Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

auch Kaiser war, den Reichsapfel in der Hand. Louis
XII.
und Anne de Bretagne liegen auch bei einander,
und haben unstreitig das prächtigste Grabmahl. Die
4. Haupttugenden in weiblichen Gestalten, sitzen an den
4. Ecken des Grabmahls und sind vortreflich. Die älte-
sten Grabmähler verfallen und werden unscheinbar, und
scheinen aus schlechtem Gyps zu seyn. Gleich beim Ein-
gang in die Mitte des Begräbnisplatzes, steht noch jetzt
ein erstaunlich hohes, prachtvolles Paradebette zu Ehren
Ludwigs XV. Der Sarg, worin der Königl. Leich-
nam liegt, ist mit schwarz und weissem Sammt bedeckt,
und hat die prächtigsten Stickereien des Königl. Wap-
pens, das 2. mahl auf jeder Seite steht. Wachskerzen,
wie ein Mannsarm dick, und eben so hoch als dieses
Prachtbette, stehen beständig um dasselbe herum, und
dürfen, gleich der Vesta heiligem Feuer, nie auslöschen.
Man sagte uns, daß in diesem Leichengerüste noch Louis
XV.
liege, und unmittelbar unter ihm Louis XIV. --
und daß Louis XV. so lange hier über der Erde stehen
bleibe, bis sein Nachfolger stirbt, dessen Leichnam alsdann
wieder in dessen Stelle, erster aber hinunter ins Gewölbe
kömmt, und daß man bis dahin diese Wachskerzen un-
auf hörlich ums Leichengerüste brennen lasse, welches ich
aber immer noch nicht glauben kan. Man denke sich
nur den unermeßlichen Aufwand des Wachses! *) Tu-
renne
hat die Ehre, neben Königen begraben zu seyn,
und sein Grabmahl, das durch eine eigne Grille von den
andern abgesondert ist, ist wiederum ein Meisterstück

der
*) Dieser Gebrauch hat allerdings, auch nach dem Zeug-
nisse andrer Reisenden, seine Richtigkeit.
Herausgeber.

auch Kaiſer war, den Reichsapfel in der Hand. Louis
XII.
und Anne de Bretagne liegen auch bei einander,
und haben unſtreitig das praͤchtigſte Grabmahl. Die
4. Haupttugenden in weiblichen Geſtalten, ſitzen an den
4. Ecken des Grabmahls und ſind vortreflich. Die aͤlte-
ſten Grabmaͤhler verfallen und werden unſcheinbar, und
ſcheinen aus ſchlechtem Gyps zu ſeyn. Gleich beim Ein-
gang in die Mitte des Begraͤbnisplatzes, ſteht noch jetzt
ein erſtaunlich hohes, prachtvolles Paradebette zu Ehren
Ludwigs XV. Der Sarg, worin der Koͤnigl. Leich-
nam liegt, iſt mit ſchwarz und weiſſem Sammt bedeckt,
und hat die praͤchtigſten Stickereien des Koͤnigl. Wap-
pens, das 2. mahl auf jeder Seite ſteht. Wachskerzen,
wie ein Mannsarm dick, und eben ſo hoch als dieſes
Prachtbette, ſtehen beſtaͤndig um daſſelbe herum, und
duͤrfen, gleich der Veſta heiligem Feuer, nie ausloͤſchen.
Man ſagte uns, daß in dieſem Leichengeruͤſte noch Louis
XV.
liege, und unmittelbar unter ihm Louis XIV.
und daß Louis XV. ſo lange hier uͤber der Erde ſtehen
bleibe, bis ſein Nachfolger ſtirbt, deſſen Leichnam alsdann
wieder in deſſen Stelle, erſter aber hinunter ins Gewoͤlbe
koͤmmt, und daß man bis dahin dieſe Wachskerzen un-
auf hoͤrlich ums Leichengeruͤſte brennen laſſe, welches ich
aber immer noch nicht glauben kan. Man denke ſich
nur den unermeßlichen Aufwand des Wachſes! *) Tu-
renne
hat die Ehre, neben Koͤnigen begraben zu ſeyn,
und ſein Grabmahl, das durch eine eigne Grille von den
andern abgeſondert iſt, iſt wiederum ein Meiſterſtuͤck

