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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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wie ich, ihren Unwillen zu erkennen gab. Die Nym-
phe hatte süssen Wein bei sich, und schenkte, so oft wir
hielten, ihren beiden Galans ein. In Deutschland
wird keine Braut, keine Frau ihrem Manne in Gegen-
wart andrer, sonderlich Frauenzimmer, das erlauben,
was dieses Weibsbild hier alle Augenblicke. Sie stiegen
einmahl aus, und der alte Geck langte mit dem Stock
den Pferden an die Ruthe, und zeigte sie seiner Gesell-
schaft. -- Ah, qu'il etoit indigne! doch ich erin-
nerte mich, daß ich noch in Frankreich wäre, -- und
stieg bald ab, und saß hernach die ganze Reise durch,
aussen im Cabriolet bei einem Commis, der viel höfli-
cher war, als der, den ich von Strasburg nach Paris
hatte.

Es war beständig ein sonderbares Wetter. Bis-
her Regenwetter, nun Hitze, und doch stieg um 6. Uhr
einer der dicksten Nebel auf, und es ward recht kalt, bis
gegen 8. Uhr die Sonne kam. Um 4. Uhr des Mor-
gens war noch das heiterste Wetter. Oft ward es am
Tage so dunkel, daß man gleich Regen vermuthete, und
doch kam keiner.

Die Armuth ist hier bei den gemeinen Leuten gros.
Kaum hält der Wagen, so sind überall Bettler da, und
man sieht keine Anstalten dagegen. Es ist betrübt und
schrecklich zu hören, wenn junge Buben lateinische und
französische Gebetsformeln, Vater Unser, Ave Ma-
ria, und dergleichen, die sie gewis nicht verstehen, her-
plappern. Man kan sich vorstellen, wie diese Buben
das Mönchslatein aussprechen, Z. B. frictus vantris
tui etc.
Man sieht auch überall Strohdächer.

Ueber

wie ich, ihren Unwillen zu erkennen gab. Die Nym-
phe hatte ſuͤſſen Wein bei ſich, und ſchenkte, ſo oft wir
hielten, ihren beiden Galans ein. In Deutſchland
wird keine Braut, keine Frau ihrem Manne in Gegen-
wart andrer, ſonderlich Frauenzimmer, das erlauben,
was dieſes Weibsbild hier alle Augenblicke. Sie ſtiegen
einmahl aus, und der alte Geck langte mit dem Stock
den Pferden an die Ruthe, und zeigte ſie ſeiner Geſell-
ſchaft. — Ah, qu’il etoit indigne! doch ich erin-
nerte mich, daß ich noch in Frankreich waͤre, — und
ſtieg bald ab, und ſaß hernach die ganze Reiſe durch,
auſſen im Cabriolet bei einem Commis, der viel hoͤfli-
cher war, als der, den ich von Strasburg nach Paris
hatte.

Es war beſtaͤndig ein ſonderbares Wetter. Bis-
her Regenwetter, nun Hitze, und doch ſtieg um 6. Uhr
einer der dickſten Nebel auf, und es ward recht kalt, bis
gegen 8. Uhr die Sonne kam. Um 4. Uhr des Mor-
gens war noch das heiterſte Wetter. Oft ward es am
Tage ſo dunkel, daß man gleich Regen vermuthete, und
doch kam keiner.

Die Armuth iſt hier bei den gemeinen Leuten gros.
Kaum haͤlt der Wagen, ſo ſind uͤberall Bettler da, und
man ſieht keine Anſtalten dagegen. Es iſt betruͤbt und
ſchrecklich zu hoͤren, wenn junge Buben lateiniſche und
franzoͤſiſche Gebetsformeln, Vater Unſer, Ave Ma-
ria, und dergleichen, die ſie gewis nicht verſtehen, her-
plappern. Man kan ſich vorſtellen, wie dieſe Buben
das Moͤnchslatein ausſprechen, Z. B. frictus vantris
tui etc.
Man ſieht auch uͤberall Strohdaͤcher.

Ueber
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[388/0412] wie ich, ihren Unwillen zu erkennen gab. Die Nym- phe hatte ſuͤſſen Wein bei ſich, und ſchenkte, ſo oft wir hielten, ihren beiden Galans ein. In Deutſchland wird keine Braut, keine Frau ihrem Manne in Gegen- wart andrer, ſonderlich Frauenzimmer, das erlauben, was dieſes Weibsbild hier alle Augenblicke. Sie ſtiegen einmahl aus, und der alte Geck langte mit dem Stock den Pferden an die Ruthe, und zeigte ſie ſeiner Geſell- ſchaft. — Ah, qu’il etoit indigne! doch ich erin- nerte mich, daß ich noch in Frankreich waͤre, — und ſtieg bald ab, und ſaß hernach die ganze Reiſe durch, auſſen im Cabriolet bei einem Commis, der viel hoͤfli- cher war, als der, den ich von Strasburg nach Paris hatte. Es war beſtaͤndig ein ſonderbares Wetter. Bis- her Regenwetter, nun Hitze, und doch ſtieg um 6. Uhr einer der dickſten Nebel auf, und es ward recht kalt, bis gegen 8. Uhr die Sonne kam. Um 4. Uhr des Mor- gens war noch das heiterſte Wetter. Oft ward es am Tage ſo dunkel, daß man gleich Regen vermuthete, und doch kam keiner. Die Armuth iſt hier bei den gemeinen Leuten gros. Kaum haͤlt der Wagen, ſo ſind uͤberall Bettler da, und man ſieht keine Anſtalten dagegen. Es iſt betruͤbt und ſchrecklich zu hoͤren, wenn junge Buben lateiniſche und franzoͤſiſche Gebetsformeln, Vater Unſer, Ave Ma- ria, und dergleichen, die ſie gewis nicht verſtehen, her- plappern. Man kan ſich vorſtellen, wie dieſe Buben das Moͤnchslatein ausſprechen, Z. B. frictus vantris tui etc. Man ſieht auch uͤberall Strohdaͤcher. Ueber

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/412>, abgerufen am 25.11.2024.