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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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gab immer Streit wegen der Zeit bei den lutherischen
Kommunionen. Es ward daher befohlen, daß allemahl
3. Kommunikanten das Brod auf einmahl nehmen, und
man die Worte der Einsetzung für alle 3. nur einmahl,
und beim Kelch für 2. nur einmahl sprechen soll; nun
sind die Streitigkeiten beigelegt.

Man trinkt hier in sehr vielen Häusern Thee von
Schlüsselblümchen; er schmeckt recht gut.

Unter den Sallat thun die Franzosen viel Apium
Petroselinum.

Es gehört zum Karakter der Nation, daß sie be-
ständig singt. Selten geht einer die Treppe hinauf,
oder hinab, ohne zu trillern; die Köchin in der Küche,
der Soldat auf dem Posten, die Kinderwärterin, der
Beckerjunge, der Ladendiener, kurz alles singt.

Drei Stunden von Strasburg hat der vortrefliche
Stättmeister und Lieutenant, Hr. General von Hohen-
hayn
ein Landgut, das ein Meisterstück der Oekonomie
seyn soll, selbst angelegt. Unter andern sind seine Wein-
berge als ein Amphitheater angelegt; an den Seiten ste-
hen Pfosten, an diesen sind eiserne Drathe durch den
ganzen Weinberg gezogen, und an diesen, nicht an Pfäh-
len, sind alle Rebstöcke befestigt.

Die Abgaben an den König sind sehr gros. Die
Leute sind auch meist sehr arm, und wissen nie was sie
geben müssen; es gibt beständig Veränderungen. Ein
Becker, der nichts hat, als ein halbes Haus zu seinem
Handwerk, gibt der Stadt, und dem Könige alle Jahr
80. Gulden.

Im

gab immer Streit wegen der Zeit bei den lutheriſchen
Kommunionen. Es ward daher befohlen, daß allemahl
3. Kommunikanten das Brod auf einmahl nehmen, und
man die Worte der Einſetzung fuͤr alle 3. nur einmahl,
und beim Kelch fuͤr 2. nur einmahl ſprechen ſoll; nun
ſind die Streitigkeiten beigelegt.

Man trinkt hier in ſehr vielen Haͤuſern Thee von
Schluͤſſelbluͤmchen; er ſchmeckt recht gut.

Unter den Sallat thun die Franzoſen viel Apium
Petroſelinum.

Es gehoͤrt zum Karakter der Nation, daß ſie be-
ſtaͤndig ſingt. Selten geht einer die Treppe hinauf,
oder hinab, ohne zu trillern; die Koͤchin in der Kuͤche,
der Soldat auf dem Poſten, die Kinderwaͤrterin, der
Beckerjunge, der Ladendiener, kurz alles ſingt.

Drei Stunden von Strasburg hat der vortrefliche
Staͤttmeiſter und Lieutenant, Hr. General von Hohen-
hayn
ein Landgut, das ein Meiſterſtuͤck der Oekonomie
ſeyn ſoll, ſelbſt angelegt. Unter andern ſind ſeine Wein-
berge als ein Amphitheater angelegt; an den Seiten ſte-
hen Pfoſten, an dieſen ſind eiſerne Drathe durch den
ganzen Weinberg gezogen, und an dieſen, nicht an Pfaͤh-
len, ſind alle Rebſtoͤcke befeſtigt.

Die Abgaben an den Koͤnig ſind ſehr gros. Die
Leute ſind auch meiſt ſehr arm, und wiſſen nie was ſie
geben muͤſſen; es gibt beſtaͤndig Veraͤnderungen. Ein
Becker, der nichts hat, als ein halbes Haus zu ſeinem
Handwerk, gibt der Stadt, und dem Koͤnige alle Jahr
80. Gulden.

Im
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[16/0040] gab immer Streit wegen der Zeit bei den lutheriſchen Kommunionen. Es ward daher befohlen, daß allemahl 3. Kommunikanten das Brod auf einmahl nehmen, und man die Worte der Einſetzung fuͤr alle 3. nur einmahl, und beim Kelch fuͤr 2. nur einmahl ſprechen ſoll; nun ſind die Streitigkeiten beigelegt. Man trinkt hier in ſehr vielen Haͤuſern Thee von Schluͤſſelbluͤmchen; er ſchmeckt recht gut. Unter den Sallat thun die Franzoſen viel Apium Petroſelinum. Es gehoͤrt zum Karakter der Nation, daß ſie be- ſtaͤndig ſingt. Selten geht einer die Treppe hinauf, oder hinab, ohne zu trillern; die Koͤchin in der Kuͤche, der Soldat auf dem Poſten, die Kinderwaͤrterin, der Beckerjunge, der Ladendiener, kurz alles ſingt. Drei Stunden von Strasburg hat der vortrefliche Staͤttmeiſter und Lieutenant, Hr. General von Hohen- hayn ein Landgut, das ein Meiſterſtuͤck der Oekonomie ſeyn ſoll, ſelbſt angelegt. Unter andern ſind ſeine Wein- berge als ein Amphitheater angelegt; an den Seiten ſte- hen Pfoſten, an dieſen ſind eiſerne Drathe durch den ganzen Weinberg gezogen, und an dieſen, nicht an Pfaͤh- len, ſind alle Rebſtoͤcke befeſtigt. Die Abgaben an den Koͤnig ſind ſehr gros. Die Leute ſind auch meiſt ſehr arm, und wiſſen nie was ſie geben muͤſſen; es gibt beſtaͤndig Veraͤnderungen. Ein Becker, der nichts hat, als ein halbes Haus zu ſeinem Handwerk, gibt der Stadt, und dem Koͤnige alle Jahr 80. Gulden. Im

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/40>, abgerufen am 24.11.2024.