der
*) Dieſer Gebrauch hat allerdings, auch nach dem Zeug-
niſſe andrer Reiſenden, ſeine Richtigkeit.
Herausgeber.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0368" n="344"/>
auch Kai&#x017F;er war, den Reichsapfel in der Hand. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Louis<lb/>
XII.</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Anne de Bretagne</hi></hi> liegen auch bei einander,<lb/>
und haben un&#x017F;treitig das pra&#x0364;chtig&#x017F;te Grabmahl. Die<lb/>
4. Haupttugenden in weiblichen Ge&#x017F;talten, &#x017F;itzen an den<lb/>
4. Ecken des Grabmahls und &#x017F;ind vortreflich. Die a&#x0364;lte-<lb/>
&#x017F;ten Grabma&#x0364;hler verfallen und werden un&#x017F;cheinbar, und<lb/>
&#x017F;cheinen aus &#x017F;chlechtem Gyps zu &#x017F;eyn. Gleich beim Ein-<lb/>
gang in die Mitte des Begra&#x0364;bnisplatzes, &#x017F;teht noch jetzt<lb/>
ein er&#x017F;taunlich hohes, prachtvolles Paradebette zu Ehren<lb/><hi rendition="#fr">Ludwigs</hi> <hi rendition="#aq">XV.</hi> Der Sarg, worin der Ko&#x0364;nigl. Leich-<lb/>
nam liegt, i&#x017F;t mit &#x017F;chwarz und wei&#x017F;&#x017F;em Sammt bedeckt,<lb/>
und hat die pra&#x0364;chtig&#x017F;ten Stickereien des Ko&#x0364;nigl. Wap-<lb/>
pens, das 2. mahl auf jeder Seite &#x017F;teht. Wachskerzen,<lb/>
wie ein Mannsarm dick, und eben &#x017F;o hoch als die&#x017F;es<lb/>
Prachtbette, &#x017F;tehen be&#x017F;ta&#x0364;ndig um da&#x017F;&#x017F;elbe herum, und<lb/>
du&#x0364;rfen, gleich der <hi rendition="#fr">Ve&#x017F;ta</hi> heiligem Feuer, nie auslo&#x0364;&#x017F;chen.<lb/>
Man &#x017F;agte uns, daß in die&#x017F;em Leichengeru&#x0364;&#x017F;te noch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Louis<lb/>
XV.</hi></hi> liege, und unmittelbar unter ihm <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Louis XIV.</hi></hi> &#x2014;<lb/>
und daß <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Louis XV.</hi></hi> &#x017F;o lange hier u&#x0364;ber der Erde &#x017F;tehen<lb/>
bleibe, bis &#x017F;ein Nachfolger &#x017F;tirbt, de&#x017F;&#x017F;en Leichnam alsdann<lb/>
wieder in de&#x017F;&#x017F;en Stelle, er&#x017F;ter aber hinunter ins Gewo&#x0364;lbe<lb/>
ko&#x0364;mmt, und daß man bis dahin die&#x017F;e Wachskerzen un-<lb/>
auf ho&#x0364;rlich ums Leichengeru&#x0364;&#x017F;te brennen la&#x017F;&#x017F;e, welches ich<lb/>
aber immer noch nicht glauben kan. Man denke &#x017F;ich<lb/>
nur den unermeßlichen Aufwand des Wach&#x017F;es! <note place="foot" n="*)">Die&#x017F;er Gebrauch hat allerdings, auch nach dem Zeug-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e andrer Rei&#x017F;enden, &#x017F;eine Richtigkeit.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Herausgeber.</hi></hi></note> <hi rendition="#fr">Tu-<lb/>
renne</hi> hat die Ehre, neben Ko&#x0364;nigen begraben zu &#x017F;eyn,<lb/>
und &#x017F;ein Grabmahl, das durch eine eigne Grille von den<lb/>
andern abge&#x017F;ondert i&#x017F;t, i&#x017F;t wiederum ein Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0368] auch Kaiſer war, den Reichsapfel in der Hand. Louis XII. und Anne de Bretagne liegen auch bei einander, und haben unſtreitig das praͤchtigſte Grabmahl. Die 4. Haupttugenden in weiblichen Geſtalten, ſitzen an den 4. Ecken des Grabmahls und ſind vortreflich. Die aͤlte- ſten Grabmaͤhler verfallen und werden unſcheinbar, und ſcheinen aus ſchlechtem Gyps zu ſeyn. Gleich beim Ein- gang in die Mitte des Begraͤbnisplatzes, ſteht noch jetzt ein erſtaunlich hohes, prachtvolles Paradebette zu Ehren Ludwigs XV. Der Sarg, worin der Koͤnigl. Leich- nam liegt, iſt mit ſchwarz und weiſſem Sammt bedeckt, und hat die praͤchtigſten Stickereien des Koͤnigl. Wap- pens, das 2. mahl auf jeder Seite ſteht. Wachskerzen, wie ein Mannsarm dick, und eben ſo hoch als dieſes Prachtbette, ſtehen beſtaͤndig um daſſelbe herum, und duͤrfen, gleich der Veſta heiligem Feuer, nie ausloͤſchen. Man ſagte uns, daß in dieſem Leichengeruͤſte noch Louis XV. liege, und unmittelbar unter ihm Louis XIV. — und daß Louis XV. ſo lange hier uͤber der Erde ſtehen bleibe, bis ſein Nachfolger ſtirbt, deſſen Leichnam alsdann wieder in deſſen Stelle, erſter aber hinunter ins Gewoͤlbe koͤmmt, und daß man bis dahin dieſe Wachskerzen un- auf hoͤrlich ums Leichengeruͤſte brennen laſſe, welches ich aber immer noch nicht glauben kan. Man denke ſich nur den unermeßlichen Aufwand des Wachſes! *) Tu- renne hat die Ehre, neben Koͤnigen begraben zu ſeyn, und ſein Grabmahl, das durch eine eigne Grille von den andern abgeſondert iſt, iſt wiederum ein Meiſterſtuͤck der *) Dieſer Gebrauch hat allerdings, auch nach dem Zeug- niſſe andrer Reiſenden, ſeine Richtigkeit. Herausgeber.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/368
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/368>, abgerufen am 24.11.2024.