathen mußte! So gewis iſts, daß Schwatzen, Viel-
verſprechen, und Windbeutelei der Karakter der meiſten
Franzoſen iſt! Die Geſellſchaft nimmt an dem, was dem
Auslaͤnder begegnet, nicht den geringſten Theil. Ich
war froh, daß nur der Poſtſekretaͤr es in die Karte
ſchrieb, die morgen nach Paris zuruͤckging, und ging

traurig
B b 3
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[389/0413] Ueber Mittag waren wir in Gournay, einem Dorfe, Nachmittags ſahen wir ein Staͤdtchen Rouay, das artig war, und mir ſehr volkreich zu ſeyn ſchien. — Auſſen lag ein Mann auf der Straſſe, dem vermuthlich das Rad die Hand geklemmt hatte, er zeigte uns den blutigen Arm. — Nachts waren wir in Peronne, einem kleinen aber feſten Staͤdtchen, man paſſirt wenigſtens 3. Graͤben mit Mauren, Wall und Bruͤcken, bis man zur Vorſtadt koͤmmt. Hier ſind ſchon alle Haͤuſer von rothen Backſteinen gebaut, aber in den Vorſtaͤdten waren noch viele Haͤuſer mit Stroh ge- deckt. Die Stadt ſelbſt iſt mittelmaͤſſig, hat aber einen ſehr ſchoͤnen langen Platz. Wir fuhren ganz durch, weil der Gaſthof, Hôtel de Flandre, vor der Stadt liegt. Da waren wiederum die Zimmer mit einem Bett ſo klein, ſo eng, daß man ſich faſt nicht umkehren konnte, und in- wendig konnte man ſie nicht einmahl zuſchlieſſen. Weil Peronne das Graͤnzſtaͤdtchen vom eigentlichen Frank- reich iſt, ſo paſſirten wir die Douane. Allein, hier erfuhr ich, daß man auf dem Bureau in Paris vergeſſen hatte meinen Kuffer auf die Diligence zu ge- ben. Der Poſtſekretaͤr hatte ihn in meinem Billet er- kannt, ich ſtand in der Karte, la malle auſſi, und doch war er vergeſſen. — So gros war die Vorlegen- heit, in die ich noch am letzten Tage in Frankreich ge- rathen mußte! So gewis iſts, daß Schwatzen, Viel- verſprechen, und Windbeutelei der Karakter der meiſten Franzoſen iſt! Die Geſellſchaft nimmt an dem, was dem Auslaͤnder begegnet, nicht den geringſten Theil. Ich war froh, daß nur der Poſtſekretaͤr es in die Karte ſchrieb, die morgen nach Paris zuruͤckging, und ging traurig B b 3

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/413>, abgerufen am 25.11.2024.